Bottrop/Essen. Die Kündigungen der RAG haben ein Nachspiel: Viele Bergleute wehren sich vor Gericht. Zwei RAG-Mitarbeiter schildern ihre Sicht der Dinge.
Ahmet Cöl kommt gerade von der Arbeit. Noch ist der 46-Jährige auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop beschäftigt, aber Ende des Jahres soll Schluss sein. Vor ein paar Wochen hat ihm die RAG die Kündigung geschickt – so wie etwa 200 anderen Beschäftigten auch.
Fast 30 Jahre ist Cöl im Unternehmen. Lange Zeit war er im Bergwerk Auguste Victoria in Marl beschäftigt. Seit 2016 ist er als Hauer unter Tage in Bottrop. Enttäuscht wirkt Cöl – und verbittert. Er sagt Sätze wie: „Ich traue der Ruhrkohle, soweit ich spucken kann, und ich kann nicht weit spucken.“ Andererseits beteuert er: „Ich möchte weiter bei der RAG arbeiten.“
RAG kündigt 200 Mitarbeiter – die wollen sich wehren
Betriebsbedingte Kündigungen galten im Steinkohlenbergbau jahrzehntelang als Tabu. Dass niemand „ins Bergfreie fallen“ soll, diente beim Abbau Tausender Arbeitsplätze als Richtschnur. Was also ist passiert?
„Leider haben rund 200 Beschäftigte alle Lösungen abgelehnt – einschließlich des Angebots, direkt von Arbeit in Arbeit vermittelt zu werden“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft RAG-Stiftung, bei der Bilanzvorlage Anfang Juni.
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Es gebe „in mehr als ausreichender Anzahl“ Jobangebote außerhalb der RAG. „Diese Beschäftigten wollen sich allerdings auf Arbeitsplätze ihrer Kolleginnen und Kollegen einklagen“, daher sei der RAG „keine andere Wahl“ geblieben, als Kündigungen auszusprechen.
Zweifel an Stellenvermittlungen der RAG
Ahmet Cöl bestreitet diese Darstellung. Es stimme nicht, dass er geeignete Stellenangebote von der RAG erhalten habe. Er sei auf Jobbörsen des Unternehmens gewesen, berichtet er. Eine adäquate Stelle sei für ihn nicht dabei gewesen.
Ähnlich äußert sich Thomas Hoffmann, ein 50-jähriger Maschinen-Steiger, der momentan über Tage an den Schächten von Prosper-Haniel arbeitet. Auch Hoffmann hat eine Kündigung für Ende Dezember erhalten. „Meine Arbeit wird nach wie vor gebraucht“, sagt Hoffmann. „Ich hätte mir niemals vorstellen können, betriebsbedingt gekündigt zu werden.“
RAG will Belegschaft erheblich verkleinern
Die Belegschaft der RAG soll in den kommenden Jahren erheblich kleiner werden. Ende vergangenen Jahres waren Unternehmensangaben zufolge noch 3400 Menschen im Betrieb beschäftigt.
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Bis Ende 2019 soll die Zahl der Mitarbeiter auf weniger als 2200 sinken. Spätestens ab 2022 sind für die Tätigkeiten rund um die sogenannten Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus nur noch 470 Arbeitsplätze eingeplant.
Gespräche mit dem AfD-Abgeordneten Guido Reil
„Die RAG hat sich diejenigen rausgepickt, die sie haben möchte“, bemängelt der Rechtsanwalt Daniel Kuhlmann, der eigenen Angaben zufolge rund 140 Betroffene vertritt, darunter Cöl und Hoffmann. Zahlreiche RAG-Beschäftigte hätten keine oder keine adäquaten Jobangebote erhalten, sagt der Jurist, der eine Reihe von Kündigungsschutzklagen auf den Weg gebracht hat.
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Einige der Betroffenen haben unlängst in Düsseldorf demonstriert. Vor dem Landtag trafen sie Vertreter der AfD, darunter der Essener SPD-Aussteiger und Europaabgeordnete Guido Reil. Für diesen Mittwoch ist eine Fahrt nach Brüssel zum Europaparlament geplant. Auch Reil soll wieder dabei sein. „Die AfD hat uns die Hand gereicht“, sagt der türkisch-stämmige Ahmet Cöl. „Daher haben wir dankend angenommen.“ Von ihrer Gewerkschaft IGBCE zeigen sich Cöl und Hoffmann bitter enttäuscht.
Brief an den Anwalt aus der NRW-Staatskanzlei
Kuhlmann stellt die Lage so dar, als seien die Beschäftigten vom Unternehmen, der IGBCE und den Parteien CDU und SPD im Stich gelassen worden. „Unser Ministerpräsident Armin Laschet ließ über den Chef der Staatskanzlei mitteilen, er ermuntere unsere Mandanten, die Angebote der RAG anzunehmen“, schreibt Kuhlmann auf seiner Website.
Auch Laschets Vorgängerin Hannelore Kraft habe Kuhlmann „in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, sie sei nun im Aufsichtsrat der RAG AG und dort müsse sie sich neutral verhalten“.
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Die Gewerkschaft IGBCE weist den Vorwurf, sie engagiere sich zu wenig, entschieden zurück. „Gemeinsam tun wir ja immer noch alles, auch die letzten Mitarbeiter in neue Arbeit zu vermitteln – in gut bezahlte Jobs in anerkannten Unternehmen der Region“, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis dem RAG-Mitarbeitermagazin. „Davon können Mitarbeiter in anderen Branchen nur träumen.“
Gewerkschaftschef: Auch die Mitarbeiter tragen Verantwortung
Es gebe nicht nur eine Bringschuld. „Jeder Mitarbeiter trägt auch für sich und seine Familie Verantwortung.“ Es sei klar, dass bei der RAG kein Bergbau mehr betrieben werde. „Und nicht alle kommen in der Bearbeitung der Bergbaufolgen unter.“
Thomas Hoffmann widerspricht: „Es ist nicht wahr, dass für uns keine Arbeit mehr da ist“, sagt er. „Die wollen uns einfach nur loswerden.“