Essen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag der Essener Steag gegen das Kohleausstiegs-Gesetz abgewiesen. Das Problem sind ihre Eigentümer.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag des Stromkonzerns Steag gegen das Kohleausstiegsgesetz (KVBG) abgewiesen. Die Begründung in Kurzform: Ein mehrheitlich dem Staat gehörendes Unternehmen kann nicht gegen den Staat klagen. Die Stadtwerken aus sechs Ruhrgebietskommunen gehörende Steag könne sich „nicht auf die von ihr als verletzt gerügten Grundrechte berufen“, teilte das Verfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch mit (1 BvQ 82/20). Damit sei auch die von den Essenern angekündigte Verfassungsbeschwerde „von vornerein unzulässig“.
Steag-Chef Joachim Rumstadt sprach von einer „herben Enttäuschung“. Da die Ablehnung aus rein formalen Gründen erfolgte, sei die Verfassungskonformität des Kohleausstiegs-Gesetzes „überhaupt nicht geprüft worden“, kritisierte er.
Der viertgrößte Stromerzeuger Deutschlands sah durch die Bedingungen für die Abschaltung aller Kohlekraftwerke bis 2038 sein Eigentumsrecht und die Berufsfreiheit verletzt. Die Steag hatte sich unter anderem auf die Grundrechtecharta der EU berufen, um ihr Eigentumsrecht doch in Karlsruhe durchsetzen zu können. Das lehnte die 1. Kammer des 1. Senats ab: Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mehr als 50 Prozent der Anteile hält, könnten sich „nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf die materiellen Grundrechte berufen“, lautet die Begründung.
Ungleichbehandlung von Braun- und Steinkohle
Konkret beklagt die Steag, dass es anders als bei der Braunkohle für die Steinkohlekraftwerke keinen klaren Ausstiegspfad samt Entschädigungen gibt, nicht einmal Gespräche darüber habe es gegeben. Stattdessen müssen die Steinkohleblöcke zur Abschaltung ausgeschrieben werden, wobei nur der zum Zuge kommt, der am wenigsten Entschädigung fordert. Bereits im September findet die erste Ausschreibung statt, daher der Eilantrag.
Spätestens ab 2027 droht Steinkohlekraftwerken die Zwangsstilllegung ohne jede Entschädigung. Die im Ausstiegsgesetz angekündigte Verhinderung von Härtefällen bei jungen Steinkohleblöcken wie dem der Steag in Duisburg-Walsum und dem Trianel-Kraftwerk in Lünen ist bisher nur eine Absichtserklärung. Der Gesetzgeber will Abschreibungen auf vorzeitig stillgelegte junge Kraftwerke verhindern, das Wie ist aber bisher offen.
Das wertet die Steag als „sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung von Braun- und Steinkohle“. Das Unternehmen akzeptiere den Kohleausstieg, betonte Steag-Chef Rumstadt am Mittwoch erneut. „Wir kritisieren jedoch die mangelhafte Art und Weise, wie der Kohleausstieg umgesetzt wird.“
Ab 2027 droht Zwangsstilllegung von Kraftwerken
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Der Gang nach Karlsruhe bleibt der Steag nun allerdings verwehrt. Dabei wird ihr nun zum Verhängnis, dass fünf der sechs beteiligten Ruhrgebietsstädte ihren im vergangenen Juli angekündigten Ausstieg noch nicht vollzogen haben. Essen, Duisburg, Dinslaken, Oberhausen und Bochum wollen ihre Beteiligung verkaufen und damit ihren Ausflug in die Welt der Energieriesen nach neun Jahren beenden. Allein Dortmund will seinen 36-Prozent-Anteil behalten. Mit dem Einstieg eines privaten Investors würde der Anteil der öffentlichen Hand damit deutlich unter jene 50 Prozent fallen, die Karlsruhe als Hürde für eine Verfassungsklage setzt.
Im September wird es ernst
Die Steag wollte höhere Entschädigungen für die Abschaltung von Steinkohlekraftwerken durchsetzen, konkret bessere Bedingungen und eine Ausweitung der ersten Ausschreibungsrunde im September erreichen. Denn die zu erzielenden Entschädigungen sind jetzt noch am höchsten, sinken dann mit jedem Jahr – auf zwei- und später einstellige Millionenbeträge je Block. Die Betreiber der Braunkohlekraftwerke wissen dagegen schon heute genau, welcher Block wann vom Netz geht und können mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro an Entschädigungen planen.