Düsseldorf. NRW setzt auf Innovationen von Start-ups. Die NRW-Bank steigt in junge Firmen ein. Warum die großen Geldgeber aber in Berlin sitzen.
Die NRW-Bank fördert im Auftrag der Landesregierung nicht nur kommunale Infrastrukturprojekte und sozialen Wohnungsbau. Sie greift auch Mittelständlern und Start-ups unter die Arme. Christoph Büth, Bereichsleiter für die Eigenkapitalfinanzierung, kennt sich gut in der Gründerszene. Im WAZ-Interview spricht er über typische Fehler, die Start-ups vermeiden soll, warum es sich lohnt, in NRW zu gründen und welche Geschäftsideen gerade en vogue sind.
Herr Büth, junge Start-ups brauchen vor allem Rat und Geld. Welche Rolle spielt dabei die landeseigene NRW-Bank?
Christoph Büth: Wir beteiligen uns in der Regel an den jungen Firmen und werden Minderheitsgesellschafter. Start-ups sind schon von der Definition her technologieorientiert und wollen Innovationen auf den Markt bringen, die es naturgemäß noch gar nicht geben kann. Deshalb sind sie häufig gar nicht kreditfähig, weil sie noch keine Umsätze machen. Wir und andere finanzieren die Start-ups mit Eigenkapital.
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Was lässt sich die NRW-Bank die Unterstützung von Start-ups kosten?
Büth: Im vergangenen Jahr haben wir eine Rekordsumme von über 90 Millionen Euro für das Neugeschäft zur Verfügung gestellt. Der größte Teil davon ging an Start-ups. Insgesamt sind wir mit mehr als 574 Millionen Euro an mehr als 350 Start-ups beteiligt. Das sind unsere eigenen Gelder, die wir selbst erwirtschaften.
Private Venture-Capital-Geber steigen oft in Start-ups ein, um rasch mit hoher Rendite wieder zu verkaufen. Ist das auch Ihre Politik?
Büth: Als öffentlich-rechtliches Institut sind wir längerfristige Partner der Unternehmen. Wir wollen sie im Idealfall begleiten, bis sie es zu einer mittelständischen Größe geschafft haben. Allerdings haben wir nicht die Absicht, auf Dauer die Anteile zu halten. Irgendwann müssen wir aussteigen. Wir haben in den unterschiedlichen Finanzierungsrunden aber nicht den Druck wie etwa Private-Equity-Investoren, die in einem Fonds-Korsett stecken.
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Welche Erwartungen hat die NRW-Bank an Start-ups, an denen sie sich beteiligt?
Büth: Bei uns schlagen zwei Herzen in einer Brust. Zum einen wollen wir die jungen Firmen fördern und sie auch nach der Gründungsphase hier in Nordrhein-Westfalen weiterentwickeln.
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich darauf schauen, dass wir unser investiertes Geld am Ende zumindest zurückerhalten. Gleichzeitig dürfen wir als öffentlicher Investor kein privates Kapital verdrängen, deshalb müssen im Gesellschafterkreis immer auch private Co-Investoren sitzen.
Ausreichend Kapital führt aber nicht automatisch zum Erfolg.
Büth: Deshalb beraten wir die Start-ups bereits in einer frühen Phase. Unsere Teams gehen direkt an die Hochschulen und coachen Forscherteams, damit sie ihre Geschäftsmodelle nach vorn bringen können. Als NRW-Bank haben wir ein hohes Interesse, dass unsere wissenschaftlichen Institute einen hohen Ausstoß an Innovationen haben, die hier auch umgesetzt werden. Davon profitiert dann das ganze Land - in Form von erhöhter Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen.
Wie können Sie konkret helfen?
Büth: Wir verstehen uns als aktiver Gesellschafter, der nicht nur Geld gibt, sondern auch Türen öffnet, Ratschläge gibt und Vorschläge zur Anpassung des Geschäftsmodells macht, wenn das ursprüngliche keine Zukunftsperspektive hat. Wir haben ein ganz gutes Gespür dafür entwickelt, was funktioniert, wie viel Zeit und Kapital man braucht, um eine technische Innovation auf den Markt zu bringen. Es gibt immer wieder Verzögerungen, deshalb brauchen Gründerinnen und Gründer einen langen Atem. Man kann Innovationen nicht im Sprint marktfähig machen. Häufig führt nur ein Marathon zum Erfolg.
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Welche Fehler fallen Ihnen bei Start-ups am häufigsten auf?
Büth: Häufig ist die Planung zu optimistisch, wann man die ersten Umsätze realisiert und wie hoch die Marketing-Aufwendungen sein müssen. Start-ups unterschätzen in einigen Fällen auch den Wettbewerb für ihr Produkt. Und sie müssen sich über ihren Kapitalbedarf im Klaren sein – auch in den unterschiedlichen Wachstumsphasen.
Ist es immer noch so, dass Kapitalgeber für größere Finanzierungsrunden in erster Linie in Berlin und nicht an Rhein und Ruhr sitzen?
Büth: Es tut sich viel in der hiesigen Start-up-Szene. Die Gründungsdynamik in NRW entwickelt sich erfreulich. Die Bedeutung und Wahrnehmung von Start-ups als Treiber von Innovationen nimmt zu. Auch auf der Seite der Kapitalgeber ist einiges in Bewegung. Vor allem In Aachen, Köln und haben sich neue Fonds gegründet, an denen im übrigen auch die NRW-Bank als Investor beteiligt ist. Richtig ist aber, dass die Auswahl in Berlin größer ist – auch weil dort Ableger internationaler Fonds sitzen.
Ist das ein Nachteil für den hiesigen Wirtschaftsstandort?
Büth: Nicht unbedingt. Es ist auch eine Chance, wenn mehrere Akteure eine Finanzierungsrunde stemmen. Wir haben das Interesse, Geld aus Berlin nach NRW und ins Ruhrgebiet zu ziehen. Das ist sicherlich kein Makel. Im Gegenteil: Das schafft Aufmerksamkeit für unser Bundesland. Wenn es um Industrienähe geht, hat Nordrhein-Westfalen im übrigen ganz klar die Nase vorn.
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Wie wird die NRW-Bank auf Start-ups aufmerksam, an denen sie sich beteiligen will?
Büth: Sie klopfen bei uns an. Wir sind aber auch bei Pitches und Messen vertreten, die nach der Corona-Pandemie endlich wieder möglich sind. Das wichtigste Event nicht nur für das Ruhrgebiet ist natürlich der Ruhrsummit am 14. Juni. Die NRW-Bank ist seit Jahren wesentlicher Sponsor des Ruhrsummit. Ich hoffe, dass nach zwei digitalen Konferenzen in Folge in der Bochumer Jahrhunderthalle wieder richtig was los sein wird.
Sie, Herr Büth, werden als Redner und in Workshops beim Ruhrsummit präsent sein. Welche Botschaften werden sie für potenzielle Start-ups mitbringen?
Büth: Wir haben eine Reihe von konkreten Ideen für neue Finanzierungsangebote - zum Beispiel für das Leben nach der Corona-Pandemie. Junge Unternehmen im Ruhrgebiet haben eine große Chance, an der doppelten Transformation mitzuwirken – zum einen in Richtung Nachhaltigkeit, zum anderen in Richtung Digitalisierung. Die hohe Dichte aus Hochschulen und Konzernen ist dafür die ideale Voraussetzung.
>>> Ruhrsummit am 14. Juni
Der Ruhrsummit findet am 14. Juni auf dem Gelände der Bochumer Jahrhunderthalle statt. Der Veranstalter, der Essener Ruhrhub, erwartet bis zu 4000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Diskussionsrunden werden zum Teil auch online übertragen.
Zu den prominenten Rednerinnen und Rednern gehören Bastian Bärenfänger (Siomo), Olga Nevska (Telekom Mobility Solutions), Julia Selle (SOS Kinderdörfer) und der Gründer Frank Dopheide.
Tickets unter: https://ruhrsummit.de/