Essen. Es kriselt im Bio-Fachhandel: Bei Bio-Märkten und Naturkostläden sinken Umsätze teils drastisch. Warum Kunden schwinden und Discounter gewinnen.

82 Käsesorten, 147 hochwertige Weine, frisches Obst und Gemüse: Über 4000 Bioprodukte stehen in den Regalen des Markts „Bio Bukes“ in der Bottroper Innenstadt – ein großes Sortiment. Doch immer weniger Kundinnen und Kunden wissen es zu offenbar schätzen. „2022 sind unsere Umsätze um 15 Prozent zurückgegangenen – wegen den gestiegenen Energiekosten, aber auch, weil weniger Kunden gekommen sind“, sagt Mitinhaberin Karin Bukes.

Der Rückgang an Kunden kam für die Geschäftsfrau sehr plötzlich. Während der Pandemie lief es gut bei „Bio Bukes“: „Wegen der Lockdowns haben viele Menschen selber gekocht und Bio gekauft, um auf ihre Gesundheit zu achten“, sagt sie. Doch da seit Beginn des Kriegs in der Ukraine Lebensmittel teurer werden, nehme die Nachfrage in ihrem Markt ab: „Viele wollen das Geld für Bio-Produkte zurückhalten.“

Bio-Markt schrumpft nach jahrelangem Anstieg erstmals

„Bio Bukes“ aus Bottrop ist bei diesem Negativtrend nicht allein. Der gesamte deutsche Markt ökologisch erzeugter Lebensmittel ist 2022 geschrumpft – „zum ersten Mal in seiner Geschichte“, teilt der Deutsche Bauernverband mit. Seinem Marktbericht zufolge sank der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln von Januar bis Oktober 2022 um 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dabei hatte sich der Bio-Umsatz in den vergangenen 20 Jahren mehr als verfünffacht.

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Die Unterschiede zwischen den Vertriebsschienen sind groß. Der Fachhandel ist vom Umsatz-Rückgang am stärksten betroffen, wie Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen: Biosupermärkte haben im August 10,8 Prozent weniger verdient im Vergleich zum Vorjahresniveau. Bei Naturkostläden und Reformhäusern ist der Umsatz sogar um 37,5 Prozent zurückgegangen.

Anders sieht es bei Discountern aus. Sie haben laut Bauernverband zwischen Januar und Oktober 14,5 Prozent mehr mit Bioprodukten umgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Der Verband bezeichnet Discounter deshalb als „Gewinner des Trends zum Billig-Einkauf“. In Supermärkten sei der Bio-Umsatz immerhin etwa gleich geblieben.

Bio-Märkte im Ruhrgebiet kämpfen mit dem „Trend zum Billig-Einkauf“

Den „Trend zum Billig-Einkauf“ erkennt auch Karin Bukes in ihrem Bottroper Bio-Markt. Viele würden zwar weiterhin Bioprodukte kaufen wollen, aber lieber billigere. „Es ist in den Köpfen verankert, dass alle Produkte im Discounter günstiger sind. Deswegen kaufen viele Kunden ihre Bio-Produkte lieber dort“, meint die Inhaberin – obwohl sie oft nicht günstiger seien als bei „Bio Bukes“.

Ähnliches berichtet auch Isabel Evers, die zusammen mit David Bone den Markt „Bio Körbchen“ in der Gelsenkirchener Innenstadt betreibt: „Viele denken, bei uns seien die Bio-Produkte teurer als im Supermarkt, aber das stimmt nicht.“ Nudeln, Butter und Sahne seien im „Bio Körbchen“ sogar günstiger als in umliegenden Supermärkten.

Stammkunden seien dem „Bio Körbchen
Stammkunden seien dem „Bio Körbchen" in Gelsenkirchen weiterhin treu. Laut Inhaberin Isabel Evers fehle es vor allem an Laufkundschaft. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auch im „Bio Körbchen“ geht der Umsatz zurück. Viele Stammkunden würden zwar unverändert im Markt einkaufen. Es fehlten eher die Kunden, die hin und wieder mal Bio-Lebensmittel kaufen – „Trend-Einkäufer“, wie Isabel Evers sie nennt: „Die beschäftigen sich nicht damit, dass Bioprodukte gar nicht viel teurer sind als andere.“

An Laufkundschaft fehlt es auch im Reformhaus Bacher in der Duisburger City. Filialleiterin Angelika Mescher berichtet: „Viele Kunden überlegen sich genau, welche Produkte sie wirklich brauchen, und verzichten dann auf Bio-Produkte aus dem Fachhandel.“ Ihrer Meinung nach hat der Einkauf in Fachgeschäften aber mehrere Vorteile, zum Beispiel: „Hier werden Kunden sehr gut beraten, anders als im Discounter.“

Bio-Produkte bei Supermärkten und Discountern weiterhin beliebt

Das Reformhaus Bacher musste im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden, um in Eigenverwaltung saniert zu werden. Auch der Fachhändler Superbiomarkt musste im August ein Schutzschirmverfahren beantragen. Michael Radau, Vorstandsvorsitzender der Superbiomarkt AG, nennt gegenüber der NRZ den Wettbewerb mit Aldi, Lidl und Co. als eine Ursache: „Mit der Preismacht der großen Discounterketten können wir nicht konkurrieren.“ 28 von 33 Superbiomarkt-Filialen seien weiter geöffnet.

Dass Supermärkte und Discounter von der Bio-Krise weniger betroffen sind als der Fachhandel, zeigen auch die Antworten der großen Ketten auf Anfragen unserer Redaktion. „Das Bio-Sortiment erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit bei unseren Kunden“, sagt Lidl-Sprecherin Yasemin Tekin. Auch bei Aldi Nord laufe das Bio-Geschäft weiterhin gut: „Wir verzeichnen eine gestiegene Nachfrage unserer Kunden nach Bio-Produkten“, so Sprecherin Emily Rosberger. Aldi wirbt selbst mit dem Slogan, größter Bio-Händler in Deutschland zu sein.

Etwas gedämpfter ist die Stimmung bei den Supermarkt-Riesen Edeka und Rewe. Beide Ketten spüren eine Kaufzurückhaltung bei den Kunden: „Sie kaufen preissensibler ein“, erklärt Christiane Preisen von Rewe West. So würden die Kunden zu den günstigeren Eigenmarken statt zu Markenprodukten greifen. Trotzdem bleibe bei Edeka laut Rhein-Ruhr-Sprecherin Simone Erkens „der Absatz von Bio weitgehend stabil auf einem hohen Niveau“.