Beim Abbau von 2000 Stellen im Kaufhof wird es kaum betriebsbedingte Kündigungen geben, so der Betriebsrat. Die Mitarbeiter gehen freiwillig.
Essen. Die Kaufhof-Mitarbeiter lassen es sich am Freitag nicht nehmen, bei den Warnstreiks für höhere Gehälter im Einzelhandel in Düsseldorf vornweg zu marschieren. Dabei stecken sie gerade mitten im größten und schmerzhaftesten Umbruch, den der traditionsreiche Warenhauskonzern in seiner 140-jährigen Geschichte gesehen hat. Der bisherige Eigentümer Hudson’s Bay Company (HBC) wirtschaftete den Kaufhof in nur drei Jahren tief in die roten Zahlen. Der neue Eigentümer, die Signa Holding, will das Unternehmen nach der Fusion mit Karstadt sanieren und rund 2000 Stellen abbauen.
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Wäre es nach Stephan Fanderl, dem Chef des neu gezimmerten Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof gegangen, würden 2600 Vollzeit-Arbeitsplätze beim Kaufhof verschwinden. Die Zahl hatte das Unternehmen im Januar veröffentlicht. Der Betriebsrat hat für seine Kolleginnen und Kollegen beim Kaufhof nach eigenen Angaben einiges herausgeholt. Vor dem Abschluss des Sozialplans im Mai hatte die Arbeitnehmerseite nach eigenen Berechnungen mehr als 1800 betriebsbedingte Kündigungen ab dem 15. Juli befürchtet.
Es gehen mehr Beschäftigte als erforderlich
Inzwischen ist sie deutlich optimistischer: „Ich gehe davon aus, dass wir die Zahl der Kündigungen stark minimieren können. Für viele Standorte wird die Zahl bei Null liegen“, sagt der Kaufhof-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Zysik erleichtert. Der Konzern habe sich darauf eingelassen, dass auch die bereits seit dem Vollzug der Fusion im vergangenen Herbst ausgeschiedenen Mitarbeiter auf die Zahl der abzubauenden Stellen angerechnet werden. Da nun offenbar viele Mitarbeiter die im Sozialplan angebotenen Prämien für ein freiwilliges Ausscheiden nehmen, zeichne sich ab, dass sogar mehr Beschäftige gehen als erforderlich, sagt Zysik. Das Unternehmen reagierte auf mehrere Anfragen dieser Redaktion zum Sozialplan, zum Stand des Personalabbaus und zur allgemeinen Lage des Kaufhaus-Konzerns nicht.
Das Vertrauen der Kaufhof-Belegschaft in die neue Geschäftsführung, heißt es aus Gewerkschaftskreisen, sei nicht sehr groß. Fanderl wolle dem Kaufhof das System Karstadt einfach nur überstülpen. „Es bedarf eines Konzepts für die Zukunft der Warenhäuser. Allein mit Kostensenkung und Sparmaßnahmen ist das Unternehmen nicht zu sanieren“, kritisiert Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei der Gewerkschaft Verdi. „Umsatzsteigerungen sind nur mit mehr anstatt weniger Personal auf der Fläche zu erreichen.“
Karstadt-Mitarbeiter verdienen 11,6 Prozent weniger
Akman spricht von „Tarifflucht“. Im Januar hatte Unternehmenschef Fanderl den unverzüglichen Ausstieg des Kaufhofs aus der Tarifbindung angekündigt. Seither sorgen sich die Mitarbeiter nicht nur um ihre Jobs, sondern auch um ihre Gehälter, die bei Karstadt nach Verdi-Angaben bereits um 11,6 Prozent niedriger liegen. Zum einen wegen der bei Karstadt schon seit Jahren fehlenden Tarifbindung. Zum anderen hat Karstadt sein Personal in den Filialen in drei Gruppen eingeteilt: die Verkäufer mit Beratungsfunktion für die Kunden, Kassierer und sogenannte Verräumer, die dafür sorgen, dass etwa Regale aufgefüllt werden. Während Verkäuferinnen und Kassiererinnen in NRW ab dem sechsten Berufsjahr einen Stundenlohn von 15,87 Euro erhalten, müssen sich Verräumer nach Verdi-Angaben mit unter elf Euro zufrieden geben.
Verräumer, Verkäufer und Kassierer
„Die Funktionstrennung in Verräumen, Kassieren und Verkaufen hat schon bei Karstadt nicht funktioniert“, meint Kaufhof-Betriebsratschef Zysik. „Wir bezweifeln, dass dieses nicht zukunftsweisende Modell bei Kaufhof Entlastung bringen wird. Wir werden uns verschlechtern.“ Denn Hauptwettbewerber der Warenhäuser, meinen Handelsexperten, seien Online-Riesen wie Amazon oder Zalando. Stationäre Anbieter könnten gerade durch Beratungskompetenz und Einkaufserlebnis punkten. In Gewerkschaftskreisen runzelt man die Stirn, dass Galeria Karstadt Kaufhof Amazon nun auch noch ins Haus hole, indem man Paketabholstationen des US-Riesen aufstelle.
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Dafür schließe der neue Besitzer wie schon seine Vorgänger weitere Lebensmittelabteilungen, nun etwa in Düsseldorf-Wehrhahn, die bislang Kundenmagneten gewesen seien. In Essen hatte der Lebensmittelmarkt im Untergeschoss des Kaufhofs bereits 2014 geschlossen. An der Stelle eröffnet in wenigen Tagen ein Asia-Markt. In Duisburg will Karstadt die Premium-Lebensmittelabteilung Ende November schließen und die Fläche an Aldi Süd vermieten – so wie im Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum bereits im Herbst 2017 geschehen. Dabei hatte selbst Unternehmenschef Fanderl vor wenigen Tagen in einer Erklärung unterstrichen: „Wir sehen Lebensmittel für unsere zusammenwachsende Warenhausgruppe nicht nur als wichtigen Frequenzbringer, sondern zusammen mit der Gastronomie auch als starkes Wachstumsfeld.“
Kaufhof-Zentrale in Köln vor dem Aus
Kaufhof-Betriebsratsvorsitzender Zysik geht davon aus, dass bundesweit in allen Kaufhof-Filialen Stellen wegfallen werden. In Duisburg etwa sollen es acht sein, in Essen bis zu zehn. Die größten Einschnitte zeichnen sich aber in der Kölner Kaufhof-Zentrale ab. Sie soll nach Zysiks Angaben Ende des Jahres geschlossen werden. Von den einst 1500 Beschäftigten blieben an anderer Stelle in Köln „nur noch Fragmente bei den Töchtern Lebensmittel, Gastronomie und Onlineshop“. Der Betriebsrat: „Wir haben immerhin erreicht, dass sich die Kölner Kollegen auf die 400 Stellen, die in der Essener Karstadt-Zentrale zusätzlich geschaffen werden, bewerben können.“