Essen/Duisburg. Thyssenkrupp streicht 3000 Stellen in der Stahlsparte. In Bochum wird eines von zwei Werken geschossen. Flächendeckend kommt es zu Kurzarbeit.
Der Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssenkrupp stemmt sich mit Stellenabbau, Kurzarbeit und Betriebsverlagerungen gegen die Krise. Bis zum Jahr 2026 will das Unternehmen rund 3000 der aktuell 28.000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte abbauen, viele davon im Ruhrgebiet. Mit dem Betriebsrat und der IG Metall einigte sich das Thyssenkrupp-Management auf einen Sozialplan für den Arbeitsplatzabbau sowie einen neuen Tarifvertrag, der Versetzungen von Beschäftigten in der Stahlsparte ermöglicht. Ein „Sofortpaket“ zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie sieht unter anderem Kurzarbeit vor. Nach Informationen unserer Redaktion soll einer der beiden Thyssenkrupp-Stahlstandorte in Bochum wegfallen. Für die Duisburger Stahl-Verwaltung ist eine Transfergesellschaft geplant, um den Abbau von rund 1000 Stellen in diesem Bereich zu organisieren.
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„Wir werden in den nächsten Wochen beim Stahl an vielen Standorten in Kurzarbeit gehen müssen“, kündigte Personalvorstand Oliver Burkhard an. „Das betrifft zunächst die produktionsnahen Bereiche, aber auch die Verwaltung.“ Die finanziellen Folgen für die Mitarbeiter will Thyssenkrupp teilweise abmildern. So soll das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des Gehalts aufgestockt werden, in anderen Branchen erhalten betroffene Beschäftigte lediglich 60 Prozent.
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„Die Auswirkungen der Corona-Krise nehmen immer dramatischere Formen an“, erklärte der Betriebsrat der Thyssenkrupp-Stahlsparte in einer Mitteilung in der Nacht zum Mittwoch. „Der Arbeitgeber hat flächendeckend Kurzarbeit angekündigt.“
Mit „Stahlstrategie 20-30“ will Thyssenkrupp das Produktionsnetz verändern
Der Stellenabbau im Zuge der nun mit Arbeitnehmervertretern beschlossenen „Stahlstrategie 20-30“ soll in mehreren Schritten erfolgen: Bis zu 2000 Jobs fallen demnach in den nächsten drei Jahren weg, weitere etwa 1000 Stellen bis 2026. Von den insgesamt rund 3000 Stellen entfallen den Planungen zufolge etwa 1000 in der Verwaltung. 800 Arbeitsplätze sind im Grobblech-Werk in Duisburg-Hüttenheim betroffen. Hier gebe es „keine Entwicklungsperspektive innerhalb der Unternehmensgruppe“, so das Thyssenkrupp-Management. Hinzu komme ab dem Jahr 2022 der Abbau von weiteren rund 1200 Stellen durch eine „Optimierung des Produktionsnetzwerks“.
Der Stahl-Betriebsrat erklärte, der Verkaufsprozess für das Grobbech-Werk in Duisburg-Hüttenheim werde nun „transparent und unter Beteiligung des Betriebsrates und der IG Metall“ bis Ende des Jahres durchgeführt und spätestens bis zum 31. März 2021 abgeschlossen sein. „Wird kein Käufer gefunden, wird der Grobblech-Bereich bis zum 30. September 2021, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 geschlossen“, hieß es weiter in einer Mitteilung des Betriebsrats.
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Geplant sei, den Standort Duisburg zu stärken und dazu einzelne Anlagen an anderen Standorten abzubauen, erklärte Thyssenkrupp in der Nacht zum Mittwoch. Nach Informationen unserer Redaktion will sich Thyssenkrupp von einem der beiden Bochumer Werke verabschieden. So soll das Bochumer Elektrobandwerk zum Thyssenkrupp-Stahlstandort in Sichtweite der A40 verlagert werden, die dortige Warmband-Produktion dann nach Duisburg abwandern. Ziel sei es, am Stahlstandort Bochum ein „Kompetenzzentrum E-Mobilität“ zu schaffen, so der Betriebsrat.
An den beiden Bochumer Stahlstandorten arbeiten derzeit insgesamt rund 2500 Beschäftigte. Im Zuge der Standortschließung sollen rund 400 Stellen wegfallen. Der Umbau in Bochum ist dem Vernehmen nach für die Jahre 2023 bis 2026 geplant.
Beschäftigungssicherung bis Ende März 2026
Durch die Einigung mit den Arbeitnehmervertretern erhalte Thyssenkrupp „deutlich mehr Flexibilität, um Mitarbeitende auf andere Stellen zu versetzen“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Im Zuge der „Veränderung des Produktionsnetzwerks“ könnten Arbeitsplätze an andere Standorte verlagert werden.
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Der Stellenabbau sei „fest verabredet“ und soll ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen, betont Thyssenkrupp. Eine entsprechende Beschäftigungssicherung gilt bis Ende März 2026.
Dem Vernehmen nach ist für die Duisburger Verwaltung der Stahlsparte unter anderem eine Transfergesellschaft geplant – ähnlich wie für die Essener Konzernzentrale. Ein Ziel ist, Beschäftigten über 60 Jahren Angebote zu machen, die einen Übergang in die Rente ohne zu große finanzielle Einbußen ermöglichen. Auch Programme für Altersteilzeit sind geplant.
Stahlsparte durch Corona-Krise massiv unter Druck
Thyssenkrupp verwies auf einen großen Handlungsdruck im Stahlgeschäft. Neben einer deutlich abkühlenden Konjunktur und der Corona-Krise sei die Sparte mit ihren rund 28.000 Beschäftigten seit vielen Jahren auch mit Überkapazitäten, stark schwankenden Rohstoffpreisen und einem hohen Importdruck konfrontiert. Die neue Stahlstrategie soll eine „signifikante und nachhaltige Ergebnisverbesserung“ bringen. Kurzfristig dürfte Thyssenkrupp indes zu schaffen machen, dass Autobauer wie Volkswagen und Daimler ihre Produktion wegen der Pandemie stoppen.
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„Wir haben Probleme zu lange aufgeschoben und harte Entscheidungen gescheut“, räumt Thyssenkrupp-Vorstand Klaus Keysberg ein. „Die Vereinbarungen geben uns Handlungsspielraum, damit der Stahl langfristig wettbewerbsfähig bleiben kann. Zwingende Voraussetzung dafür ist eine sofortige und umfassende Restrukturierung. Hier werden wir keine Zeit verlieren.“ Thyssenkrupp sei „heute zu komplex aufgestellt“ und habe eine „unangemessene Kostenstruktur“. Das belege auch „der enttäuschende Geschäftsverlauf“ in diesem Geschäftsjahr. „Das werden wir ändern“, so Keysberg. Ziel sei „die Technologieführerschaft beim Stahl“.
Die Stahlstrategie sieht Unternehmensangaben zufolge einen zusätzlichen Investitionsrahmen von insgesamt rund 800 Millionen Euro über sechs Jahre vor, der die bereits in der Planung enthaltenen jährlichen Investitionen von rund 570 Millionen Euro ergänzen soll.
IG Metall und Thyssenkrupp-Betriebsrat äußern sich zufrieden
„Vereinbart wurde das größte Investitionsprogramm für die Zukunft unserer Stahlstandorte“, betonte Stahl-Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol in der Nacht zum Mittwoch. Mit dem Tarifvertrag gebe es „in sehr schwierigen Zeiten Sicherheiten für die Beschäftigten“. Dies sei „eine gute Botschaft“.
Ähnlich äußerte sich der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler kurz nach Mitternacht. Die Gewerkschaft habe mit dem Tarifabschluss Sicherheiten für die Beschäftigten der Stahlsparte von Thyssenkrupp schaffen können. „Darüber hinaus fließen in den chronisch unterinvestierten Stahlbereich endlich die Gelder, die benötigt werden, um die Kundenanforderungen bedienen zu können“, so Giesler. „Das ist existenziell wichtig und wir schaffen damit Zukunft.“