Essen. Gas-Alarmstufe erlaubt die sofortige Preisweitergabe an die Endkunden. Noch scheut Habeck davor zurück, Wirtschaft fordert ganz andere Lösungen.

Nachdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die zweite von drei Stufen des Notfallplans Gas ausgerufen hat, fordern die Stadtwerke und Unternehmensverbände Hilfen für Versorger und Verbraucher. Andernfalls drohten unabsehbare Verwerfungen, wenn im Winter aus dem drohenden Gasmangel ein echter Notstand wird.

Habeck hat die so genannte Alarmstufe ausgerufen, als dritte und letzte käme die Notfallstufe. Der Minister verzichtet aber auf eine besonders umstrittene Maßnahme, die bereits ab der zweiten Stufe möglich wäre: die sofortige Preisweitergabe gestiegener Beschaffungskosten an die Endverbraucher. Das begrüßen Stadtwerke wie auch die Industrie in NRW. „Ein sprunghafter Preisanstieg hätte für die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen dramatische und zum Teil existenzielle Folgen“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände NRW.

Stadtwerke gegen Preisweitergabe an Endkunden

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der auch die Stadtwerke vertritt, hatte sich früh gegen die bloße Preisweitergabe ausgesprochen, obwohl sie eigentlich die Versorger vor Pleiten schützen soll, wenn sich die Beschaffungskosten vervielfachen, sie das Gas aber noch zu alten, für bestimmte Laufzeiten garantierte Preise verkaufen müssten. Doch die Stadtwerke rechnen für diesen Fall damit, dass etliche Kunden die Rechnungen dann nicht mehr bezahlen können, was letztlich doch riesige Löcher in ihre Kassen reißen würde.

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Da die Klausel noch nicht greift, fordert der VKU nun, diese Regeln zu ändern. Besser sei es, bereits nach dem Import die Preise zu deckeln, sprich mit staatlichen Zuschüssen oder Umlagen bezahlbar zu halten. „Je früher gegengesteuert wird, umso geringer wird der Aufwand für Unterstützungsmaßnahmen bei den Endkunden“, meint VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Darüber hinaus fordert er eine Liquiditätssicherung sowie ein Insolvenzmoratorium für kommunale Unternehmen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. © dpa | Michael Kappeler

Grundsätzlich halten Energieunternehmen wie das produzierende Gewerbe die Ausrufung der Alarmstufe für nachvollziehbar und angemessen. Die Industrie begrüßt ausdrücklich Habecks Ankündigung, die Gasverstromung dort, wo keine Prozesswärme betroffen ist, herunterzufahren und die Lücke mit Kohlestrom zu füllen. „Produktionsstopps in der Industrie müssen unbedingt so weit wie möglich vermieden werden, weil sonst massive Störungen in den Lieferketten und der Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen drohen“, betonte Pöttering.

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Allerdings kann Habeck auch hier noch nicht alle Register ziehen: Die ab der zweiten Stufe im Notfallplan Gas möglichen Strafzahlungen (Pönale) auf mit Gas erzeugten Strom greifen noch nicht, wie das Ministerium unserer Zeitung bestätigte. Dafür Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken muss zuerst durch Bundestag und Bundesrat, entsprechende Verordnungen werden derzeit erarbeitet. Diese Strafzahlungen sollen die Gaskraftwerke aus dem Markt drängen, um das gesparte Gas in die Speicher leiten zu können. Das stößt auf heftige Kritik der Stadtwerke, die viele Gaskraftwerke betreiben.