Metro-Chef Olaf Koch will die 277 Filialen der Kette Real jetzt rasch verkaufen. Den 34.000 Beschäftigten macht er zwei Versprechen.
Herr Koch, die Metro hat sich in den vergangenen Jahren von großen Marken wie Kaufhof, Praktiker und Media Saturn getrennt. Den Unternehmen ist die Abnabelung nicht gut bekommen. Droht mit dem Verkauf von Real die nächste Krise?
Olaf Koch: Jedes Unternehmen, von dem wir uns getrennt haben, hatte unterschiedliche wirtschaftliche Voraussetzungen. Galeria Kaufhof etwa haben wir in einem absolut guten Zustand verkauft. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Warenhäuser in Deutschland eine Zukunft haben. Das gilt auch für Real. Wir sind mit dem Verkaufsprozess sehr weit vorangekommen. Auch die Marke Real hat eine Zukunft.
Sie haben den Verkauf der SB-Warenhauskette Real an den Immobilieninvestor Redos beim Kartellamt angemeldet. Wann werden die rund 34.000 Mitarbeiter wissen, was aus ihnen und den 277 Filialen wird?
Das Bundeskartellamt hat die Transaktion zwischen Metro und Redos freigegeben. Das Konzept sieht vor, dass ein nennenswerter Anteil von Standorten an Wettbewerber übergeht. Wenn die Frist für verbindliche Angebote für die jeweiligen Filialpakete abgelaufen ist, wird es noch einige Wochen brauchen, um diese zu prüfen. Mein Anliegen ist es, dass dann so schnell wie möglich Klarheit herrscht. Wir werden zu einem Abschluss kommen. Wir haben schon viel erreicht im Verkaufsprozess, aber er läuft schon ein Jahr. Das ist vor allem für die Mitarbeiter eine schwierige Situation. Wir haben deshalb bereits im Frühjahr Kontakt zum Kartellamt aufgenommen. Wir werden es nicht soweit kommen lassen wie im Fall Kaiser’s Tengelmann. Der Verkauf der Supermarktkette an Edeka und Rewe hatte sich über zwei Jahre hingezogen.
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Stimmen Spekulationen, dass knapp 40 Real-Filialen geschlossen werden, rund 180 Märkte an Wettbewerber gehen sollen und 50 von Metro/Redos weiterbetrieben werden?
Solange die Verhandlungen laufen, verbietet sich jede Spekulation über Zahlen. Wichtig ist das Signal, dass die Marke Real mit einem gesunden Kern erhalten bleibt. Auch das Digitalgeschäft Real.de hat sich sehr gut entwickelt. Innerhalb von zweieinhalb Jahren ist der Online-Umsatz von 60 auf über 500 Millionen Euro gestiegen. Die Plattform hat sich zu einer echten Größe im Online-Handel entwickelt.
Rechnen Sie damit, dass die Gewerkschaft Verdi Ihre Pläne unterstützen wird?
Ich erwarte von Verdi keinen Rückhalt. Wir haben 2016 mit Verdi vereinbart, dass Real faire Tarifbedingungen erhält. Das haben wir in einem Zukunftstarifvertrag fest vereinbart, mussten aber 2018 feststellen, dass diese Vereinbarung nicht eingehalten wurde. Deshalb sind wird dann aus dem Verdi-Flächentarifvertrag ausgestiegen und haben einen Tarifvertrag mit der Berufsgewerkschaft DHV abgeschlossen. Es konnte nicht so weiter gehen, dass Real um 30 Prozent höhere Gehälter bezahlt als der Durchschnitt im Lebensmittel-Einzelhandel.
Wie werden die Real-Mitarbeiter beim Verkaufsprozess geschützt?
Wir legen Wert darauf, dass die Mitarbeiter beim Verkauf übernommen werden – und zwar zu ihren aktuellen Vertragsbedingungen.
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Warum verkauft Metro die große Mehrheit am China-Geschäft an den Wettbewerber Wurmei, wenn es so profitabel ist?
Wir sind seit 1996 in China kontinuierlich gewachsen und haben uns eine starke Reputation aufgebaut, gerade was die Qualität und Sicherheit bei Lebensmitteln angeht. Deswegen war das Interesse der Endkonsumenten an der Marke so hoch, dass wir irgendwann unsere Türen für sie geöffnet haben. Unsere Kernkundengruppen, Gastronomen und kleine Händler, machen heute nicht mal mehr 30 Prozent unseres Umsatzes in China aus. Insofern ist es ein hervorragendes Geschäft, aber eben kein Großhandel – und darauf wollen wir uns fokussieren und auch unsere Investitionen konzentrieren. Aus diesem Grund haben wir nach Optionen gesucht, das Geschäft in China weiterzuentwickeln. Mit Wumei haben wir einen starken Partner gefunden, der fest im chinesischen Einzelhandel verankert ist. Wir bleiben mit 20 Prozent beteiligt und werden die weitere Entwicklung des Geschäfts tatkräftig unterstützen. So können wir eine weitere Wertsteigerung im dynamischen chinesischen Markt erreichen, uns aber zeitgleich voll und ganz auf den Großhandel konzentrieren.
Welche Pläne haben Sie mit dem Erlös von einer Milliarde Euro? Denken Sie auch an Zukäufe?
Der Mittelzufluss wird unsere Bilanz deutlich stärken. Das ist wichtig und gibt eine robuste Ausgangsbasis für die Zukunft. Wir wollen in den kommenden Jahren unser Wachstum deutlich steigern. Das gilt natürlich für das Kerngeschäft, das schon ordentlich zulegt, aber auch für die Ausweitung unseres Leistungsangebots insbesondere in Bezug auf digitale Lösungen und Services. Darüber hinaus haben wir auch kleine bis mittelgroße Zukäufe im europäischen Großhandelssektor im Blick. Wir haben bereits in den letzten Jahren durch die Übernahmen von Classic Fine Foods, Rungis Express und Pro à Pro unser Geschäft ausgebaut.
Will die Metro nach dem Verkauf von Galeria Kaufhof, Real und der Abspaltung von Media Saturn kein Großkonzern mehr sein?
Wir wollen uns nicht kleinreden. Ohne Real werden wir immer noch deutlich über 100.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von rund 30 Milliarden Euro haben. Aber Diversifizierung im Handel ist mittlerweile Gift. Das Geschäft wird immer lokaler und digitaler. Die vielen Marken unter dem Metro-Dach haben uns in den vergangenen Jahren keine wirklichen kommerziellen Synergieeffekte mehr gebracht, aber viel Komplexität geschaffen. Deshalb kehren wir jetzt zum Ursprung, zum Großhandelsgeschäft, wie es unsere Gründer 1964 mit dem ersten Markt in Mülheim gestartet haben, zurück. Die Interpretation des Großhandels wird allerdings deutlich umfangreicher.
Was versprechen Sie sich von der Konzentration auf das Geschäft mit Gastronomen, Hoteliers und Caterern?
Gastronomie boomt. Kochen und Ausgehen stehen vor allem bei jungen Leuten ganz hoch im Kurs. Köche sind die neuen Rockstars und haben eine unglaubliche Medienpräsenz. Gleichzeitig zwingen steigende Kosten, intensiverer Wettbewerb und striktere Auflagen die Gastronomie dazu, sich neu zu erfinden. Vor diesem Schritt stehen viele Restaurantbetreiber derzeit noch mit vielen Fragezeichen. Als Großhändler ist es unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen, noch erfolgreicher zu werden.
Rechnet sich die Digitalisierung für die Restaurants denn auch wirtschaftlich?
Wir können unseren Kunden signifikante Vorteile erschließen. Wir verfügen mittlerweile über ein umfangreiches Portfolio an Lösungen, die sich in der Praxis bewähren. Wir helfen unseren Kunden, über eine bessere Analytik, die Profitabilität zu steigern, sei es durch gezielte Optimierung der Speisekarte, Akquise von Neukunden durch eine professionelle Onlinepräsenz oder über Entlastung bei Verwaltungsaufgaben. Dadurch hat der Gastronom auch mehr Zeit, sich um seine Gäste zu kümmern. Hinzu kommt, dass viele Aufgaben vereinfacht werden können, wie beispielsweise der Bestellprozess. Damit lassen sich zum Beispiel auch die Verderbquoten deutlich senken, die in vielen Betrieben einen großen Kostenfaktor darstellen. So ermöglicht eine höhere Wirtschaftlichkeit auch mehr Nachhaltigkeit. Fast alle Branchen wurden prozesstechnisch durchoptimiert – die unabhängige Gastronomie hat hier noch enormes Potenzial.
Warum läuft das Online-Geschäft mit Lebensmitteln in Deutschland so schleppend an?
Die Ware unter Einhaltung der Kühlkette auf der letzten Meile zu den Kunden zu bringen, ist sehr teuer. Die Bereitschaft der Verbraucher, dafür zu zahlen, aber nicht sehr ausgeprägt. Zumal Deutschland ein sehr preisaggressives Land ist. Und zudem ist es für den Händler sehr aufwändig, die Warenkörbe zusammenzustellen. Anders im Großhandel: Unser Belieferungsgeschäft wächst seit Jahren und macht mittlerweile ein Fünftel des Gesamtumsatzes aus.
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Im Sommer haben Sie erfolgreich den Versuch des tschechischen Milliardärs Kretinsky abgewehrt, die Metro zu übernehmen. Warum haben Sie so vehement gegen das Übernahmeangebot gekämpft?
Abwehr klingt mir zu negativ. Es ging allein um die Frage, ob die 16 Euro, die EP Global Commerce für jede Metro-Aktie geboten hatte, dem Wert des Unternehmens entsprechen. Das ist unserer Einschätzung nach nicht der Fall. Aufsichtsrat und Vorstand haben das Angebot deshalb zurückgewiesen. Und die Mehrheit der Aktionäre auch.
Die Metro hat ihre Wurzeln im Ruhrgebiet. Die Duisburger Familie Haniel plant weiter den Komplettausstieg, während die Stiftungen der Gründerfamilien Beisheim und die Duisburger Schmidt-Ruthenbeck ihre Anteile an der Metro zuletzt sogar ausbauten. Wie konnte es zu den Differenzen mit den Haniels kommen?
Die Beisheim-Holding und die Stiftung Meridian sind in diesem Sommer sehr aktiv geworden und haben ihre Aktien gepoolt. Die beiden Gründergesellschafter haben die Transformation der Metro immer unterstützt – und im Übrigen haben sie nie nach einer hohen Dividende gerufen, wie teilweise verbreitet wurde. Zum neuen Haniel-Chef Thomas Schmidt habe ich ein sehr gutes Verhältnis, auch wenn das wohl nichts an seiner Entscheidung ändern wird, sich vom verbliebenen Aktienpaket an der Metro zu trennen.
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Herr Kretinsky bleibt mit rund 17 Prozent größter Aktionär der Metro. Sein Unternehmen EP Global Commerce beansprucht sogar einen Sitz im Aufsichtsrat. Wie kommen Sie jetzt mit Herrn Kretinsky zurecht?
Jede Begegnung, die ich mit Herrn Kretinsky hatte, war positiv und konstruktiv. Was die Neuausrichtung und Strategie der Metro angeht, sind wir inhaltlich sehr nah beieinander. Ich sehe eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit.
Erwarten Sie, dass Herr Kretinsky einen zweiten Versuch übernehmen wird, die Metro zu übernehmen?
Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Wir konzentrieren uns bei Metro darauf, unser Großhandelsprofil zu stärken. Und wenn wir von Großhandel sprechen, dann in einer ganz neuen Form.