Oberhausen. Artgerechte Tierhaltung gewinnt an Nachfrage. Doch bunte Supermarkt-Eier stammen oft aus Bodenhaltung. Wo es Ostereier von Freiland-Hühnern gibt.
Auf dem Bauernhof Hagedorn in Oberhausen ist kurz vor den Osterfeiertagen einiges zu tun. Die Liste ist voll mit Bestellungen von bunten Eiern aus Freilandhaltung. Auf Hagedorns Weiden leben seit 2016 rund 1050 Legehennen in drei mobilen Hühnerställen. „Die Fragen der Kundschaft zur Herkunft der Eier haben sich gehäuft“, sagt Hofherrin Wilma Hagedorn. „Nun kann man sich die Tiere vor dem Eierkauf im Vorbeigehen selbst anschauen.“
Die Bodenhaltung macht in NRW mit 71,7 Prozent immer noch den größten Teil der Eierproduktion aus. Dabei gibt es hierzulande viele regionale Bauern, die wie Hagedorn auf den transparenten Haltungstrend setzen. Auch die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Eiern von freilebenden Legehennen wächst. Laut dem Statistischen Landesamt NRW stieg die Produktion in Freilandhaltung seit 2015 von 7,4 Prozent auf 12,4 Prozent. Bunt gefärbte Ostereier aus Freilandhaltung findet man im Supermarkt allerdings nur selten, bestätigt Heinrich Bußmann vom Geflügelwirtschaftsverband NRW.
Mobile Hühnerställe haben Vorteile für Huhn und Konsument
Woche für Woche haben die Hühner auf Hagedorns Bauernhof Auslauf an einem neuen Ort, an dem die Wiese wieder frisch und saftig ist. „Dadurch werden Krankheiten wie Durchfall oder Verwurmungen vorgebeugt, weil der Boden niemals verschlammt und nur selten verkahlt“, erklärt die Landwirtin. Tagsüber stehe den Legehennen die Tür ab zehn Uhr offen. Sie entscheiden selbst, ob sie sich draußen auf der Wiese oder drinnen im Stall aufhalten möchten.
„Nur wenn im Mobil das Futterband rattert, ist kein Huhn mehr auf der Wiese zu sehen“, schmunzelt die Landwirtin. Und auch bei Sonnenuntergang ziehe es die Hennen wieder automatisch in ihren Stall. „Weil sie bei Dunkelheit schlecht sehen und im Mobil das Licht brennt“, erklärt Hagedorn. Dann hieße es: Klappe zu, Licht aus und Schlafenszeit.
Sobald sich morgens um vier Uhr das Licht im Stall wieder automatisch anschaltet, beginnt das tägliche Eierlegen. Gegen 9.30 Uhr haben sich in jedem Mobil zwischen 300 und 350 frische Eier über ein Fließbandsystem an der Stalltür gesammelt. Als Belohnung gibt es für die fleißigen Hennen draußen erstmal eine Ladung Möhren, die mit lautem Gegacker dankend angenommen wird. „Das sind die besten Mitarbeiter auf unserem Hof, die muss man sich gut warmhalten“, witzelt Wilma Hagedorn.
Eierpreise steigen – nicht nur beim Bauern
Anschließend müssen die Eier noch von Hand gestempelt und in Kartons verpackt werden. Sogenannte Knickeier – also solche, die verbeult oder mit Hühnerkot verschmiert sind – werden aussortiert und zu Kuchen verarbeitet. Alle anderen werden rund um die Uhr im hofeigenen Frischeautomat verkauft. Und zwar zum stolzen Preis: Seit dem 1. März zahlt man bei Bauer Hagedorn für zehn Eier 4,50 Euro. „Besonders die Kosten für Hühnerfutter und Eierkartons sind im vergangenen Jahr durch die Inflation explodiert“, so die Landwirtin. Trotzdem wolle man beim „guten Futter“ bleiben und nicht auf günstigere Alternativen umstellen.
Aber auch bei Aldi, Rewe und Co. wurden Eier in den vergangenen Monaten teurer. Laut dem Statistischen Bundesamt müssen Verbraucherinnen und Verbraucher für Molkereiprodukte und Eier rund 35,3 Prozent mehr zahlen. Eine Zehner-Packung Eier aus Bodenhaltung kostet im Supermarkt derzeit etwa 1,99 Euro. Für Eier aus Freilandhaltung zahlt man 2,29 Euro und für Bio-Eier rund 3,19 Euro.
Inflation ist nicht der einzige Grund für steigende Eierpreise
Laut Heinrich Bußmann vom Geflügelwirtschaftsverband NRW liegt der Preisanstieg bei Eiern nicht nur an der Inflation. „Der Eiermarkt ist knapp“, sagt er. Seit Eintritt des Kükentötenverbots im Januar 2022 sei die Produktion in Deutschland extrem geschrumpft. Das Gesetz habe nicht dazu geführt, dass weniger männliche Küken im Schredder landen, sondern dass Brütereien ihre Tätigkeit ins Ausland verlegten.„In Nordrhein Westfalen gab es früher sieben Brütereien, nun sind es nur noch zwei“, so Bußmann.
Bei den übrigen Betrieben koste das Ei entsprechend mehr, weil sie die sogenannten „Brüderhähne“ mit großziehen. „Rein wirtschaftlich sind männliche Küken nutzlos, da sie keine Eier legen und über einen langen Zeitraum viel teures Futter fressen müssen, um schlachtreif zu werden“, erklärt Bußmann. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hatte zudem über Betriebe berichtet, die ihre männlichen Küken ins Ausland exportieren, wo sie dann getötet würden.
Bei Bauer Hagedorn scheint der Anblick von freilaufenden Hühnern, der Geschmack von sonnengelbem Dotter und das Wissen darüber, dass auch männlichen Küken ein glückliches Leben geschenkt wird, der Preissensibilität entgegenzuwirken. „Die Kundschaft läuft uns wegen des Preisanstieges nicht weg“, sagt Wilma Hagedorn. „Man schmeckt einfach, dass die Eier von glücklichen Hühnern kommen“, bestätigt Stammkunde Uwe Hetkamp. Lieber nehme er die stolze Summe in Kauf, als auf Supermarkt-Eier von großen Massenbetrieben umzusteigen.
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