Düsseldorf. . Der Metro-Digitalchef verrät, wie der Handelskonzern die Daten seiner Millionen Kunden nutzt und wie das Smartphone den Einkauf erleichtern wird.
In einem Labor in Düsseldorf entwickelt und testet der Handelskonzern Metro, wie Kunden künftig einkaufen werden. Mit Innovationschef Timo Salzsieder sprach Frank Meßing über Kassen ohne Schlangen und die Bedeutung des Smartphones im Laden.
Herr Salzsieder, eine Studie hat ergeben, dass der Handel beim Einsatz digitaler Technologien sehr zurückhaltend ist. Woran liegt das?
Timo Salzsieder: Die Akzeptanz der Kunden ist sehr unterschiedlich. In unseren Märkten in China ist es total normal, mit dem Handy zu bezahlen. Auch Frankreich und Tschechien sind da weit. Deutschland ist eine Ausnahme. Hier gibt es Ängste und Vorbehalte gegen digitale Modelle. Und viele Regularien wie die Datenschutzgrundverordnung, die technische Innovationen verlangsamen können.
Daten von vier Millionen Metro-Kunden
Wie digital tickt denn der Traditionskonzern Metro?
Wir sind recht weit und investieren eine Menge in die Digitalisierung. 1996 waren wir einer der Vorreiter, als wir ein digitales Data Warehouseaufgebaut haben, also eine Datenbank, die für Analysezwecke eingesetzt wird. Die Metro hat aber auch Nachholbedarf. Wir sind gerade etwa dabei, mobile Lösungen für unsere Kunden und Mitarbeiter zu entwickeln. Wer Zucker im Markt sucht, kann sich von der App leiten lassen.
Zu Ihrem größten Kapital gehören die Daten Ihrer Kunden, die Sie über die Metro-Karte haben.
Allein in Deutschland haben wir rund vier Millionen Kunden, die alle eine Kundenkarte besitzen. Das ist ein Riesenvorteil. Wir wissen, was, wo und wann die Menschen bei uns kaufen. Mit diesen Informationen können wir den Kunden individuelle Angebote und Preise machen. In Deutschland gehen wir wegen der strengen Gesetzgebung freilich sehr behutsam mit den Daten um. Im Ausland gibt es da ganz andere Möglichkeiten.
Amazon, Rewe und andere haben mit dem in Deutschland so sensiblen Online-Lebensmittelhandel begonnen. Wie weit ist die Metro?
Unsere Kunden können im Laden kaufen, aber auch online, per Fax oder Telefon bestellen. Im letzten Jahr gab es 3,4 Millionen Bestellungen, die über unseren Online-Shop eingingen und wir konnten mit unserem gesamten Belieferungsgeschäft 5,3 Milliarden Euro umsetzen. Die Zahl der Bestellungen wollen wir 2019 verdoppeln und sind dabei auf dem richtigen Weg: Derzeit liegen wir weltweit bei durchschnittlich 125.000 Online-Bestellungen pro Woche.
Individuelle Preise für die Kunden
Sie sprachen eben von individuellen Preisen. Werden sie Teil der neuen digitalen Einkaufswelt sein?
Das ist keine Zukunftsmusik mehr. Für unsere Kunden aus der Gastronomie und Hotellerie gibt es spezielle Preise, die sich an der jeweiligen Absatzmenge und anderen Kriterien orientieren. Wir sind davon überzeugt, dass wir damit Kunden an uns binden können.
In Düsseldorf haben Sie ein Labor eröffnet, in dem das Einkaufen der Zukunft entwickelt wird. Was kommt auf die Verbraucher zu?
Ein großes Thema ist die Augmented Reality. Kunden halten ihr Smartphone auf ein Produkt und erhalten darüber zusätzliche Informationen über Nährstoffe, Haltbarkeit und Lieferketten. In Tschechien haben wir bereits erfolgreich getestet, wie lange Warteschlangen an den Kassen vermieden werden können. Die Kunden fahren ihren befüllten Einkaufswagen einfach in eine „Wave“. Innerhalb von drei Sekunden sind die Preise aller Artikel darin erfasst und man kann bezahlen. Im Test wurden bereits 90 Prozent der Produkte richtig erfasst. Die Bilderkennung bietet ebenfalls spannende Möglichkeiten. So kann ein Kunde beispielsweise ein Produkt vor die Kamera halten und direkt alle nötigen Infos bekommen: Welche Nährwerte enthält das Produkt? Ist es ein Bio-Produkt? Und vieles mehr.
Mehr Service für die Kunden bei gleichzeitiger Automatisierung der Prozesse und scharfem Preiswettbewerb im Handel: Was macht Sie zuversichtlich, dass Investitionen in die Digitalisierung auch die Erlöse erhöhen werden?
Wenn wir diese Hoffnung nicht hätten, würden wir es nicht tun. Wir stehen in einer intensiven Wettbewerbssituation, in der wir mehr Service anbieten und unsere Prozesse durch digitale Lösungen optimieren müssen.
Über Software-Pakete will die Metro ihren Kunden in der Gastronomie künftig auch bei der Buchhaltung und dem Aufbau von Websites helfen. Erwächst da neben dem Großhandel ein völlig neuer Geschäftszweig?
In den Restaurants wird die Bestellung oft noch per Block und Bleistift aufgenommen. Wir wissen, dass viele Gastronomen teilweise gar keine Homepage haben und dass die Gestaltung ihrer Sortimente und Preise verbesserungswürdig ist. Dabei sollen unsere Angebote helfen. Wir stehen damit erst am Anfang. Die Akzeptanz unter den Gastronomen ist aber sehr hoch.
Gewähren Sie uns doch bitte einen Blick in Ihr Labor und Innovationen in ganz weiter Zukunft.
Wir können uns vorstellen, dass Drohnen die bestellten Lebensmittel zu den Kunden liefern werden. Das wird aber noch dauern. Und mittelfristig wird man gar nicht mehr aktiv bestellen müssen. Wenn die Schnitzel oder die Kartoffeln zur Neige gehen, kommt die Lieferung automatisch.