Bochum. Nach Jahren des Pessimismus fasst die Ruhrwirtschaft wieder Zuversicht. Warum die IHKs eine „Atempause in der Krise“ feststellen.
Nach einer langen Phase des Pessimismus blickt die Ruhrwirtschaft wieder zuversichtlicher in die Zukunft: „Wir sind vorsichtig optimistisch. Die Phase der größten Verunsicherung scheint überwunden“, sagt Philipp Böhme, Präsident der IHK Mittleres Ruhrgebiet, im Namen der fünf Industrie- und Handelskammern der Region. Die gut gefüllten Gasspeicher und die Energiepreisbremsen der Bundesregierung zeigten Wirkung. Böhme sieht Anlass zu einer „Atempause in der Krise“.
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Zu Beginn des Jahres hatten die IHKs 877 Revier-Unternehmen mit zusammen 124.000 Beschäftigten befragt. Bei den Antworten zeigten sich die Firmen dem Ruhrlagebericht zu Folge in deutlich besserer Stimmung. „Der historische Tiefstand scheint überwunden“, fasst Präsident Böhme den Trend zusammen. „Es besteht Anlass zur Hoffnung, dass sich der Wiederaufschwung fortsetzt. Die Angst vor Deindustrialisierung hat sich zum Glück nicht bestätigt.“
„Die Auswirkungen der Energiepreise sind noch nicht absehbar“
Entwarnung mag der IHK-Präsident, der seit fast einem Jahr im Amt ist und hauptberuflich als Geschäftsführer der Creditreform Bochum arbeitet, allerdings nicht geben. Aus der Umfrage unter den Unternehmen im Ruhrgebiet weiß er, dass die Energiekrise weiterhin das alles überlagernde Thema in der Wirtschaft ist. „Die Auswirkungen der Energiepreise sind noch nicht absehbar. Das werden die kommenden Monate zeigen“, warnt Böhme.
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Auch wenn die Ruhrwirtschaft durchatmet – die Energiekrise macht ihr weiterhin große Sorgen. Die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, kurzfristig Maßnahmen zur Einsparung von Gas ergriffen zu haben. 55 Prozent planen auch, langfristig den Verbrauch von Gas zu senken. Auch der Klimaschutz spielt eine immer wichtigere Rolle: 30 Prozent der Firmen kündigen an, künftig stärker in Umweltschutzmaßnahmen investieren zu wollen. In der Industrie sind es sogar knapp 38 Prozent.
„Wenn es einen positiven Effekt der Krise gibt, dann, dass immer mehr Unternehmen darüber nachdenken, wie sie nachhaltiger wirtschaften und Energie einsparen können“, sagt denn auch Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet. Er sieht mit Wohlwollen, dass das Streben nach mehr Nachhaltigkeit auch die Wirtschaft erfasst.
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Bei allen Herausforderungen durch gestörte Lieferketten, rasant steigende Preise und Zinsen scheinen die Firmen an Rhein und Ruhr weiterhin in robuster Verfassung zu sein. 85 Prozent bewerten ihre aktuelle Lage der Umfrage zufolge als gut oder befriedigend. Der IHK-Konjunkturklimaindikator, der die wirtschaftliche Entwicklung abbilden soll, stieg im Januar um 24 auf 101 Punkte, erreichte damit aber noch nicht das Niveau von 115 Punkten unmittelbar vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs.
„Wasserstoff ist wirklich ein zentrales Thema“
Die größten Impulse für das Ruhrgebiet erwarten die Kammern vom Wasserstoff, der Gas als Prozesswärme in der Industrie und den Koks bei der Stahlerzeugung ersetzen soll. „Wasserstoff ist wirklich ein zentrales Thema. Das Tempo ist hoch“, sagt Matthias Wulfert, stellv. Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg. Um die Unternehmen, die auf Wasserstoff umstellen wollen, mit Fachkräften zu versorgen, habe seine Kammer damit begonnen, die entsprechenden Berufsbilder etwa um Sicherheitsaspekte beim Umgang mit Wasserstoff nachzuqualifizieren.
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Positiv überrascht zeigen sich die IHKs, dass selbst der Einzelhandel, den der Bochumer Präsident Böhme als das „Schlusslicht“ aller Branchen bezeichnet, Aufwind verspürt. 41 Prozent der Handelsunternehmen rechnen in Zukunft mit schlechteren Zahlen. Im Herbst 2022 waren es noch 61 Prozent. 59 Prozent der Einzelhändler erwarten eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, im Herbst waren es nur 39 Prozent, vor einem Jahr allerdings 79 Prozent. IHK-Manager Bergmann gibt sich erleichtert: „Der Handel ist gut durch den Winter gekommen und hat ein gutes Weihnachtsgeschäft hingelegt.“.