Breckerfeld. Der Verein „Mein-Ei.NRW“ bemüht sich um eine nachhaltige Zukunft für das Hühnerei aus NRW. Warum das in der Krise gerade doppelt schwierig ist.
Die Landwirtschaft in Deutschland gerät unter enormen Druck. Die Nachhaltigkeit noch viel mehr. Beispiel: Eier aus Bioproduktion und von artgerecht gehaltenen Hühnern in mobilen Ställen auf idyllischen Wiesen sind vielen Verbrauchern angesichts galoppierender Inflation zu teuer geworden. Gleichzeitig rennen Landwirten die Kosten schneller davon als jeder wild gewordene Hahn.
Am Montag trafen rund einhundert Experten aus der Geflügelbranche auf eine Delegation von Regierungsbeschäftigten rund um NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen. Ort des Geschehens: Der Hof von Udo Baumeister in Breckerfeld. Baumeister ist eine Institution, mindestens wenn es um Hühnereier geht.
Gesprochen wurde über die Zukunft für das nordrhein-westfälische Ei. Ein lange geplanter Termin der Initiative „Mein-Ei.NRW e.V.“, der eigentlich schon 2019 hätte stattfinden sollen, aber heute mindestens so aktuell ist wie vor der Corona-Pandemie.
Der Verein zählt 17 Mitglieds- und vier Unterstützerbetriebe vom Legehennenhalter, über den Eiergroßhandel, Futterhersteller, bis zu Brütereien und Geflügelzüchtern, die sich alle dem Ei aus NRW verschrieben haben. Die Menschen mögen Eier von nebenan. Bis vor kurzem am liebsten bio, artgerecht oder wenigstens von freilaufenden Tieren, eben aus nachhaltiger Landwirtschaft. Die Ergebnisse einer vom Land geförderten Machbarkeitsstudie stellte die Initiative auf Hof Baumeister Dutzenden Interessierten aus der Branche – und im Schnelldurchlauf auch der Ministerin vor.
Mein-Ei.NRW setzt sich nach eigenem Bekunden seit 2008 für Regionalität ein, nimmt die Dinge für die Zukunft nordrhein-westfälischer Eier selbst in die Hand, so weit das geht. Die Machbarkeitsstudie zur Nachhaltigkeit soll der Branche Klarheit verschaffen, was im Sinne von Verbrauchern und Politik für die Zukunft der Eier aus NRW zu tun ist. Möglichst konkret, um nichts falsch zu machen, wenn es um Tierwohl und alle weiteren Nachhaltigkeitsaspekte geht.
Das Leid der Landwirte mit dem deutschen Sonderweg
Aber nicht alles lässt sich auf den Höfen klären, Rahmenbedingungen werden durch die Politik vorgegeben. Weniger bis kaum in Düsseldorf, wohl aber in Berlin und Brüssel (EU). Entscheidungen trifft am Ende auch der Verbraucher an der Ladentheke, nur leider nicht immer vorhersehbar.
„Ohne Kükentöten“, kurz OKT, ist das ein schwieriger Fall. Seit dem 1. Januar 2022 ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten, das das Töten männlicher Küken verbietet. Der Verbraucher erinnert sich vielleicht an Bilder vom Kükenschreddern. Wer will das schon sehen?
Es gibt mehrere Knackpunkte bei dem Thema. Erstens: Es handelt sich um einen deutschen Alleingang. „Leider haben es die anderen in Europa nicht nachgemacht“, sagt Gastgeber Udo Baumeister. Zweitens: Das Gesetz ist da, aber noch scheint es keine verlässliche Methode zu geben, die bis zum 6. Tag Klarheit verschafft, ob das Küken Männlein oder Weiblein ist, um zu einem angemessen Zeitpunkt eingreifen zu können. „Wenn das so bleibt, haben wir nach Ablauf der Übergangsfrist Ende 2023 das Problem, dass in Deutschland 30 Millionen Hähne pro Jahr aufgezogen werden müssen“, erläutert Baumeister der Ministerin die Konsequenz des „deutschen Sonderwegs“.
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Diese sogenannten Bruderhähne möchte aber niemand haben, glaubt Dietrich Vriesen, Vorsitzender von Mein-Ei-NRW zu wissen. Warum? „Sie sind zäh wie Leder.“ Und: es bedeutet, dass eben 30 Millionen Tiere mehr irgendwo hin müssten, wo heute der Platz schon eng ist. Dazu noch die Kosten, die sich für Futter und Energie innerhalb eines Jahres vervielfacht haben. Eier müssten also deutlich teurer werden als sie es heute sind. Dabei offenbart sich, dass Verbraucher gerade eher nach dem preiswerten als dem nachhaltigen Ei suchen. Ein Dilemma.