Essen. Verdi befürchtet, dass mehr Mitarbeiter gehen als die geplanten 1000. Auch in Essen fragen viele nach der Abfindung. Warnstreik auch am Samstag.

Kollegen mit Tränen in den Augen sieht Ulrich Bartel zurzeit häufiger im Essener Kaufhof. Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz wechseln sich ab mit dem Trennungsschmerz, wenn wieder eine Kollegin oder ein Kollege hinwirft, die Abfindung nimmt – und geht. Und: „Es ist erschreckend, wie viele gehen wollen“, sagt Betriebsratschef Bartel.

Die in Schieflage geratene Kaufhauskette wurde im vergangenen Jahr vom Konkurrenten Karstadt übernommen, der selbst eine harte Sanierung hinter sich hat. Die 94 Kaufhof-Filialen stehen nun ebenfalls vor einem Stellenabbau: Rund 1000 Arbeitsplätze sollen wegfallen.

Turboprämie für schnelles freiwilliges Ausscheides

Ein zwischen Management und Betriebsrat ausgehandelter Sozialplan enthält diverse Anreize für ein freiwilliges Ausscheiden, um Kündigungen möglichst zu vermeiden. Wer sofort geht, erhält eine etwas höhere Abfindung. Diese Turboprämie liegt freilich mit 0,6 Monatsgehältern für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit nur minimal über der gesetzlichen Mindestabfindung für ein freiwilliges Ausscheiden von 0,5. Trotzdem würden derzeit „viele fragen, rechnen und überlegen“, ob sie die Prämie nehmen, sagt Bartel. Und dass „jeder Einzelne, der geht, uns hier fehlen wird.“

Entscheiden müssen sie sich laut Sozialplan bis zum 30. Juni, um die Turboprämie zu erhalten. Danach gibt es noch bis 12. Juli 0,55 Monatsgehälter pro angefangenem Betriebsjahr, anschließend nur noch 0,5.

Karstadt/Kaufhof-Chef Stephan Fanderl.
Karstadt/Kaufhof-Chef Stephan Fanderl. © Foto: Kai Kitschenberg

Dass mehr Mitarbeiter gehen wollen als gehen sollen, kann Bartel für Essen noch nicht bestätigen, er habe es aber von Kollegen aus anderen Häusern so gehört. In Essen sollen zehn der 108 Arbeitsplätze abgebaut werden – auf der Abteilungsleiter-Ebene wie im Verkauf.

Orhan Akman, bei der Gewerkschaft Verdi Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel, hat diese Sorge durchaus. „Wenn die Unternehmensleitung nicht will, dass mehr Leute gehen als ihr lieb ist, sollte sie Ihnen zügig erklären, wie sie die Warenhäuser wieder erfolgreich machen und dabei die Mitarbeiter einbinden will“, sagte er dieser Zeitung.

Denn daran zweifelten viele und schauten sich nach Alternativen um, bestätigt der Essener Betriebsrat Bartel. Dass der Arbeitsmarkt derzeit durchaus Alternativen biete, verstärke diesen Trend. Zahlen über Auflösungsverträge gibt es noch nicht, die Fristen laufen noch.

Nach der Übernahme von Karstadt durch den österreichischen Immobilien-Investor René Benko vor fünf Jahren brachte der Handelsmanager Stephan Fanderl die Essener Kaufhauskette mit einer harten Sanierung und Neuausrichtung binnen drei Jahren aus den roten Zahlen heraus. Dies will er nun auch mit Kaufhof schaffen, dabei ebenfalls zunächst an den Personalkosten sparen, Verdi berichtete von 70 Millionen Euro jährlich. Kaufhof sei ansonsten „nicht überlebensfähig“, hatte Fanderl im Januar erklärt, als er Kaufhof aus der Tarifbindung nahm. Derzeit verdienen Kaufhof-Beschäftigte laut Verdi rund zwölf Prozent mehr als ihre Kollegen bei Karstadt.

Kaufhof-Mitarbeiter streiken wohl auch am Samstag

Am Freitag folgten laut Betriebsrat fast alle Kaufhof-Mitarbeiter in Essen dem landesweiten Verdi-Aufruf zum Warnstreik im Rahmen der laufenden Tarifrunde im NRW-Einzelhandel. Für höhere Tariflöhne dürfen sie mangels Tarifbindung nicht mehr streiken, weshalb sie für sie die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge ihre Arbeit niederlegten und voraussichtlich auch an diesem Samstag niederlegen.

Karstadt/Kaufhof reagierte auf eine Anfrage dieser Redaktion zum Stand des Sozialplans nicht.