Essen. Aldi, Lidl und Co. setzen verstärkt auf Bio-Lebensmittel. Wie nachhaltig sind die Eigenmarken wirklich? Wofür Bio-Siegel und Prüfzeichen stehen.

  • Rund 16 Milliarden Euro gaben Verbraucher in Deutschland in 2023 für Bio-Lebensmittel aus. Für das gerade abgelaufene Jahr 2024 erwartet die Branche steigende Erlöse.
  • Auf der Grünen Woche in Berlin, eine der weltgrößten Agrarmessen, geht es auch um die Probleme der Bio-Branche: Auf gerade einmal knapp über elf Prozent der gesamten Agrarfläche Deutschlands wird biologisch produziert.
  • Ein Dschungel aus Siegeln erschwert Verbrauchern den Kauf ökologisch erzeugte Produkte. Wir zeigen, welche unterschiedlichen Kriterien gelten und worauf Verbraucher achten sollten.

Es sind schwierige Zeiten für die Bio-Bauern in Deutschland – und für Verbraucher sowieso: Inflation und steigende Lebenshaltungskosten drücken auf Geldbeutel und Gemüt. 2022 war die Nachfrage für nachhaltig erzeugte Lebensmittel ins Schwächeln geraten, der Bio-Markt erstmals ins Minus gerutscht. Auf der gerade gestarteten Grünen Woche in Berlin, der Leistungsschau der Landwirtschaft, herrscht in diesem Jahr vorsichtiger Optimismus: Der Bio-Markt in Deutschland erholt sich, sagen Branchenexperten.

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Vor allem bei verpackten, länger haltbaren Bio-Waren im Supermarkt, zu denen etwa Nudeln, Müslis, Gebäck und andere Fertigprodukte gehören, greifen Verbraucher aktuell häufiger zu, heißt es im Marktbericht des Deutschen Bauernverbandes. Bei frischen Bio-Lebensmitteln wie Fleisch, Milch, Gemüse und Obst hingegen sei der Umsatz nicht ganz so stark gewachsen. Rund 16 Milliarden Euro Umsatz machte die Bio-Branche in 2023, damals ein Plus von fünf Prozent. In 2024 soll diese Zahl noch übertroffen worden sein, hofft die Branche. Noch sind nicht alle Zahlen ausgewertet.

Die Sorgen der Bio-Produzenten bleiben. Biomärkte und Hofläden verlieren weiterhin Marktanteile an Supermärkte, Discounter und Drogeriemärkte. Und zunehmend machen sich die Öko-Bauern Gedanken, woher die nachhaltig produzierten Lebensmittel kommen sollen, wenn die Nachfrage weiter steigt. Auf gerade einmal knapp über elf Prozent der gesamten Agrarfläche Deutschlands werde biologisch produziert, heißt es in dem Bericht. Die Zahl der Biohöfe sei leicht um 182 auf 36.680 gesunken.

Was bedeutet Bio? Ein Dschungel an Siegeln erschwert Verbrauchern den Durchblick

Woran eigentlich erkennt der Verbraucher, ob Lebensmittel nach ökologischen Kriterien hergestellt werden? Und welche Regeln müssen Bio-Bauern auf den Höfen beachten? Ein Dschungel aus Prüfzeichen und nicht nachprüfbare Werbebegriffe machen es Verbrauchern schwer, eine Kaufentscheidung zu treffen. Ein Überblick über wichtige Bio-Siegel und wodurch sie sich unterscheiden.

Das EU-Bio-Siegel

Das EU-Biosiegel.
Das EU-Biosiegel. © BMEL | Unbekannt

Seit dem 1. Juli 2010 müssen alle Bio-Lebensmittel, die in der EU hergestellt wurden, das EU-Bio-Label tragen. Es hat die Form eines Blattes und dürfte sich in den Supermärkten am häufigsten finden. Es konzentriert sich auf den fairen Handel mit den Erzeugern und Händlern. Das Siegel garantiert, dass Lebensmittel den EU-Mindeststandard erfüllen. „Öko“ oder „bio“ darf ein Produkt nur dann genannt werden, wenn es diese Standards zu mindestens 95 Prozent erfüllt sind:

  • Verzicht auf chemische Dünge- und Schutzmittel
  • Artgerechte Tierhaltung
  • Nur eine bestimmte Anzahl an Tieren pro Quadratmeter
  • Tierfutter aus biologischem Anbau
  • Verzicht auf Gentechnik
  • Verwendung von Antibiotika nur zu medizinischen Zwecken
  • Maximal 49 Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln

Hersteller, deren Produkt dieses Bio-Siegel tragen dürfen, werden mindestens einmal im Jahr von einer Kontrollstelle überprüft. Die Kontrolle lässt sich über einen Code auf der Verpackung zurückverfolgen.

Die Kritik an der EG-Öko-Verordnung ist jedoch groß, da sie nur Mindeststandards festlegt. Beispiel Tierhaltung: EU-Öko-Bauern dürfen bis zu 3000 Hennen in einem Stallabteil halten. Maximal sechs Hühner teilen sich dabei einen Quadratmeter. Die meisten Öko-Verbände haben weit strengere Vorgaben.

Das deutsche Bio-Siegel

Das deutsche Bio-Siegel.
Das deutsche Bio-Siegel. © BMEL | Unbekannt

Das sechseckige deutsche Logo mit der Aufschrift „Bio“ gibt es schon seit 2001 – und ist eigentlich überflüssig. Das Label blieb nach der Einführung des EU-Siegels gültig und darf seitdem freiwillig auf Produkten verwendet werden. Vergeben wird es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) - und richtet sich nach den gleichen Kriterien des EU-Siegels. Somit gilt auch hier: Mindestens 95 Prozent der Zutaten, die landwirtschaftlich erzeugt wurden, stammen aus ökologischem Anbau.

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Die Kriterien der wichtigsten Anbauverbände

Neben der staatlichen Kennzeichnung gibt es die Label und Warenzeichen ökologischer Anbauverbände. Diese Zusammenschlüsse von biologisch wirtschaftenden Bauern und Verarbeitern existierten schon vor der Einführung der EG-Öko-Verordnung 1993. Sie entwickelten eigene Kriterien, die  zum Teil deutlich über die Standards des EU-Bio-Siegels hinaus gehen.

Demeter

Das Label des Anbauverbands Demeter.
Das Label des Anbauverbands Demeter. © Demeter | Unbekannt

Der älteste Bio-Anbauverband besteht seit 1924 und setzt die strengsten Kriterien für ein Bio-Siegel in Deutschland. Demeter beruft sich auf Impulse aus der anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner, dem Begründer der Waldorfpädagogik. Demeter-Bauern verstehen ihren Hof als Organismus. Sie sind laut Leitlinien verpflichtet, regelmäßig Präparate aus Heilkräutern, Mineralien oder Kuhmist zu verwenden. Demeter erlaubt nur maximal 21 Zusatzstoffe in verarbeiteten Produkten und geht auch in diesen Bereichen der Tierhaltung über die EU-Mindestkriterien hinaus:

  • Weniger Geflügel und Schweine pro Hektar
  • Verbot der Enthornung von Rindern
  • Auslauf für Legehennen
  • 100 Prozent Biofutter, mindestens 50 Prozent des Futters vom eigenen Betrieb oder regionaler Kooperation

Bioland

Das Label des Anbauverbands Bioland.
Das Label des Anbauverbands Bioland. © Bioland | Unbekannt

Der 1976 gegründete Anbauverband mit über 7000 Biobauern und über 1000 Herstellern sieht sich als bedeutendster Zusammenschluss in Deutschland. Bioland stellt das Tierwohl an erster Stelle und schreibt etwa regelmäßige Kontrollen mit Beurteilung der Tiere anhand von definierten Kriterien vor. Auch hier sollen erkrankte Tiere bevorzugt naturheilkundlich behandelt werden. Tiertransporte dürfen maximal vier Stunden dauern, die Strecke nur bis zu 200 Kilometer lang sein.

Wie Demeter wirtschaftet auch Bioland mit einem geschlossenen Betriebskreislauf, die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit steht im Mittelpunkt. Der Unterschied zu anderen Anbauverbänden: Bioland legt viel Wert auf Regionalität, nur Erzeugerbetriebe in Deutschland und Südtirol werden mit dem Siegel ausgezeichnet.

Naturland

Das Siegel des Anbauverbands Naturland
Das Siegel des Anbauverbands Naturland © Bioland | Unbekannt

Naturland wurde 1982 in München von Wissenschaftlern und Landwirten in München gegründet - mit dem Ziel, den ökologischen Landbau weltweit zu fördern. Heute ist er mit über 65.000 zertifizierten Erzeugern in 58 Ländern einer der weltweit größten Bio-Anbauverbände.

Auch Naturland geht mit seinen strengen Kriterien über die EU-Mindeststandards hinaus, etwa in der Tierhaltung. In den Richtlinien begleitet der Verband die Produkte vom Anbau bis zu ihrem Weg in den Handel.  Dabei berücksichtigt Naturland bei der Zertifizierung auch soziale Aspekte, wie etwa den Ausschluss von Kinderarbeit oder die Wahrung der Menschenrechte. Zu finden ist das Siegel nicht nur auf Lebensmitteln, sondern auch auf Holzprodukten und Textilien.

Mehr zum Thema: Infoseite der Verbraucherzentrale NRW

Die Eigenmarken der Discounter Aldi, Lidl & Co.

Um Geld zu sparen und trotzdem Bio zu kaufen, wählen Verbraucher die Bio-Eigenmarken von Discountern und Supermärkten. Sie können wesentlich günstiger sein als Produkte aus den Bio-Fachgeschäften. Die meisten Discounter setzen bei ihrer Bio-Strategie auf Eigenmarken: Rewe Bio, Edeka Bio, BioBio (Plus), GutBio (Aldi Nord), Naturgut (Penny), Bio Sonne (Norma) oder K-Bio (Kaufland). Wichtig für Verbraucher: Die meisten Produkte tragen das EU-Biosiegel, damit sind die Mindestanforderungen garantiert.

Die meisten Discounter setzen bei ihrer Strategie für biologisch erzeugte Lebensmittel auf Eigenmarken: Rewe Bio, Edeka Bio, BioBio (Plus), GutBio (Aldi), Naturgut (Penny), Bio Sonne (Norma) oder K-Bio (Kaufland). Wichtig für Verbraucher: Die meisten Produkte tragen das EU-Biosiegel, damit sind die Mindestanforderungen garantiert.

Doch auch Lebensmittel mit dem Siegel der strengen Anbauverbände stehen inzwischen in den Regalen der Discounter. Lidl kooperiert seit 2018 mit Bioland, Demeter mit Rewe, Edeka und Kaufland. Penny, Aldi Nord und Süd arbeiten mit Naturland zusammen. Aldi Süd hat vor wenigen Monaten seine neue Bio-Eigenmarke „Nur Nur Natur“ eingeführt, eine Art Premium-Marke für Bio-Lebensmittel. So verspricht Aldi Süd allerbeste Bio-Zutaten, eine schonende Verarbeitung und eine Zertifizierung nach Naturland-Kriterien.

Geschützte und ungeschützte Begriffe

Für Verbraucher gilt generell: „Bio“ oder „Öko“ sind rechtlich geschützte Begriffe. Nur Produkte, die den Rechtsvorschriften der EU für den Ökologischen Landbau entsprechen, dürfen auf der Verpackung diese Kennzeichnung tragen. Sie enthalten also mindestens die EU-Bio-Qualität – egal wo man das Produkt kauft. Folgende Begriffe auf Lebensmitteln dürfen ebenfalls nur für Bioprodukte verwendet werden:

  • biologisch oder ökologisch
  • kontrolliert biologisch oder kontrolliert ökologisch
  • biologischer oder ökologischer Landbau.

Doch Vorsicht: Begriffe wie „natürlich“ oder „naturnah“, „unbehandelt“, „aus umweltschonender Landwirtschaft“ oder „kontrollierter Anbau“ sind nicht geschützt. Sie stehen nicht automatisch für eine ökologische Produktion. Was Verbraucher auch wissen sollten: „Bio“ ist nicht unbedingt „nachhaltig“. So können Bio-Lebensmittel trotzdem einen weiten Transportweg hinter sich haben und aus nicht-saisonalem Anbau stammen, kritisiert etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Und: Auch Bio-Lebensmittel stecken oftmals in Plastik.

Ein Tipp für Verbraucherinnen und Verbraucher, die durch den Dschungel der Lebensmittel-Kennzeichnungen finden wollen: Die Verbraucher Initiative bietet im Netz unter www.label-online.de ein Portal der geläufigsten Lebensmittelsiegel in Deutschland an.

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