Essen. Ungewöhnlicher Plan für die Steag: Bei einem Ausstieg von fünf Ruhrgebietsstädten soll der Konzern deren Anteile selbst übernehmen. Die Details.
Der Ausstieg von fünf Ruhrgebietskommunen aus der Steag nimmt Konturen an. Nach Informationen unserer Redaktion will der Stromerzeuger die Anteile aus Essen, Bochum, Duisburg, Oberhausen und Dinslaken selbst übernehmen. Eine Absichtserklärung dazu hat die Steag-Führung bereits unterschrieben. Die Aussteiger-Kommunen sollen den Preis für ihre Anteile zunächst stunden und erst erhalten, wenn die Steag sie weiterverkauft hat. Allein Dortmund will die von seinen Stadtwerken gehaltenen 36 Prozent behalten. So zumindest lautet das derzeit favorisierte Modell.
Um den Preis wird noch gerungen
Technisch soll der Deal so ablaufen, dass die Steag von der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft (KSBG) 64 Prozent übernimmt, nach Informationen dieser Zeitung zunächst für einen symbolischen Preis. Die Stadtwerke sollen später den realen Preis für ihre Anteile erhalten, aber nicht ewig warten müssen. Die Rede ist von einer Stundung bis zum Jahr 2024. Wie viel Geld die Kommunen für ihre Anteile erhalten, soll vorab festgelegt werden. Über die Höhe wird dem Vernehmen nach noch gerungen, in der einen Stadt mehr, in der anderen weniger. Die Steag muss die zugesagte Summe dann durch den Verkauf des Mehrheitsanteils erlösen.
Fast wortgleich verwiesen mehrere beteiligte Stadtwerke auf Anfrage darauf, dass es sich „um ein laufendes Verfahren zwischen den Konsorten handelt und wir uns zu Detailfragen nicht äußern möchten“. Es habe schon seit einiger Zeit „Überlegungen zur Auswahl und Aufnahme neuer Gesellschafter“ gegeben. Die Steag erklärte lediglich: „Zu vertraulichen inneren Angelegenheiten äußern wir uns nicht.“
Im Stadtwerke-Konsortium blieben allein die Dortmunder übrig. Die Stadtwerke DSW21 stehen eigenen Angaben zufolge zu ihrer 36-Prozent-Beteiligung an der Steag. „Wir hegen keinerlei Verkaufsabsichten“, betonte ein Stadtwerke-Sprecher. „Zu etwaigen Überlegungen anderer äußern wir uns nicht.“
Keine Einigung auf einen Käufer
Die fünf anderen Kommunen hatten im vergangenen Juli beschlossen, ihre Anteile im Paket verkaufen zu wollen, konnten sich offenkundig aber nicht auf einen Käufer einigen. Die zwischenzeitlich als Favorit gehandelte Rethmann-Gruppe aus Selm mit ihrem Entsorgungsriesen Remondis etwa war dem Vernehmen nach nicht allen Kommunen genehm.
Dass die Steag sich praktisch selbst kauft, ist als treuhänderische Zwischenlösung gedacht, bis ein Investor gefunden wird. Die Arbeitnehmerseite muss noch zustimmen, auch sind vertragliche Details und der Preis noch nicht fix. Aus Eigentümerkreisen hieß es, man strebe „eine einvernehmliche Lösung unter Einbeziehung der Arbeitnehmerseite an“.
Die Gewerkschaft IGBCE macht sich wegen des Kohleausstiegs große Sorgen um die Steag und hat entsprechend wenig Interesse an neuen Risiken. Dazu würde auch ein zu hoher Preis an die Kommunen zählen, den die Steag bei einem Weiterverkauf womöglich gar nicht erzielen kann.
IGBCE warf Städten Unprofessionalität vor
Der Gewerkschaft war schon im vergangenen September der Kragen geplatzt, als sich die Verzögerung des Verkaufsprozesses abzeichnete. Die Städte spielten „Monopoly im Hinterzimmer“ mit ihren Steag-Anteilen, wetterte Ralf Sikorski, der als IGBCE-Vizechef im Aufsichtsrat der Steag-Mutter KSBG sitzt. Er warf den verkaufswilligen Kommunen „Unprofessionalität“ vor.
Das Unternehmen selbst hatte im vergangenen Herbst zu den Ausstiegsplänen der Städte erklärt, es unterstütze „alle Bemühungen, die zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Anteilseignerstruktur beitragen.“ Die Steag mit ihren rund 6000 Beschäftigten leidet seit Jahren unter den Folgen der Energiewende, nach Meinung vieler Beobachter aber auch unter der Vielstimmigkeit ihrer Eigentümer. Die sechs Kommunen waren oft uneins, in den jeweiligen Stadträten wurde hier lauter und dort leiser der Ausstieg gefordert. Im vergangenen Sommer rangen sie darum, wer wie viel des benötigten Darlehens über 100 Millionen Euro übernehmen sollte.
Dabei fällt der Steag das Überleben als Kohleverstromer in der Energiewende schon unternehmerisch schwer genug. Das Essener Unternehmen hat mehrere unrentable Steinkohlekraftwerke bereits stillgelegt. Während die Betreiber von Kohleblöcken nun darauf hoffen, dass nach dem Atomausstieg die Strompreise steigen und ihre Kraftwerke wieder mehr Gewinne abwerfen, will die Bundesregierung alle Steinkohlekraftwerke bis zum Jahr 2033 abschalten. Der Gesetzentwurf sieht nur geringe Entschädigungen bei schneller Abschaltung vor und ab 2026 Zwangsstilllegungen ohne Entschädigung.
Verkauf vor oder nach der Kommunalwahl?
Das macht die Zukunftsplanung nicht leichter, notfalls will die Steag juristisch gegen Zwangsenteignungen vorgehen. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ist der Steag jüngst zur Seite gesprungen und fordert Nachbesserungen im nun anlaufenden parlamentarischen Verfahren.
Wann der Ausstieg der fünf Ruhrgebiets-Kommunen über die Bühne geht, ist noch offen. Alle auf eine Linie zu bringen, war bereits in den neun gemeinsamen Steag-Jahren oft nicht leicht. Womöglich spielen auch die Kommunalwahlen am 13. September eine Rolle. In der Bevölkerung war der Einstieg ihrer Städte ins internationale Stromgeschäft immer umstritten.