Düsseldorf. Tarifeinigung in Metall- und Elektroindustrie: Einmalzahlung in diesem Jahr, wiederkehrende Jahresprämien ab 2021, Ausnahmen für Krisen-Betriebe.
In Deutschlands größtem Industriezweig haben sich Arbeitgeber und IG Metall auf den zweiten Krisenabschluss in Folge geeinigt: Nach der Nullrunde 2020 gibt es in der Metall- und Elektroindustrie auch in diesem Jahr wegen der Pandemie-Risiken keine fortwirkende Lohnerhöhung. Anders als im vergangenen Jahr erhalten die Beschäftigten allerdings eine Einmalzahlung von 500 Euro, von den Tarifparteien „Corona-Prämie“ genannt. Ab 2022 gibt es dann wieder Tariferhöhungen, allerdings nicht beim Monatsentgelt, sondern als wiederkehrende jährliche Sonderzahlung.
Pilotabschluss für vier Millionen Beschäftigte
Der am frühen Dienstagmorgen nach der siebten Verhandlungsrunde und vielen Warnstreiks erzielte Kompromiss gilt zunächst für die rund 700.000 Metaller in NRW, aber auch als Pilotabschluss für ganz Deutschland. Bundesweit beschäftigt die Metall- und Elektroindustrie rund vier Millionen Menschen. An ihren Tarifabschlüssen orientieren sich häufig auch andere Branchen, das sehr komplizierte Vertragswerk dürfte diesmal aber kaum Nachahmer finden. Es steckt voller flexibler Jahresprämien, die in freie Tage oder eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit umgewandelt werden können. Und es enthält Klauseln, nach denen schwächelnde Betriebe die Sonderzahlungen stunden oder ganz streichen können.
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Das Ergebnis stellten demonstrativ Gewerkschaft und Arbeitgeber gemeinsam vor. „Die Tarifpartnerschaft hat sich in der Krise erneut bewiesen“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. „Wir haben in einer schwierigen Zeit für komplexe Fragen vernünftige Lösungen gefunden“, meinte Metallpräsident Stefan Wolf. Daran könne sich „die Politik ein Beispiel nehmen“. Auch Knut Giesler, NRW-Chef der IG Metall, und NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff lobten sich als Verhandlungsführer gegenseitig für den gefundenen Kompromiss.
Was genau er dem Einzelnen an Barem bringt, wird sich für viele aber erst im Laufe des Jahres oder noch später zeigen. Denn neben der Einmalzahlung wurde für 2021 auch eine Klausel für Unternehmen vereinbart, bestehende Tarifleistungen aufzuschieben oder ganz zu streichen. Konkret geht es um das 2018 vereinbarte jährliche Zusatzentgelt B von rund 400 Euro. Es wird in diesem Jahr nicht im Sommer, sondern erst im Oktober ausgezahlt, wenn überhaupt. Denn Betriebe, denen es nicht gut geht, können es um weitere sechs Monate verschieben und dann ganz streichen, wenn sich ihre Lage nicht bessert.
Kriselnde Betriebe können Zahlung verschieben oder streichen
Die IG Metall verteidigt das als Beitrag zur Beschäftigungssicherung in der Corona-Krise. Die Arbeitgeber freuen sich, „erstmals einen Automatismus“ für Tarifabweichungen in kriselnden Betrieben durchgesetzt zu haben. Die entscheidende Kennziffer dafür ist die Umsatzrendite: Unterschreitet sie 2,3 Prozent, greift die Klausel. „Um das mal zu verdeutlichen: In meinem Unternehmen fließen schon zehn Prozent des Umsatzes in neue Investitionen“, so Kirchhoff, der einen großen Automobilzulieferer führt. Wie heikel dieser Punkt für die Gewerkschaft ist, verdeutlichten die Reaktionen der Dachorganisationen: Gesamtmetall-Präsident Wolf erklärte, diesen Automatismus auch in Zukunft behalten zu wollen, IG-Metall-Chef Hofmann betonte, er gelte nur für dieses Jahr.
Kreativ regelten die Tarifpartner auch die Erhöhungen für die kommenden Jahre: Im Februar 2022 gibt es eine neue Jahressonderzahlung in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts. Das ist eigentlich eine in diesem Jahr angesparte Tarifsteigerung von monatlich 2,3 Prozent ab Juli, erläutert die IG Metall. Entsprechend wird auch die Erhöhung aus 2022 angespart und im Februar 2023 ausgezahlt, obwohl der Tarifvertrag nur bis September 2022 läuft. Dann steigt die Sonderzahlung auf 27,6 Prozent eines Monatsentgelts. Das sei „schmerzhaft, mit der Aussicht auf Besserung aber gerade noch vertretbar“, sagte Arbeitgeber-Präsident Kirchhoff dazu.
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Die Frage, warum die Tarifpartner keine monatlichen Lohnerhöhungen mehr vereinbarten, sondern immer neue Jahreszahlungen, erklärt die IG Metall mit ihrem Ziel, Arbeitszeitverkürzungen zu ermöglichen, die sich die Betroffenen leisten können. Schon bisher können sie die Jahressonderzahlungen in Zeit umwandeln, sprich: freie Tage dafür nehmen. Auch die neue Sonderzahlung könne zur Gegenfinanzierung von Arbeitszeitverkürzungen genutzt werden, etwa in Betrieben, die durch Digitalisierung oder Elektrifizierung etwa in der Autoindustrie weniger Arbeit haben. Die Sonderzahlungen reichten für einen Teillohnausgleich von etwa zwei Dritteln.
Vier-Tage-Woche nur als Option
Ihre Grundforderung nach einer Vier-Tage-Woche, die Stellenstreichungen infolge des Wandels der Metallindustrie verhindern soll, setzte sich die Gewerkschaft nicht durch, sie wird aber als Option genannt, um eine mögliche längerfristige Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Wochenstunden zu organisieren. Je nach wirtschaftlicher Lage und Perspektive sollen dann betriebliche Lösungen für die Dauer von bis zu drei Jahren gefunden werden. Zu diesem „Tarifvertrag Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ gehört auch eine Jobgarantie für die Dauer der kollektiven Arbeitszeitverkürzung im jeweiligen Betrieb.
„Die Beschäftigten erhalten Sicherheit und Zeit gegen Geld. Damit haben wir auch in Krisenzeiten einen nach vorne weisende Lösung gefunden“, so IG-Metall-Chef Hofmann. Auf beiden Seiten habe die Beschäftigungssicherung ganz vorne gestanden, sagte dazu Kirchhoff.