Essen. Konzerne und viele Betriebe testen bereits oder bald. Doch vor allem kleinere wissen nicht, wie sie an Tests kommen. Kammern lehnen Pflicht ab.

Die großen Ruhrkonzerne und eine knappe Mehrheit aller Unternehmen an Rhein und Ruhr testet die Mitarbeiter bereits regelmäßig auf Corona oder will in Kürze damit beginnen. Das ergab eine Umfrage dieser Redaktion unter den Kammern und Konzernen. Allerdings weiß gut jeder dritte Betrieb nicht, wie er das organisieren soll, vor allem kleine Firmen tun sich bei Beschaffung und Durchführung der Tests schwer. Einige scheuen auch die Kosten. Deshalb lehnt die Wirtschaft im Ruhrgebiet die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigte Testpflicht für Betriebe ab.

Ob und wie Unternehmen testen, ist von Branche zu Branche, aber auch regional sehr unterschiedlich: Industriebetriebe, die auf Präsenzarbeit in der Produktion angewiesen sind, liegen vorn – laut ihrem Verband BDI testen 80 bis 90 Prozent der Unternehmen bereits oder stehen unmittelbar davor. Sie setzen sowohl auf Antigen-Schnelltests im Betrieb als auch auf Selbsttests. Von den kleineren Betrieben etwa im Handwerk und im Handel testet bisher nur eine Minderheit, von Kleinstbetrieben mit ein bis drei Mitarbeitern laut DIHK-Umfrage nur jeder zehnte. In Branchen wie der Gastronomie, die nach wie vor geschlossen sind, haben sich zudem viele Betriebe noch nicht damit befasst.

In Essen testen 40 Prozent der Betriebe, in Duisburg 60

Die jüngsten Umfragen der Industrie- und Handelskammern (IHK) des Ruhrgebiets ergaben ähnliche Tendenzen, aber durchaus beträchtliche Differenzen: So haben in den Kammerbezirken Duisburg und Dortmund sechs von zehn Unternehmen mit den Tests begonnen oder sie auf den Weg gebracht. Die IHK Bochum gibt für den Bezirk Mittleres Ruhrgebiet „fast 50 Prozent“ an, die IHK Essen gar nur „mehr als 40 Prozent“, 57 Prozent beabsichtigen in Essen, Mülheim und Oberhausen derzeit nicht, einen Test anzubieten.

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Im Handwerk testet ebenfalls etwa jeder zweite Betrieb oder hat es bald vor. „Besonders rasch haben Friseure, Kosmetiker oder auch Bestatter gehandelt, Testkits beschafft und Test-Fortbildungen organisiert“, heißt es aus der Handwerkskammer Düsseldorf, die auch für das westliche Ruhrgebiet zuständig ist. Die Kreishandwerkerschaften versuchten, Test-Chargen zu beschaffen und Betrieben zur Verfügung zu stellen. Klar sei aber, dass eine Pflicht, zweimal pro Woche zu testen, „nur mit alltagstauglichen (Selbst)Testlösungen“ zu erreichen sei. Merkel hat dies für den Fall angekündigt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung nicht bald zu Testangeboten in 90 Prozent der Betriebe führt. Und danach sieht es absolut nicht aus.

Test-Bus fährt in Bochum, Witten, Herne und Hattingen

Die IHKen versuchen, ihren Mitgliedsbetrieben zu helfen, im Mittleren Ruhrgebiet etwa startet Mitte April ein Test-Bus, der durch Gewerbegebiete in Bochum, Herne, Witten und Hattingen touren wird. Eine Testpflicht lehnen alle Kammern indes ab. „Wenn noch nicht getestet wird, hat das nichts mit einer mangelnden Bereitschaft, sondern mit mangelnder Versorgung mit Tests und Informationen zu deren Durchführung zu tun“, sagte Wulf-Christian Ehrich, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund, unserer Redaktion. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen seien auf Hilfe angewiesen. Von den Unternehmen, die absehbar noch nicht testen, gaben 40 Prozent an, es fehle ihnen an Informationen, 23 Prozent gaben an, nicht an Tests zu kommen.

Laut dem Unternehmerverband NRW bessert sich die Verfügbarkeit zusehens, sodass immer mehr getestet werde. Es gebe aber weiterhin „Probleme mit unzuverlässigen Händlern“. Und für kleine Betriebe seien oft die Mindestabnahmemengen zu hoch. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK (Duisburg, Wesel, Kleve), betont: „Unsere Betriebe stemmen sich mit ganzer Kraft gegen die Krise. Eine Testpflicht kann nicht die Antwort auf dieses Engagement der Wirtschaft sein. Und sie löst auch die praktischen Probleme nicht, der Organisationsaufwand für kleine Unternehmen ist enorm. Hier muss die Politik erst liefern, bevor sie Forderungen stellt.“

Jeder vierten Firma sind die Tests zu teuer

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Zum organisatorischen komme noch der finanzielle Aufwand hinzu, ergänzt Gerald Püchel, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Essen. Auch deshalb würde eine Testpflicht „insbesondere kleine Betriebe teilweise vor enorme Probleme stellen“. In der DIHK-Umfrage gab jeder fünfte Betrieb an, wegen wirtschaftlicher Probleme die Testkosten zu scheuen. Sie bräuchten finanzielle Unterstützung dafür.

Die Konzerne tun sich damit leichter und sind bereits sehr weit, wie unsere Umfrage ergab. Der Stromerzeuger RWE erklärte, wöchentlich Schnelltests anzubieten, wo dies möglich sei. Bedarfsweise werde auch häufiger getestet, etwa beim Einsatz auf Offshore-Anlagen. Die Tests erfolgten in der Regel an den Standorten, es würden aber auch „Selbsttests an die Mitarbeitenden ausgegeben“. Viele Mitarbeitende seien „seit Monaten nicht mehr in den Verwaltungsstandorten“, weil sie daheim arbeiten.

Auch bei Evonik stockt die Test-Beschaffung

Der Chemiekonzern Evonik gab an, Selbsttests an die Beschäftigten zu schicken, „unabhängig davon, ob sie im Homeoffice arbeiten oder nicht“. Wer am Arbeitsplatz präsent sein müsse, könne sich freiwillig ein- bis zweimal pro Woche testen lassen. Aber: „Aktuell stellen wir fest, dass die derzeit stark erhöhte Nachfrage nach Schnell- und Selbsttests für Herausforderungen in der Beschaffung sorgt. Daher ist die Verfügbarkeit derzeit zum Teil noch leicht eingeschränkt, wir rechnen jedoch mit weiteren Lieferungen in den kommenden Tagen und Wochen“, teilt das Essener Unternehmen mit.

Der Energieversorger Eon bietet Präsenz-Mitarbeitern eine „wöchentliche kostenfreie Selbsttesttestung“ an. Zudem fordert er nach wie vor dazu auf, wo immer möglich im Homeoffice zu arbeiten. Auch auf Präsenz-Meetings werde nach wie vor möglichst verzichtet.