Essen. Bund und Länder haben 662 Millionen Euro für Standorte der Steinkohlekraftwerke freigegeben. Das Ruhrgebiet sucht noch nach Strukturprojekten.

Eine gute Milliarde Euro gibt der Bund jenen Regionen, deren Steinkohlekraftwerke nach dem Klimaplan der Bundesregierung vorzeitig abgeschaltet werden. NRW erhält davon 662 Millionen Euro, die auf fünf Standorte gehen verteilt werden sollen. Im Kernruhrgebiet fließt Geld nach Duisburg, Gelsenkirchen und Herne, wo Kraftwerke der Essener Steag und von Uniper vom Netz gehen. Zudem werden der Kreis Unna mit dem Steag-Kraftwerk Bergkamen und Hamm mit dem RWE-Kraftwerk Westfalen bedacht. Was mit dem Geld gemacht werden soll, ist aber noch unklar. Die Braunkohlereviere sind in ihren Struktur-Planungen da deutlich weiter.

Einen Schritt voran gekommen sind nun aber auch die Steinkohle-Standorte: Der Bund und die Länder haben die „Verwaltungsvereinbarung Steinkohle“ unterzeichnet. Damit könnten die Strukturhilfen von 1,09 Milliarden Euro theoretisch fließen. Allerdings sind sie als Hilfen für konkrete Strukturprojekte gedacht, die im Detail für das Ruhrgebiet noch nicht feststehen. Wichtig ist dem Land, dass Innovationen gefördert werden wie Wasserstoff-Technologien. Gesucht werden zudem Lösungen für die Gewerbeflächen-Knappheit im Ruhrgebiet. Dafür bieten sich die alten Kraftwerksstandorte natürlich an – wenn denn die Kraftwerke zurückgebaut und die Flächen saniert sind, was ein weiterer finanzieller Kraftakt wird.

BMR managt das Fünf-Standorte-Programm

Damit die Hilfen möglichst der gesamten Region etwas bringen, hat das Land die Business Metropole Ruhr (BMR) damit beauftragt, die Ideen aus den Städten zu sammeln und das Prozedere zu moderieren. Etwa, um Zukunftsthemen wie die Wasserstoff-Technologie im Ruhrgebiet anzuschieben und nicht nur einzelne voneinander losgelöste Projekte. Da jede Stadt ihre eigenen Ideen und Bedürfnisse hat, ist das gar nicht so leicht.

Bei der BMR waren bald nach der Grundsatzentscheidung vom vergangenen Jahr rund 80 Vorschläge für Strukturprojekte an den Kraftwerksstandorten eingegangen. Inzwischen hat der mit vielen Beteiligten aus Land, Kommunen, Wirtschaft und Sozialpartnern besetzte Strukturstärkungsrat sich auf die Kriterien verständigt, nach denen die Projekte bewertet werden sollen. „Dieser Auswahlprozess läuft noch“, sagte ein BMR-Specher auf Anfrage.

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NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) betont auf Anfrage unserer Redaktion, das Land habe das Fünf-Standorte-Programm für das Ruhrgebiet „in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen und regionalen Partnern und der Bundesregierung frühzeitig auf den Weg gebracht“. Mit der Unterzeichnung der Bund-Länder-Vereinbarung sei nun der Weg frei, „mit strukturwirksamen Projekten die Innovationskraft an den fünf Standorten und in der gesamten Region zu stärken und neue Arbeitsplätze zu schaffen“. Kurz bevor die Kohlekommission des Bundes ihren Ausstiegsplan vorlegte, wurden aus dem Ruhrgebiet die Forderung laut, dass neben den Braunkohlerevieren auch die Steinkohle-Standorte Hilfe benötigten.

Das Landeswirtschaftsministerium ist nach eigener Aussage mit dem Tempo der Ruhrgebietsstädte nicht unzufrieden: „In den Kommunen aus dem 5-Standorte-Programm wird bereits intensiv an innovativen und zukunftsweisenden Projektvorschlägen gearbeitet“, heißt es aus Düsseldorf. Wie viel Geld in welche Kommune fließt, ist dabei offen: „Eine vorgegebene Aufteilung der Fördermittel auf die einzelnen Standorte ist nicht vorgesehen“, heißt es. Ziel sei es, „Innovation, Wertschöpfung und Beschäftigung an den fünf Standorten und in der gesamten Region zu stärken“.

Neue Jobs vor der Stilllegung – das wird eng

Das Geld fließt nur in Projekte, die bestimmte Bedingungen des Landes erfüllen. Das wird jedoch schwierig, etwa wenn es darum geht, „neue Arbeitsplätze zu schaffen, bevor sie in den Kohlekraftwerken und bei den Zulieferern wegfallen“, wie Wirtschafts-Staatssekretär Christoph Dammermann unserer Zeitung vor einem Jahr sagte.

Denn der Kohleausstieg hat seitdem an Tempo gewonnen: Das RWE-Kraftwerk Westfalen in Hamm und der Steag-Block 9 in Duisburg-Walsum sind bereits kalt, im Oktober 2022 folgt das Aus für die Steinkohlekraftwerke in Bergkamen (Steag) und Gelsenkirchen-Scholven (Uniper). Das haben die bisherigen drei Auktionen zur Stilllegung von Steinkohlekraftwerken ergeben. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass in den kommenden Monaten die ersten Förderbescheide kommen“, räumt die BMR ein.