Duisburg. Der neue Haniel-Chef Thomas Schmidt verordnet dem Duisburger Familienunternehmen einen radikalen Umbau. 60 Stellen in der Holding fallen weg.

Thomas Schmidt hat erst gar nicht das Büro seines Vorgängers Stephan Gemkow bezogen. Der 48-Jährige will das Duisburger Traditionsunternehmen Haniel radikal umbauen und künftig bei seinen Mitarbeitern sitzen. Über die Neuausrichtung, die auch jede dritte Stelle in der Holding kosten soll, sprach Schmidt mit Frank Meßing.

Herr Schmidt, seit dem 1. Juli sind Sie Chef des Duisburger Traditionsunternehmens Haniel. Ihr Vorgänger Stephan Gemkow hat die massive Verschuldung zurückgefahren und Haniel breiter aufgestellt – mit Themen wie Matratzenstoffe und Fischverarbeitung. Wie ist Ihre Vision der künftigen Haniel-Gruppe?

Thomas Schmidt: Wir wollen nach 263 Jahren ein ganz neues Kapitel in der Haniel-Geschichte schreiben. Nach der erfolgreichen Konsolidierung in den vergangenen Jahren haben wir wieder den Freiraum für Wachstum. Wir wollen uns gezielt auf dem Markt umschauen und proaktiv Firmen übernehmen, die zu Haniel passen.

Wofür soll denn Haniel künftig stehen?

Die Familie ist immer wirtschaftlich vorausgegangen. Die Haniels waren die ersten, die Fettkohle gefördert haben und die mit der Metro in das Großmärkte-Geschäft eingestiegen sind. Wir waren immer ein Pionier und wollen auch künftig das mutige Unternehmertum pflegen.

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Dort, wo die Geschichte der Haniel-Gruppe vor 260 Jahren in Ruhrort begann, befindet sich heute ( 06.09.2019) das Haniel Museum: im historischen Packhaus. Auf drei Etagen erlebt der Besucher, wie sich das Familienunternehmen zur internationalen Unternehmensgruppe entwickelte. Zu sehen ist Marco Heckhoff (Teamleiter Geschichte) im historischen Kontor Foto: Ilja Höpping / FUNKE Foto Services
Von Marc Oliver Hänig (Texte)und Ilja Höpping (Fotos)

Welche Ziele haben Sie sich denn konkret gesetzt?

Eine siebenköpfige Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, Kultur, Portfolio und Strukturen des Unternehmens neu zu definieren. Dies war in verschiedene Arbeitspakete aufgeteilt, an denen auch Kolleginnen und Kollegen der Beteiligungen und selbst die Gesellschafter mitgewirkt haben. Jetzt geht es in die Umsetzung. Wir wollen Wert schaffen für die nächsten Generationen mit Geschäftsmodellen für eine lebenswerte Zukunft. Und das in den Themen People, Planet, Progress – also Menschen, Planet und Innovation.

Die über 700 Gesellschafter in der Familie Haniel haben aber auch wirtschaftliche Erwartungen.

Wir wollen mit unseren Geschäftsbereichen besser sein als der Kapitalmarkt. Erfolg heißt für uns, dass wir mittelfristig eine Rendite von neun Prozent erwirtschaften wollen. Zum Vergleich: Der Dax steht in einer solchen Betrachtung bei rund acht Prozent. Das heißt, wir wollen beim Wertzuwachs überdurchschnittlich

Vor seinem Aufstieg zum Haniel-Chef war Thomas Schmidt Geschäftsführer der Hygiene-Tochter CWS.
Vor seinem Aufstieg zum Haniel-Chef war Thomas Schmidt Geschäftsführer der Hygiene-Tochter CWS. © Morris Willner

abschneiden.

Wie wollen Sie dieses ambitionierte Ziel erreichen?

Haniel steht rund eine Milliarde Euro zur Verfügung, um in Unternehmen zu investieren. Das wollen wir in den drei benannten Feldern People, Planet und Progress tun, die sich aus den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und Megatrends wie Globalisierung, Urbanisierung, alternde Bevölkerung und Digitalisierung ergeben. In unseren drei Feldern fangen wir an, Unternehmen in den Bereichen Gesundheit Wohlbefinden, Kreislaufwirtschaft, Klimawandel sowie Robotik Automatisierung proaktiv anzusprechen. Mit 500 Millionen Euro wollen wir uns zudem sehr viel intensiver als bisher über Fonds an jungen Unternehmen beteiligen. Unser Invest in diesem Bereich liegt aktuell bei gerade einmal 47 Millionen Euro.

Schmidt strebt „einen möglichst sozialverträglichen Weg“ an

Geht die Neuaufstellung auch mit einem Arbeitsplatzabbau einher?

Wir streben eine flachere und agilere Führung an. Der Vorstand wird künftig bei den Mitarbeitern sitzen. Das ist ein deutliches Signal. Wir wollen aber auch unsere Holding in Ruhrort schlanker aufstellen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es wird hier einen Abbau von 180 auf 120 Stellen geben. Wir sind gerade mit dem Betriebsrat in Verhandlungen, um einen möglichst sozialverträglichen Weg zu gehen. Wir werden drei Investment-Teams haben, die gleichzeitig unsere Geschäftsbereiche steuern. Für die Akquirierung von Firmen in den von uns benannten Feldern brauchen wir neue Mitarbeiter mit anderen Kompetenzen. Es herrscht Einigkeit im Unternehmen, dass es ein Weiter-so bei Haniel nicht geben kann.

Das Mülheimer Nachbarunternehmen Tengelmann plant einen Neuanfang an neuem Ort. Ist das auch für Haniel eine Option?

Nein. Wir bleiben in Ruhrort und gehen damit aber auch bewusst den schwierigeren Weg. Duisburg ist unsere Heimat und das soll auch so bleiben. Jetzt geht es darum, das Unternehmen für die nächsten 100 Jahre fit zu machen.

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Wird es Ihre Digitalisierungs-Einheit Schacht One auf der Essener Zeche Zollverein weiter geben?

Die Kollegen von Schacht One haben extrem erfolgreich gearbeitet. Ihnen ist es gelungen, die digitale Sichtweise in unsere Unternehmen zu tragen. Das Konzept hat sich damit ein Stück weit überholt. Wir werden Schacht One in ein digitales Kompetenz-Center überführen, um den Wert in den Beteiligungen zu heben. Und dies mit einer kleineren Mannschaft. Ob das auf Zollverein oder in Ruhrort sein wird, wissen wir noch nicht.

Familie Haniel will Aufsichtsratsvorsitz aus der Hand geben

Sind weitere personelle Veränderungen in der Haniel-Gruppe geplant?

Franz M. Haniel hat sich dazu entschlossen, im Frühjahr 2020 sein Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender an Doreen Nowotne zu übergeben. Mit ihr wird damit erstmals eine Frau, die zudem nicht zur Familie gehört, das Unternehmen kontrollieren. Das ist eine sehr mutige Entscheidung der Familie.

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Herr Schmidt, der vollständige Verkauf der Anteile am Handelskonzern Metro ist nicht gelungen. Sind die verbliebenen 15,2 Prozent für Haniel Chance oder Bürde?

Das ist keine Bürde. Daniel Kretinsky hat weiterhin seine Call-Option, dieses Aktienpaket zu übernehmen. Wir gehen fest davon aus, dass es auch zum Tragen kommen wird.

In dem Fall müsste Herr Kretinsky ein neuerliches Übernahmeangebot für die Metro machen. Das hatten Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Familien Schmidt-Ruthenbeck und Beisheim zuletzt brüsk zurückgewiesen und es damit zum Scheitern gebracht. Warum setzt Haniel Vertrauen in den tschechischen Milliardär?

Herr Kretinsky ist ein kompetenter Gesprächspartner. Wir haben regelmäßig Kontakt und fühlen uns wohl in der Geschäftsbeziehung mit ihm. Haniel kann mit der Call-Option sehr gut leben.

Verraten Sie uns, wie lange diese Call-Option noch gilt?

Nein. Darüber haben wir Stillschweigen vereinbart.

Kann sich Haniel vorstellen, Großaktionär der Metro zu bleiben, sollte Herr Kretinsky nicht zugreifen?

Darüber denken wir gar nicht nach. Unsere Metro-Beteiligung ist für Haniel kein großes Thema.

Die Abspaltung der Ceconomy mit Media Markt und Saturn von der Metro hat das Unternehmen weiter in die Krise gestürzt. Steht das Haniel-Engagement auch hier zur Disposition?

Unsere Beteiligung an der Ceconomy ist von der Vereinbarung mit Herrn Kretinsky unberührt. Natürlich erwarten wir mehr Wertschöpfung bei Ceconomy. Aber: Media Markt und Saturn sind zwei tolle Marken. Das neue Führungsteam muss sich allerdings zuerst noch finden.