Essen. Wegen zu hoher Zinsen lehnt der Thyssenkrupp-Vorstand Staatshilfe ab und plant stattdessen weitere Sparmaßnahmen. IG Metall sauer auf Laschet.

Thyssenkrupp lehnt den von IG Metall und SPD geforderten Staatseinstieg beim Stahl ab. Man werde keinen Antrag auf Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit Staatsbeteiligung stellen. „Damit ist das Thema staatliche Beteiligung vom Tisch“, sagte Finanzchef Klaus Keysberg der Rheinischen Post (RP), Die dafür zu zahlenden Zinsen seien zu hoch und würden die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens „ernsthaft gefährden“ statt es zu retten. Stattdessen will der Konzernvorstand mit der Arbeitnehmerseite über weitere Kostensenkungen reden. Damit dürften neue Stellenstreichungen gemeint sein, was Keysberg so aber nicht explizit sagt.

Die IG Metall reagierte verärgert, kritisierte Bundes- und Landesregierung, aber auch den Konzernvorstand. Die Gewerkschaft hatte vehement den Einstieg des Staates gefordert, weil die angeschlagene Sparte anders nicht zu retten sei. Eine Übernahme durch die britische Liberty Steel, die Thyssenkrupp nun in seine Bücher schauen lässt, lehnen die Arbeitnehmervertreter ab. Zuletzt hatten auch die vier Oberbürgermeister aus Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel eindringlich um Staatshilfe für Thyssenkrupp gebeten. Mit dem Essener OB Thomas Kufen forderte dies erstmals auch ein prominenter CDU-Politiker.

Thyssenkrupp-Finanzchef: Zinslast bei Staatshilfe zu hoch

Der Konzernvorstand um Chefin Martina Merz hat dies nun geprüft und abgelehnt. Finanzchef Keysberg sieht in den Rückzahlungs-Modalitäten mittelfristig einen viel zu schweren Rucksack, den der Stahl nicht stemmen könne. Die Zinsen hätten „durchaus neun Prozent betragen“ können, so Keysberg zur RP.

Dass der Vorstand derlei Modalitäten abgelehnt hat, kann Detlef Wetzel verstehen. Der frühere IG-Metall-Chef, der die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel Europe vertritt, sagte unserer Redaktion: „Der Staat muss helfen, aber doch nicht mit einem unbezahlbaren Kredit, sondern mit einer echten Staatsbeteiligung am Eigenkapital.“ Und: „Ich bin sauer auf Bundeswirtschaftsminister Altmaier und Ministerpräsident Laschet, dass sie 25.000 Stahl-Arbeitsplätze nun ihrem Schicksal überlassen. Der Staat trägt die Verantwortung dafür, was jetzt kommt.“

Wetzel: Altmaier und Laschet tragen die Verantwortung

Finanzchef Keysberg machte klar, was nun droht und was die konzerninterne Alternative zu einer Partnerschaft mit Konkurrenten wie Liberty wäre: Wegen der harten Auswirkungen der Corona-Krise seien „weitergehende Kostenreduzierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich“, so Keysberg. Darüber werde mit den Arbeitnehmervertretern zu sprechen sein.

Die im Frühjahr mit der Arbeitnehmerseite ausgehandelte „Stahlstrategie 20-30“ sieht neben Investitionen den Abbau von 3000 Arbeitsplätzen bis 2026 und für alle verbleibenden Mitarbeiter eine Jobgarantie bis 2026 vor. Diese Zahl blieb zuletzt unverändert, als der Vorstand den konzernweiten, globalen Stellenabbau krisenbedingt um 5000 auf 11.000 Arbeitsplätze erhöhte. Ohne Staatseinstieg und ohne neuen Partner könnten demnach weitere Arbeitsplätze im Stahl auf dem Prüfstand stehen. „Wir fordern die konsequente Vertragstreue“, betonte Stahl-Betriebsratschef Tekin Nasikkol am Freitagabend. Dazu gehöre auch die Einhaltung der Beschäftigungssicherung. „Alles andere ruft unseren Widerstand hervor.“

Die IG Metall will Staatshilfe noch nicht abschreiben. „Angesichts der angespannten Lage bei Thyssenkrupp Steel erwarte ich vom Vorstand, dass er alle Optionen einer Staatsbeteiligung prüft. Es gibt nicht nur den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, auch andere Lösungen sind möglich. Warum nicht eine echte Beteiligung des Landes NRW an Thyssenkrupp Steel?“, fragt Jürgen Kerner, Hauptkassierer der Gewerkschaft und Vizechef des Konzern-Aufsichtsrats. Was in Niedersachsen möglich sei, sollte auch in NRW machbar sein. „Die grundsätzliche Absage an eine Staatsbeteiligung halte ich für unverantwortlich. Wir werden einen Staatseinstieg weiter mit Hochdruck verfolgen“, so Kerner.

Keysberg deutet weitere Sparmaßnahmen an

Keysberg betonte, man führe mit der Bundesregierung weiter Gespräche über mögliche andere Hilfen, dies vor allem „mit Blick auf die grüne Transformation“. Die Regierung will der Industrie bei der Umstellung von Kohle auf Wasserstoff bekanntlich helfen, Thyssenkrupp baut in Duisburg einen ersten Hochofen, der ab 2025 mit Wasserstoff betrieben werden soll.

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Auf dem virtuellen Stahlgipfel bekräftigten gestern Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), NRW-Minister Andreas Pinkwart (FDP) sowie weitere Stahl-Länder im Beisein von Industrie-Vertretern und IG Metall ihr „Handlungskonzept Stahl“. Es enthält neben Hilfen für den Umstieg auf grünen Stahl auch das Versprechen, die deutschen Produkte gegen Billigimporte etwa aus Fernost zu schützen. Aus der akuten Krise hilft diese von allen Seiten gelobte Strategie dem angeschlagenen Industrieriesen an der Ruhr aber nicht.