Bochum. Weil die Netze zu schwach sind, bleiben die meisten von Vonovia installierten Wärmepumpen noch abgeschaltet. Milliardenverlust zu Jahresbeginn.

Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia überfordert mit seiner Wärmepumpen-Offensive bereits im ersten Schritt die örtlichen Stromnetze. Die Mehrheit der im vergangenen September in Vonovia-Häuser eingebauten Wärmepumpen laufe noch nicht, sagte Konzernchef Rolf Buch am Donnerstag bei der Vorlage der Quartalsbilanz. Der Grund: Wegen fehlenden Netzausbaus stehe für die Anlagen nicht genügend Strom zur Verfügung, so Buch.

Von den 115 installierten Wärmepumpen hätten rund 70 noch nicht angeschlossen werden können, konkretisierte eine Vonovia-Sprecherin auf Nachfrage. Wärmepumpen gelten als die Alternative schlechthin für Heizungen mit fossilen Brennstoffen. Die Bundesregierung setzt für die Energiewende in den Heizungskellern vor allem auf diese Anlagen, die Umgebungsluft mit Strom in Wärme oder auch Kälte umwandeln. Mit entsprechenden Fördermitteln sollen Wärmepumpen nach und nach Gas- und Ölheizungen ersetzten. Dies erfordert freilich Stromnetze in der Nahversorgung, die dafür genügend Kapazitäten haben.

Netze reichen vielerorts noch nicht für Wärmewende

Dass dieser bisher zu langsam voranschreitet, zeigt sich mancherorts bereits, wenn in einer Straße zu viele Ladesäulen für Elektroautos gleichzeitig beantragt werden. Da sowohl im Verkehrs- als auch im Wärmesektor die Energiewende eine elektrische sein wird, steigt nicht nur in der Industrie der Strombedarf, sondern auch in den Privathaushalten. Dafür muss die Erzeugung von grünem Strom, vorher oder gleichzeitig aber auch das Netz deutlich ausgebaut werden.

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Vonovia will in den kommenden fünf Jahren 6000 Wärmepumpen in seine Gebäude einbauen und so den Gasverbrauch um rund 30 Prozent senken. Pilotstandort für die „Wärmepumpen-Offensive“ des Bochumer Dax-Konzerns ist Dortmund, weil dort viele Vonovia-Häuser bereits energetisch saniert sind. Das macht den Einsatz der Wärmepumpen effizienter und im Zweifel erst sinnvoll.

Gleichzeitig will der Wohnungsriese die meisten seiner Dächer mit Solarmodulen decken, um selbst Strom für die Wärmepumpen erzeugen und so unabhängiger im Strombezug werden zu können. Konzernchef Buch bekräftigte, dass bis 2045 auf nahezu allen 30 000 geeigneten Dächern des Gebäudebestandes Photovoltaikanlagen installiert sein sollen. Wie dem Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns zu entnehmen ist, wird sich das Modernisierungstempo in diesem Jahr wegen der gestiegenen Kosten aber zunächst verlangsamen.

Vonovia-Chef Buch: Politisch nicht zu Ende gedacht

Aktuell sieht sich der Konzern aber von den Problemen der Energiewende gebremst. So habe man 2022 in Dortmund 400 Wohnungen auf Erdgas- und Wärmepumpenheizungen umgestellt – theoretisch. 200 weitere sollen in diesem Jahr folgen. Doch der Anschluss ans Stromnetz gestaltet sich schwierig. Jeder einzelne muss von den Stadtwerken genehmigt werden, damit das lokale Netz nicht zusammenbricht. „Aber so ziemlich jedes der 900 Stadtwerke in Deutschland hat ein eigenes Formular und verlangt andere Angaben“, beklagt der Konzern.

„Bei den Wärmepumpen zeigt sich, dass gute Vorhaben politisch oft nicht zu Ende gedacht sind. Einzellösungen funktionieren nicht“, sagte Rolf Buch unserer Zeitung. Zuerst müsse jede Kommune klären, ob und wenn ja, wo ihre Stadtwerke auf Fernwärme setzen oder auf Wärmepumpen. Die kommunale Wärmeplanung müsse zuerst stehen. Bei Wärmepumpen müsse klar sein, ob und zu welcher Zeit es genug Strom dafür gibt. „Auch für all die Ladesäulen, die es zukünftig geben soll“, betont Buch. Geklärt werden müsse außerdem, ob die für Wärmepumpen vorgesehenen Häuser gut genug gedämmt seien. „Sonst wird es unbezahlbar“, sagt der Vonovia-Chef, die Kommunen bräuchten dringend „eine Strategie und einen Plan“.

Die Dortmunder Stadtwerke sehen sich allerdings auf einem guten Weg. Durch die höheren Leistungsanforderungen müsse das Netz ausgebaut und ertüchtigt werden, unter Umständen auch neue Ortsnetzstationen bauen, für die teilweise Standorte erst gefunden werden müssten. Doch alle von Vonovia angemeldeten 51 Wärmepumpen könnten angeschlossen werden, betonen die Stadtwerke. Auf Anhieb ging das nur bei zweien, für weitere 40 gebe es Angebote für Stromanschlüsse. Lediglich bei neun Anlagen seien die Planungen schwieriger.

RWI-Experte: Beispiel Vonovia bezeichnend den schleppenden Netzausbau

Die schrittweise Anpassung der örtlichen Netze dauert eben ihre Zeit – und die läuft Deutschland bei seiner Energiewende langsam davon. „Das Beispiel Vonovia ist bezeichnend. Wenn wir in Zukunft Millionen Wärmepumpen einbauen und Millionen Elektroautos zu Hause laden wollen, müssen die Verteilnetze verstärkt und ausgebaut und auch intelligenter werden“, sagte Manuel Frondel unserer Redaktion, Energieexperte des Essener RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Damit meint er digital gesteuerte dezentrale Netze, in denen etwa geladene Elektroautos auch Strom zurück ins Netz speisen, also als Speicher dienen können. „Das ist im Moment pures Wunschdenken. Insgesamt müssen über 100 Milliarden Euro in den Ausbau der Verteilnetze investiert werden. Es hakt also nicht nur beim Ausbau der Überlandleitungen, der uns auch einen dreistelligen Milliardenbetrag kosten wird“, sagt Frondel.

Vonovia erleidet Milliardenverlust

Vonovia besitzt aktuell noch rund 550 000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. Allerdings brauchen die Bochumer wegen der negativen Folgen der Zinswende für die Immobilienwirtschaft frisches Geld und trennen sich derzeit von mehreren Beständen. Nachdem unlängst die Beteiligung an einem Bestand in Süddeutschland für eine Milliarde Euro an die Südewo verkauft wurde, gab Vonovia nun bekannt, 1350 Wohnungen in Frankfurt, Berlin und München für 560 Millionen Euro an CBRE Investment Management zu veräußern. „Mit mehr als 1,5 Milliarden Euro haben wir unser diesjähriges Verkaufsziel fast erreicht“, sagte Buch.

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In den ersten drei Monaten dieses Jahres verdiente Vonovia erwartungsgemäß weniger, der operative Gewinn sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp zehn Prozent auf 657,1 Millionen Euro. Aus den Vermietungen der Wohnungen kam allerdings mehr Geld in die Kasse – hier stieg der operative Gewinn um rund fünf Prozent auf knapp 580 Millionen Euro. Unter dem Strich erlitt Vonovia wegen einer Abwertung seines Immobilienportfolios um 3,5 Milliarden Euro einen Nettoverlust von 2,1 Milliarden Euro.

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