Hagen/Berlin. Die Hoffnung auf eine bessere Entlastung beim nationalen CO2-Preis hat sich für den Mittelstand am Donnerstag vorerst zerschlagen.
Auf den letzten Drücker und im Eiltempo kurz vor der Sommerpause traf der Bundestag am Donnerstag im Minutentakt wichtige und weniger wichtige Entscheidungen – auch zum Klimaschutz. Eine für Mittelständler mit energieintensiven Produktionen sehr wichtige betraf die nationale Bepreisung von CO2-Emissionen.
Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, werden dadurch erheblich zu Kasse gebeten – die Konkurrenz im Ausland nicht. Nicht einmal innerhalb Europas, wo in der EU für große CO2-Emittenten das Europäische Zertifikatesystem gilt (EU ETS).
Einheitliche Regelung in EU gefordert
Eine nationale Entlastungsregelung, die Carbon-Leakage-Verordnung (BECV), soll den Wettbewerbsnachteil durch die deutsche CO2-Bepreisung der Unternehmen, die nicht im EU-System teilhaben dürfen, wenigstens abdämpfen.
Der Vorschlag aus dem SPD geführten Bundesumweltministerium in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium (CDU) wurde zwar von den eigenen Abgeordneten der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD kritisiert und bis Anfang dieser Woche kontrovers diskutiert.
Deren Änderungsvorschlag hilft aber kaum, ist die Einschätzung Betroffener. „Auch der letzte Änderungsantrag der Regierungsfraktion sieht Entlastungen nur in Nuancen für kleinere Verbraucher vor. Die Ungleichbehandlung mit BECV im Vergleich zum EU ETS bleibt unverändert bestehen. So wird der Weg hin zur Klimaneutralität für die mittelständische Industrie in Deutschland nur schwer verkraftbar sein. Wiederum wird eine Chance zur Nachbesserung vertan“, urteilt Heino Buddenberg, Technischer Geschäftsführer bei Waelzholz in Hagen, dem größten deutschen Kaltwalzunternehmen.
Waelzholz: „Nur schwer verkraftbar“
Seit Januar gilt das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) in dem ein nationaler Preis für CO-Ausstöße festgelegt wurde. Gestartet ist man mit 25 Euro pro Tonne CO. Bis 2025 soll der Preis auf 55 Euro pro Tonne steigen. Bündnis90/Die Grünen forderten jüngst eine Anhebung auf 60 Euro schon im Jahr 2023. Was aus Sicht des Klimaschutzes unbestritten Sinn macht, ist den CO-Ausstoß deutlich zu verringern. Die Frage, in welchem Tempo und ob ein nationaler Sonderweg richtig ist, stellt sich aber weiter. Deutschland als Vorbild – dagegen haben auch Industrieunternehmen im Grundsatz nichts. In diesem Fall bedeutet es aber, dass Produktionen hierzulande unwirtschaftlich werden und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
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Welche Auswirkungen die Entscheidung auf den Mittelstand hat, müsste in den Ministerien und im Parlament in Berlin bestens bekannt sein. Waelzholz hatte noch einmal einen aufklärenden Brief nach Berlin geschickt, mit Unterstützung des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall – in gemeinsamer Sorge um viele Jobs und drohende Verlagerung von Investitionen ins Ausland.
Belastung für Olsberg GmbH drei Mal höher als bei EU-Regelung
Die Olsberg GmbH, Eisengießerei mit über 440 Jahren Tradition, hat sogar dezidiert die Rechnung aufgemacht, wie sich die nationale CO-Bepreisung auf das Unternehmen auswirkt und was eine Regelung in Anlehnung an das Zertifikatesystem in der EU ausmachen würde und den Entscheidern schon im Frühjahr zugeschickt. „Die Belastung für unser Unternehmen ist durch die nationale CO-Bepreisung drei Mal höher als wenn wir dem EU-Emissionshandel unterliegen würden“, sagt Volker Schulte, Technikchef des Sauerländer Traditionsunternehmens, das bereits heute mit modernen Methoden und beim Materialeinsatz mit einer Recyclingquote von 90 Prozent arbeitet und unter anderem Maschinenbauteile in kleinen und mittleren Seriengrößen fertigt. Zudem ist das Unternehmen bekannt für seine Kaminöfen sowie die Verarbeitung von Feinblechen. „Die Verordnung soll offensichtlich nur die Illusion eines wirkungsvollen Carbon-Leakage-Schutzes vermitteln“, ist Schulte enttäuscht von der Ignoranz in Berlin.
FDP erkennt die Brisanz
Mit Ausnahme der FDP, die offenbar die Brisanz der neuen Regelungen für die energieintensiven mittelständischen Unternehmen erkannt hat. Die Liberalen fordern, alle Wirtschaftsbereiche in den EU-Emissionshandel einzubeziehen, um die Belastung aller betroffenen Unternehmen zu reduzieren und eine europaweit einheitliche Regelung, um Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU zu verhindern. Zudem sollte nicht vorgeschrieben werden, dass die Unternehmen die finanzielle Entlastung in Klimaschutzprojekte investiert müssen, obwohl sie notwendig ist, Preise im Wettbewerb halten zu können.