Marl/Essen. Der Chemiekonzern Evonik hat für 500 Millionen Euro eine Großanlage für den Spezialkunststoff PA 12 gebaut – größte Investition in Deutschland.

Evonik hat am Donnerstag im Chemiepark Marl die nach eigenen Angaben weltgrößte Anlage für den Hochleistungskunststoff Polyamid 12 eröffnet. Nach knapp zwei Jahren Bauzeit soll die Produktion in diesem Jahr schrittweise hochgefahren werden. Um die Anlage hatten sich weltweit Evonik-Standorte beworben, auch aus Asien. Dass sie in Marl gebaut wurde, wird hier als starkes Bekenntnis zum Heimatstandort gewürdigt. Zu den rund 7000 Evonik-Arbeitsplätzen im Chemiepark kommen nun 120 hinzu.

Rund eine halbe Milliarde Euro hat der Spezialchemiekonzern in die Anlage investiert – so viel wie noch nie in Deutschland. Damit ist sie rund ein Viertel teurer geworden als ursprünglich geplant: 2018 hatte das Essener Unternehmen Kosten von 400 Millionen Euro veranschlagt. Evonik erhöht durch die Erweiterung in Marl seine Polyamid-Produktionskapazität um gut die Hälfte. Der MDax-Konzern ist bei diesem ebenso leichten wie strapazierfähigen Spezialkunststoff nach eigenen Angaben bereits jetzt Weltmarktführer und sieht weitere große Potenziale für dieses Material.

Einsatz in der Autoindustrie, 3D-Druckern und Gaspipelines

Denn neben den bisherigen Schwerpunkten im Automobilbau und in Meeres-Leitungen erwartet Evonik neue Nachfrageschübe durch den Einsatz in 3D-Druckern und in der Medizintechnik. Auch könne Polyamid (PA) 12 nicht nur schwere Gasleitungen aus Stahl ersetzen, der leichte Werkstoff sei in vielen Bereichen als Ersatz für Stahl denkbar. In der Autoindustrie wird ebenfalls mit einem vermehrten Einsatz von Spezialkunststoffen gerechnet, weil gerade in Elektroautos das Gewicht eine sehr große Rolle spielt. PA 12 wird als Pulver oder Granulat gefertigt und dient als Basis für flexibler, aber robuste Kunststoffprodukte. Es findet sich in Skiern ebenso wie in Benzinleitungen.

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Dass trotz der neuen Hürden durch die Corona-Pandemie der Bau der aus sieben Teilen bestehenden Produktionsstätte nahezu planmäßig fertig wurde, nannte Evonik-Chef Christian Kullmann bei der Eröffnung eine „Meisterleistung unserer Mannschaft“. Er sei froh, „dieses Spitzenprodukt deutscher Hochtechnologie für den Weltmarkt hier im Ruhrgebiet zu produzieren“. Dabei habe es Angebote asiatischer Standorte „mit sehr attraktiven Konditionen“ gegeben, betonte Kullmann. Das Rennen habe aber „das Ruhrgebiet gewonnen“, weil es in Marl „erstklassige Rahmenbedingungen für Investitionen dieser Größenordnung“ gebe.

Marl hat Standorte in Asien und den USA hinter sich gelassen

Früheren Evonik-Angaben zufolge war es keinesfalls nur eine Herzensentscheidung für den Heimatstandort. Marl habe in der Kombination aus Rohstoff-, Personal- und Baukosten vorne gelegene und selbst Konkurrenten wie Singapur hinter sich gelassen. In den USA wären die Baukosten zu hoch gewesen, hieß es vor drei Jahren bei der Vorstellung des Projekts.

Dass sich auch große Industrie-Investments hierzulande noch rechnen können, hört man in der Landespolitik natürlich gern. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach von einem „wichtigen Beitrag zur Zukunft des Ruhrgebiets und Nordrhein-Westfalens“. Mit der neuen Anlage würden hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und gesichert, von „denen wir in Deutschland leider viel zu viele verlieren“. Evonik schreibe in Marl ein „neues Kapitel Industriegeschichte“.

IGBCE-Chef Vassiliadis lobt Motivation der Beschäftigten

Ein Verdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meint Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IGBCE: „Die Stärke des Standorts Deutschland geht maßgeblich auf das große Know-how und die Motivation seiner Beschäftigten und die Gestaltungskraft der Mitbestimmung zurück“, sagte er am Donnerstag in Marl. „Auf diesen Stärken müssen wir weiter sorgsam aufbauen“, so Vassiliadis.