Recklinghausen. Wegen der Energiekrise beschleunigt Vivawest den Austausch von Gas- und Ölheizungen und setzt auf Wärmepumpen.

Die Mieterinnen und Mieter in Recklinghausen-Suderwich haben Glück: Die Wiesen zwischen den Gebäuderiegeln ihrer Siedlung sind so breit, dass die Luft-Wärmepumpen hier ausreichend Platz haben. Die Montage dieser zukunftsträchtigen Heiztechnik ist eines von fünf Pilotprojekten zum „Energieträgerwechsel“, mit denen der Gelsenkirchener Immobilienkonzern Vivawest Erfahrungen für die Umrüstung seiner rund 120.000 Wohnungen sammeln will.

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Er sei „ein bisschen stolz“, dass der Umstieg von Gas auf Strom in Recklinghausen so komplikationslos gelungen sei, betont Vivawest-Chef Uwe Eichner bei einem Termin vor Ort. „Wir übernehmen ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Verantwortung und lassen unseren Plänen nun Taten folgen“, sagt er. Für dieses Jahr hat sich sein Unternehmen fünf Pilotprojekte vorgenommen, um die Dekarbonisierung des Wohnungsbestands zu beschleunigen. Um insgesamt 329 Wohnungen von Gas und Öl auf Wärmepumpen umzustellen, nimmt Vivawest nach eigenen Angaben rund 12,6 Millionen Euro in die Hand. Denn das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel, den nationalen Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 klimaneutral umzubauen, liegt nicht mehr in allzu weiter Ferne.

Vivawest baut die ersten 3400 Wohnungen um

Die eigene Klimaschutzstrategie hatte Vivawest bereits 2021 verabschiedet. Sie sieht vor, dass die ersten rund 3400 fossil beheizten Wohnungen in den nächsten Jahren auf erneuerbare Energien umgestellt werden sollen. „Durch die aktuelle Energiekrise haben unsere Pläne noch einmal an Dynamik gewonnen“, sagt Eichner. „Wir möchten unseren Beitrag leisten, um das ambitionierte Ziel der Bundesregierung zu erreichen.“ An Standorten, wo entsprechende Anschlüsse liegen, will Vivawest auf Fernwärme umsteigen und ansonsten Wärmepumpen einbauen.

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In Recklinghausen-Suderwich waren die Bedingungen für einen raschen Umstieg ziemlich ideal. Die 14 Häuser der Siedlung mit ihren 58 Wohnungen hatten bereits neue Fenster, Dächer und eine Dämmung der Außenfassade erhalten. Ausgetauscht werden musste lediglich die Gasheizung. Vivawest investiert dort in die Photovoltaikanlagen auf den Dächern und in die 28 Wärmepumpen, die draußen eingezäunt auf der Wiese stehen. Die in diesem November reichlich scheinende Sonne kann das Unternehmen allerdings noch nicht nutzen. „Es fehlen die Aluminium-Ständer, um die Solarpaneele zu befestigen“, sagt Eichner im Hinblick auf Lieferengpässe.

Erfahrungen sammeln mit Geräuschen der Wärmepumpen

Zum Wesen des Pilotprojekts gehört, dass Vivawest mit den Wärmepumpen zwischen den Häusern Erfahrungen sammeln will. Denn im Betrieb erzeugen die rotierenden Ventilatoren-Blätter, die Luft ansaugen, um ihr Wärme zu entziehen, Geräusche. Je kälter es draußen wird, desto stärker werden die Pumpen arbeiten müssen. „Die Abstandsflächen sind deshalb ein Problem“, räumt Eichner ein. So viel Platz wie in Suderwich gebe es nicht überall. Eine Alternative sei aber auch, die Wärmepumpen aufs Dach zu stellen. Stattdessen auf Holzpellets zu setzen – davon hält der Vivawest-Chef indes gar nichts und sagt: „Die Zukunft liegt nun wirklich nicht in der Verbrennung.“

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Eichners Techniker-Team zeigt sich aber optimistisch, dass sich die Lärmbelästigung für die Mieterinnen und Mieter in Grenzen halten werde. Vivawest will die Pumpen zentral von der Unternehmenszentrale in Gelsenkirchen aus steuern. Michael Marx, Bereichsleiter Bestandstechnik, spricht von einer „digital gesteuerten und überwachten Wärmeversorgung“, die es erlaube, „nahezu in Echtzeit“ auf Veränderungen reagieren zu können – ohne dass Monteure rausfahren müssen.

Heizkosten sollen sinken

Von der digitalisierten Einstellung sollen die Mieterinnen und Mieter in doppelter Hinsicht profitieren: durch möglichst wenig Lärm und geringe Heizkosten. Denn perspektivisch will Vivawest den auf den Dächern selbst erzeugten Solarstrom vorrangig für die Wärmepumpen und den Allgemeinstrom im Haus nutzen, „um einen weiteren Beitrag zur Senkung der Heiz- und Betriebskosten für die Mieter zu leisten“, meint Unternehmenschef Eichner. „Die unsicheren politischen Rahmenbedingungen stellen uns dabei aber vor Hürden“, kritisiert der Manager. Vivawest sei deshalb wie andere Vermieter auch darauf angewiesen, den eigenen Sonnenstrom ins allgemeine Netz einzuspeisen, statt ihn den Mietern zur Verfügung zu stellen. „Das ist aber das richtige Modell, weil der Strom lokal erzeugt wird und unseren Mietern vergünstigt zur Verfügung gestellt werden könnte“, so Eichner.

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Die Bundesregierung hat Erleichterungen beim Thema Mieterstrom in Aussicht gestellt. Bis dahin können sich die Vivawest-Kunden in Recklinghausen-Suderwich darüber freuen, dass der Einbau der neuen Heiztechnik nicht auf ihre Mieten umgelegt wird. „Die Mieter zahlen keinen Cent mehr“, verspricht Eichner.

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