Essen. Die Corona-Krise bedroht einer Studie zufolge zwei Drittel der Start-ups in ihrer Existenz. „Innovationsreport Ruhr“ zeigt aber auch Potenziale.
Es sind Zahlen, die aufhorchen lassen und den Schluss nahelegen, dass junge Unternehmen besonders unter den Folgen der Corona-Krise leiden. Neun von zehn Start-ups seien durch die aktuelle Krise beeinträchtigt – und rund zwei Drittel der Firmen sogar in ihrer Existenz gefährdet, heißt es in einer Studie, die der Bundesverband Deutsche Startups mit Unterstützung der Essener RAG-Stiftung erstellt hat. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden für Start-ups nach heutiger Einschätzung „weitaus dramatischer als die vorangegangener Krisen sein“, urteilen die Studienautoren Alexander Hirschfeld und Jannis Gilde, weil Zulieferer, Kunden und Finanzierungen gleichzeitig wegbrechen. Vor allem Start-ups, die zeitnah eine neue Finanzierung geplant hätten, seien akut bedroht.
Die politische Herausforderung bestehe daher darin, vielversprechende Firmen zu schützen und damit die Innovationsfähigkeit Deutschlands zu sichern, heißt es in der Studie. „Unsere Start-ups und jungen Gründer werden derzeit auf eine harte Probe gestellt“, sagt RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes. „Wie wichtig Innovation für eine funktionierende und vitale Volkswirtschaft ist, das wissen wir nicht erst seit der Corona-Krise. Umso mehr gilt es jetzt, unsere Innovationsfähigkeit zu bewahren.“
Unabhängigkeit von einzelnen Branchen als Stärke des Ruhrgebiets
Neben den aktuellen Problemen werden im „Innovationsreport Ruhr“ sowie einer ergänzenden Studie zu den Corona-Folgen insbesondere die Potenziale des Ruhrgebiets herausgearbeitet. Beispielsweise sei wegen der Pandemie noch nicht absehbar, wie schnell die internationale Rekrutierung von Arbeitskräften wieder möglich sein werde. „Hier weist das Ruhrgebiet einen großen Vorteil auf“, so die Studienautoren, die auf 22 Hochschulen und weitere Einrichtungen der Spitzenforschung in der Region verweisen.
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Ein weiterer Vorteil sei die wirtschaftliche Vielfalt im Ruhrgebiet: So hätten Handelsunternehmen wie Aldi und Tengelmann, Energieversorger wie Eon, RWE oder Amprion, Logistikkonzerne wie Schenker oder Rhenus und industrielle Schwergewichte wie Evonik und Thyssenkrupp ihren Sitz im Revier. „Die Unabhängigkeit von einzelnen Branchen ist gerade in der Krise für das Ruhrgebiet eine wichtige Stärke“, heißt es in der Studie.
Branchen Gesundheit und Cybersecurity stark
Besondere Potenziale der Region schreibt der „Innovationsreport Ruhr“ den Branchen Gesundheit und Cybersecurity zu. „Wenn internationale Top-Investoren an Deutschland denken, denken sie noch viel zu selten an das Ruhrgebiet. Das muss und wird sich ändern“, sagt Christian Miele, Präsident des Bundesverbands Deutsche Startups, in diesem Zusammenhang. Die Debatte um eine potenzielle amerikanische Übernahme des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac, das momentan an einem Impfstoff gegen Covid-19 arbeitet, habe nicht nur die Bedeutung von Wagniskapitalgebern aus Deutschland und Europa sehr anschaulich gemacht, sondern auch verdeutlicht, wie wichtig innovative Pharmaunternehmen seien, heißt es in der Studie.
Neben Gründern brauche es auch Institutionen an der Schnittstelle von Forschung und medizinischer Anwendung, wie sie im Ruhrgebiet unter anderem das Universitätsklinikum Essen oder die Universität Witten-Herdecke hervorbringen. Schon jetzt seien etwa 6000 Menschen im Ruhrgebiet an der Schnittstelle von Digitalisierung und Gesundheitssektor beschäftigt. Gerade in der Corona-Krise gelte es, das Potenzial, das es im Ruhrgebiet gebe, zu nutzen.
Tengelmann-Chef Haub: „Hier sollten wir Deutschen schon offensiver werden“
Mittel- und langfristig werde die Corona-Krise auch zu einer steigenden Nachfrage an Cybersecurity-Lösungen führen, analysieren die Studienautoren, da die flächendeckende Zunahme von Home-Office in vielen Unternehmen zu einer stärkeren Sensibilisierung für Sicherheitsfragen führe.
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Im „Innovationsreport Ruhr“ kommt auch Tengelmann-Chef Christian Haub zu Wort, der lange in den USA gelebt hat: „Gerade amerikanische Unternehmer sprühen vor Optimismus. Und so gehen sie dann auch in den Markt und sammeln Geld ein. In Deutschland sind die Vorstellungen dagegen oft realistischer, lösen dann aber auch weniger Begeisterung bei Investoren aus. Hier sollten wir Deutschen schon offensiver werden.“