Düsseldorf. Immer mehr Unternehmen in NRW stoppen den Neubau von Wohnungen oder sagen Projekte ganz ab. Verband VdW fordert Hilfe der Politik.

Angesichts der stark steigenden Bau- und Energiekosten kommt der Neubau von Wohnungen mit bezahlbaren Mieten in NRW nahezu zum Erliegen. Nach Zahlen des Wohnungswirtschaftsverbands VdW haben fast 65 Prozent der kommunalen Unternehmen, Genossenschaften, aber auch der Konzerne wie Vonovia, LEG oder Vivawest Neubauprojekte gestoppt. 24 Prozent sagen sie ganz ab.

Auch interessant

„Baupreissteigerungen, Zinswende, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und nun die stark steigenden Energiepreise: Zurzeit ist es im Grunde unmöglich, den Wohnungsneubau ebenso wie die energetische Modernisierung verlässlich zu planen“, sagt Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen.

VdW steht für 475 Immobilienunternehmen

Im VdW sind 475 Immobilienunternehmen organisiert, darunter 321 Genossenschaften, 76 öffentliche und kommunale Anbieter, sowie Stiftungen und Konzerne. Der Verband steht für 2,2 Millionen Mieterinnen und Mieter und 5,1 Millionen Wohnungen mit durchschnittlichen Kaltmieten von knapp sechs Euro pro Quadratmeter. Jede fünfte Wohnung im Verbandsgebiet, das NRW und den Norden von Rheinland-Pfalz umfasst, gehört einem VdW-Mitgliedsunternehmen.

Im Vorfeld der Verbandstagung am Mittwoch in Bielefeld zeichnet Richter vor Journalisten ein düsteres Bild. „Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft will bezahlbare klimagerechte und generationengerechte Wohnungen bauen. Sie kann es derzeit aber einfach nicht“, sagt Rychter und listet eine ganze Reihe von Faktoren auf, die den Neubau bezahlbarer Wohnungen nahezu unmöglich machten.

VdW-Direktor Alexander Rychter fordert mehr Planungssicherheit für die Wohnungswirtschaft in NRW.
VdW-Direktor Alexander Rychter fordert mehr Planungssicherheit für die Wohnungswirtschaft in NRW. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Auch interessant

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts haben sich die Baupreise in NRW innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 16,1 Prozent erhöht. Metallbau ist 23 Prozent teurer, Betonstahl sogar 72 Prozent. „Die Preise für Baumaterial laufen uns weg“, kritisiert der VdW-Chef. Sie allein setzten den Wohnungsbau aber nicht unter Druck. Die Branche klagt zudem über massive Verteuerungen der Baulandpreise in Großstädten. Sie kletterten im Schnitt von 306 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2010 auf 524 Euro im Jahr 2020.

Damit aber nicht genug. „Wir machen uns große Sorgen, dass das Arbeitskräftereservoir auf dem Bau ausgeschöpft ist“, warnt Rychter. „Entlastung gibt es nur noch durch Anwerbung aus dem europäischen Ausland. Zusätzlich habe die Wohnungswirtschaft mit der plötzlichen Zinswende zu kämpfen, mit der die Europäische Zentralbank die galoppierende Inflation einzudämmen versucht. Der VdW-Direktor weist auf bisherige Spitzenwerte beim Zinssatz für Immobilienkredite mit einer Laufzeit von zehn Jahren, die im Mai 2022 bei 3,61 Prozent gelegen haben. „Wir rechnen mit einer vier vor dem Komma“, prognostiziert Rychter.

Auch interessant

Doch nicht nur die eigenen Kosten würden zu einem Risiko für die Wohnungsunternehmen, sondern auch die wirtschaftliche Lage ihrer Mieterinnen und Mieter, die ihrerseits immer höhere Preise für Gas und Strom bezahlen müssen. Etwas mehr als 600.000 Wohnungen im Verbandsgebiet verfügen über eine Gas-Zentralheizung.

Vermieter sind bereit, Abschläge für Heizung zu stunden

Der VdW erwartet deshalb Zahlungsausfälle und Stundungen. „Wir gehen davon aus, dass die Vorauszahlung in diesem Jahr bei unseren Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen um bis zu 2,28 Milliarden Euro höher ausfallen wird als 2021“, rechnet Rychter vor. 84 Prozent der VdW-Mitglieder wollen einer aktuellen Umfrage zufolge die Mehrkosten der Vorleistung durch eigene liquide Mittel aufbringen. Knapp elf Prozent allerdings müssten dafür Kredite aufnehmen.

podcast-image

Die Bereitschaft der Unternehmen, ihren Mieterinnen und Mietern in der aktuellen Krise entgegenzukommen, scheint groß zu sein. 89 Prozent der im VdW organisierten Firmen gibt an, die Kosten bei Bedarf zu stunden. Rund 87 Prozent haben eigenen Angaben zufolge bereits mit Mieterinnen und Mietern freiwillige höhere Abschlagszahlungen für die Heizkosten vereinbart.

Verbandsdirektor Rychter begrüßt deshalb das Entlastungspaket, das die Bundesregierung gerade mit den Ländern aushandelt, fügt aber sogleich hinzu: „Ich bin mir leider nicht sicher, ob die staatliche Unterstützung ausreicht. Ein Gaspreisdeckel sowie ein Strompreisdeckel, so wie er in anderen Staaten bereits Anwendung findet, ist mehr als angebracht.“