Brüssel. EU stellt Klimapläne vor. Emissionshandel soll auf Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden. CDU lobt geplante Hilfe für den Umbau der Industrie.

Hilfe für den Umbau der Industrie, höhere Preise fürs Heizen und Tanken: Wenn die EU-Kommission an diesem Mittwoch ihre Pläne für mehr Klimaschutz vorstellt, lohnt es, genau hinzusehen. Unter dem technischen Begriff Emissionshandel wird Brüssel vieles vorschlagen, was fossile Energie teurer macht. Neu ist: Was bisher auf die Industrie und Luftfahrt beschränkt war, soll künftig auch für den Straßenverkehr und Gebäude gelten.

Kern ist die Pflicht, Zertifikate für den CO2-Ausstoß kaufen zu müssen. Das wird die Preise für Benzin, Diesel, Heizöl und Gas europaweit steigen lassen. Das Prinzip ist einfach: Brennstoffhändler müssen ab 2026 solche Emissionsrechte ersteigern – und werden die Kosten an die Verbraucher weitergeben. Die Hoffnung der EU ist, Autokäufer und Hausbesitzer so zu klimafreundlicheren Alternativen zu bewegen, etwa zum Kauf von Elektroautos und Wärmepumpen.

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Auch für die Industrie plant die EU wichtige Neuerungen, die für energieintensive Betriebe wichtig werden könnten, ebenso für die Ambitionen des Ruhrgebiets, führende Wasserstoff-Region zu werden. So will Brüssel den Umstieg auf Wasserstoff durch den Emissionshandel fördern: Wer in neue, klimaneutrale Technologien investiert, soll fünf Jahre lang einen Ausgleich für die höheren Betriebskosten erhalten.

Weiter Gratis-Zertifikate für Thyssenkrupp

In der Praxis würde das etwa bei Thyssenkrupp so funktionieren, dass der Konzern für die Stahlproduktion weiter kostenlose CO2-Zertifikate erhält, auch wenn er bereits einen Teil mit Wasserstoff statt Kohle herstellt, also gar nicht mehr so viel Treibhausgas ausstößt. Die Zertifikate kann Thyssenkrupp dann verkaufen. „Das ist ein sehr innovativer Ansatz. Bisher waren die Gratis-Zertifikate ein reiner Abwehrmechanismus, um unsere heimische Industrie zu schützen. Künftig dienen sie dem Umstieg auf klimaneutrale Technologien – das ist viel zukunftsgerichteter“, sagt Peter Liese, Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im Umweltausschuss des EU-Parlaments, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Der entscheidende Kursschwenk der EU-Kommission ist aber die Einbeziehung von Verkehr und Gebäudewirtschaft. In Deutschland wird seit Jahresbeginn bereits ein CO2-Preis auf Sprit und Heizöl erhoben, sie werde schrittweise im neuen europäischen System aufgehen und letztlich verschwinden, sagt Liese. Weil hierzulande bis dahin Benzin, Diesel und Heizöl schon teurer werden, falle der Preisschock in Deutschland dann geringer aus als in anderen Ländern. Bis dahin tragen die Bürger in Deutschland die Mehrkosten freilich allein, eine Aufteilung etwa unter Mietern und Vermietern ist in Berlin am Widerstand der Union gescheitert.

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„Wir brauchen einen europäisch einheitlichen Mechanismus. Solange wir nur in Deutschland einen CO2-Preis auf Brennstoffe erheben, werden etwa unsere Spediteure gegenüber der osteuropäischen Konkurrenz benachteiligt“, findet Liese. Der Chef der Europagruppe der NRW-CDU sieht im Emissionshandel den Königsweg – auch für Verkehr und Gebäude.

CO2-Ausstoß im Verkehr sogar noch gestiegen

Denn während die Industrie, insbesondere die Energiewirtschaft, die das seit 2005 praktiziert, ihren Treibhausgas-Ausstoß inzwischen deutlich gesenkt hat und Jahr für Jahr weiter senkt, tat sich in den Gebäuden bisher wenig und im Verkehr gar nichts. Er verursachte in Deutschland 2019 laut Bundesumweltamt 166 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen – zwölf Tonnen mehr als zehn Jahre zuvor. Nur mit CO2-Grenzwerten für Neufahrzeuge, wie es die Grünen fordern, werde man nicht einmal ein Drittel der Reduktionsziele erreichen, weil noch zu lange alte Lkw auf unseren Straßen unterwegs sind.

Grüne und SPD sind gegen eine Ausweitung des Emissionshandels, weil sie soziale Verwerfungen befürchten, wenn das Tanken und das Heizen der Wohnung für manche zu teuer wird. Die Grünen fordern stattdessen einen deutlich höheren CO2-Preis für die Industrie, weil sie nach wie vor am meisten Klimagas produziert. Klimaschutz im Verkehr und in den Gebäuden solle national geregelt werden.

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„Ich kämpfe seit vielen Jahren für einen europäischen Emissionshandel und hatte die Grünen immer an meiner Seite. Jetzt habe ich sie gegen mich – und verstehe die Welt nicht mehr“, sagt Liese. „Man muss den Mut haben zu sagen: Ohne eine Verteuerung fossiler Brennstoffe auch für den Einzelnen wird es keinen wirksamen Klimaschutz geben.“ Der CDU-Politiker plädiert deshalb für eine „schwarzen Null für die Gesellschaft“, was bedeute, dass der Staat mindestens so viel, wie er durch die Klimazertifikate einnimmt, auch wieder an die Bürger zurückgibt. So sollte etwa Deutschland seine Ökostromumlage streichen und damit den Strom günstiger machen.

Fonds soll Haushalte an anderer Stelle entlasten

Zudem plane die EU einen Fonds, aus dem Menschen mit geringeren Einkünften in allen EU-Staaten unterstützt werden sollen. Gefüllt wird er, indem ein Fünftel der neuen Klimazertifikate für fossile Kraftstoffe und Brennstoffe fürs Heizen vor beginn des Handels im Jahr 2026 versteigert wird. „Mit den Einnahmen können die Staaten dann ihre Privathaushalte entlasten – und zwar ein Jahr, bevor die Belastung durch den Emissionshandel kommt.“

Den Grünen im EU-Parlament fehlt der Glaube daran: „Wir Grüne sind besorgt, dass selbst mit der Schaffung eines neuen Klimaschutz-Sozialfonds die Erhöhung des CO2-Preises für Bürgerinnen und Bürger bei gleichzeitiger Beibehaltung eines Freifahrtscheins für die Industrie zu sozialen Ungleichheiten führen wird“, erklärt ihr industriepolitischer Sprecher Michael Bloss dazu.

Größter Widerstand kommt aus Osteuropa

Den größten Widerstand gibt es Liese zufolge aus Osteuropa und länderübergreifend aus der Gasindustrie, die ihre Rolle als Übergangstechnologie möglichst weit dehnen wolle. Die deutsche Autoindustrie habe sich bereits auf den Weg in die E-Mobilität gemacht, fordere aber zu Recht mit Nachdruck mehr Tempo beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. Auch dazu gebe es Vorschläge im Klimaplan der EU. Schwieriger werde es für die vom Verbrennungsmotor abhängige Zulieferindustrie, die in NRW vor allem in Südwestfalen sehr viele Menschen beschäftigt. „Wir tun ihr keinen Gefallen, wenn wir versuchen, den Verbrennungsmotor zu retten, der Markt und die Hersteller aber anders entscheiden. Stattdessen müssen wir den betroffenen Betrieben beim Umstieg helfen.“