Essen. Die Uni als Sprungbrett in die Selbstständigkeit? Junge Gründer erzählen von den Vor- und Nachteilen der Unternehmensgründung an der Hochschule.

Vom Hörsaal in den Chefsessel – seit Jahren unterstützen die Universitäten im Ruhrgebiet junge Gründer auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Statt in der heimischen Garage zu tüfteln, können Studenten in den Laboren der Hochschulen gemeinsam mit Professoren und Fachexperten ihren ersten Prototypen entwickeln. Doch eine gute Idee allein reicht nicht, um ein Start-up erfolgreich aufzubauen.

Sascha Feldhorst und seine beiden Mitgründer René Grzeszick und Sascha Kaczmarek haben es geschafft. Mit „Motion Miners“ haben sie sich im Jahr 2017 selbstständig gemacht. „Ich habe neben dem Studium in einem Logistikunternehmen gearbeitet“, sagt Informatiker Sascha Feldhorst. Dabei kam ihm die Idee, manuelle Arbeitsprozesse mit Hilfe von Sensoren, die die Mitarbeiter am Handgelenk tragen, zu analysieren und zu optimieren. Aus einem Hobbyprojekt sei schnell eine Forschungsarbeit entstanden, die von der TU Dortmund und dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik unterstützt wurde.

Gründen an der Uni: Technische Kompetenz wird nicht angezweifelt

Das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) der TU Dortmund begleitet Start-ups in allen Phasen der Unternehmensgründung – von der ersten Idee über die Erstellung eines Businessplans bis hin zur Förderung. Zahlreiche Workshops zu Themen wie App-Programmierung, Marketing und Patentrecht helfen den Gründern nicht nur bei der Weiterentwicklung ihres Produkts, sondern vermitteln ihnen auch wichtige betriebswirtschaftliche Kenntnisse.

Auch interessant

„Die erste Kundenunterschrift hatten wir schon vor der eigentlichen Unternehmensgründung“, sagt Sascha Feldhorst, der mit seinen beiden Mitgründern knapp 30 Mitarbeiter in Dortmund beschäftigt. Denn Unternehmen und Investoren zweifelten die technische Kompetenz der an der Hochschule gegründeten Start-ups in der Regel nicht an. Ganz im Gegenteil: Die Universität hätte den Gründern einen gewissen „Vertrauensvorsprung“ gegeben.

Doch das Gründen an der Hochschule habe auch seine Tücken. „Man könnte ewig an einer Arbeit weiterforschen“, so der Informatiker. Irgendwann müsse man jedoch aus dem universitären Umfeld ausziehen und sich mit der Vermarktung auseinandersetzten. „Wenn man zu lange forscht, ohne auf Kundenwünsche einzugehen, verpasst man viele praktische Probleme.“

Drink Sea: Bochumer Start-up will sauberes Trinkwasser in Wüstenregionen bringen

Das Start-up „Drink Sea“ aus Bochum steht noch am Anfang seiner Karriere. „Wir sind in den letzten Zügen der Prototypenentwicklung“, sagt Physikstudent Jonathan Heil. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen Jelko Seiboth und Marcel Schroller sowie dem Politikwissenschaftler Johannes Brill will der 25-Jährige Menschen in Wüstenregionen über ein Kanalsystem mit sauberem Trinkwasser versorgen.

Johannes Brill, Jonathan Heil, Marcel Schroller und Jelko Seiboth (von links) haben an der Worldfactory der Ruhr-Universität Bochum ihren ersten Prototypen entwickelt.
Johannes Brill, Jonathan Heil, Marcel Schroller und Jelko Seiboth (von links) haben an der Worldfactory der Ruhr-Universität Bochum ihren ersten Prototypen entwickelt. © Privat

Mit dem ersten Lehrstuhl für Cyber Security brachte das Start-up-Center der Ruhr-Universität Bochum, die Worldfactory, gleich mehrere „sehr erfolgreiche Start-ups“ hervor, sagt Oliver Weimann, Gründer-Experte und Geschäftsführer des Ruhrhub in Essen. Für ihre Nachfolger sei das eine sehr gute Grundlage. So würden Investoren häufig erneut in Start-ups „aus derselben Schmiede“ investieren. Aber auch die Zusammenarbeit mit bereits erfolgreichen Unternehmern und erfahrenen Professoren erspare jungen Gründern den ein oder anderen Fehler.

Unternehmen im Ruhrgebiet auf der Suche nach Innovationen

„Vor allem die Frage der Wirtschaftlichkeit war am Anfang ein Problem“, gibt Jonathan Heil zu. Durch den Austausch mit Studenten aus anderen Fachbereichen wie der Betriebswirtschaftslehre, die oftmals einen „anderen Blick auf die Thematik haben“, hätten sie das Problem frühzeitig lösen können – mit einer Photovoltaikanlage, die den hohen Energieaufwand bei der Entsalzung des Meerwassers kompensiert.

„Viele mittelständische und familiär geprägte Unternehmen profitieren von der auflebenden Start-up-Szene im Ruhrgebiet“, sagt Andreas Ostendorf, Prorektor der Ruhr-Universität. Denn sie hätten oft keine eigenen „gigantischen Innovationsabteilungen“ und hielten daher nach jungen Start-ups Ausschau. Aber auch die Universität hilft bei den ersten Kundenkontakten. Ostendorf: „Wir gehen mit den Gründern aktiv auf Unternehmenssuche und präsentieren ihre Produkte auf Messen und Ausstellungen.“

Gründungszentrum Guide: Uni Duisburg-Essen startet mit neuer Strategie

Neben den beiden „Leuchttürmen“ Dortmund und Bochum, wie Gründer-Experte Oliver Weimann sie nennt, holt auch die Universität Duisburg-Essen mächtig auf. Mit dem im August 2019 gestarteten Gründungszentrum Guide rückt das Thema deutlich stärker in den Fokus.

„Ein Start-up zu gründen sollte für jeden jungen Menschen zumindest eine Option sein“, sagt Oliver Weimann. Doch nicht jeder Student weiß, dass er eine gute Idee hat. Mit Hilfe von Informationen aus Fakultäten, Lehrstühlen und Forschungsprojekten, die Pedro José Marrón, Vorstandsvorsitzender von Guide, mit seinem Team in einer Art „Suchmaschine“ zusammenträgt, sollen potenzielle Geschäftsideen künftig schnell und einfach identifiziert werden.

Das Start-up ColFerroX von Rainer Meckenstock, Sadjad Mohammadian und Beate Krok (v.l.n.r.) ist aus Forschungsarbeiten an der Universität Duisburg-Essen entstanden.
Das Start-up ColFerroX von Rainer Meckenstock, Sadjad Mohammadian und Beate Krok (v.l.n.r.) ist aus Forschungsarbeiten an der Universität Duisburg-Essen entstanden. © Privat

Auch das Start-up „ColFerroX“ ist aus Forschungsprojekten an der Universität Duisburg-Essen hervorgegangen. Die Gründer Beate Krok, Sadjad Mohammadian und Rainer Meckenstock wollen mit Hilfe von Eisenoxid-Nanopartikeln mit Schwermetallen belastetes Grund- und Abwasser reinigen – ohne aufwendige Pumpentechnik.

„Was nicht bezahlbar ist, ist die mentale Sicherheit“

Nachdem das Team in Feldstudien gezeigt hat, dass ihre Technologie nicht nur unter Laborbedingungen funktioniert, haben sie im vergangenen Jahr ihr Unternehmen in Mülheim gegründet. Das Ruhrgebiet sei mit seinem hohen Anteil an metallverarbeitender Industrie der ideale Standort, um mit Geschäftskunden in Kontakt zu kommen, sagt Beate Krok. „Es ist wichtig, dass man seine Kunden immer im Blick behält.“

Büroräume, voll ausgestattete Labore und Beratungsangebote, mit denen Jungunternehmer laut Rainer Meckenstock „250 Euro in der Stunde für einen Anwalt oder 150 für einen Steuerberater“ sparen können, machten das Gründen an der Hochschule so attraktiv. „Was nicht bezahlbar ist, ist die mentale Sicherheit“, so der Professor für Mikrobiologie. Der Kontakt mit Gleichgesinnten helfe so manchem, den „Schritt zu wagen“. „Das Ruhrgebiet als Ballungsraum hat Potenzial“, sagt auch Gründer-Experte Oliver Weimann. „Nur wenn wir dieses Potenzial gemeinsam nutzen, haben wir eine Chance gegen Berlin, Hamburg und München.“