Essen. . Thyssenkrupp ist an der Börse auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gefallen. Die Unsicherheit ist groß. Rufe nach einem „Plan B“ werden laut.
Thyssenkrupp gerät an der Börse zunehmend unter Druck. Am Donnerstag fiel die Aktie des Essener Traditionskonzerns auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren. „Der Aktienkursverfall ist besorgniserregend“, sagte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Tiefpunkt war zwischenzeitlich mit 11,17 Euro erreicht. Über ein Jahr betrachtet summierte sich das Kursminus der Thyssenkrupp-Aktie auf rund 50 Prozent.
Unsicherheit herrscht aktuell angesichts von Spekulationen über ein mögliches Scheitern der geplanten Stahlfusion mit dem indischen Konzern Tata. Die britische „Financial Times“ hatte unter Berufung auf Insider berichtet, eine Untersagung der Pläne zur Stahlfusion durch die EU-Wettbewerbskontrolleure werde wahrscheinlicher, es sei denn, Thyssenkrupp und Tata würden mehr Zugeständnisse machen.
„Bringt es uns um, wenn es nicht stattfindet? Nein“
Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff hatte unlängst bei einem Auftritt vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung die Bedeutung eines möglichen Scheiterns der Stahlfusion relativiert. „Bringt es uns um, wenn es nicht stattfindet? Nein“, sagte Kerkhoff. Ein mögliches Veto der europäischen Wettbewerbshüter zu den Plänen mit Tata gefährde in keiner Weise die angestrebte Zweiteilung des Konzerns, bei der das Stahl- vom Industriegeschäft getrennt werden soll. Entstehen sollen dabei zwei selbstständige Unternehmen: Thyssenkrupp Materials (TKM) und Thyssenkrupp Industrials (TKI).
Geplant ist, dass der Konzern TKM vorübergehend an TKI beteiligt wird. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vermutet, ohne die Stahlfusion ginge TKM bilanziell deutlich geschwächt in die historische Firmenteilung. Um dies aufzufangen, müsse die Beteiligung von TKM an TKI höher ausfallen als ohnehin geplant. Bislang war von einer sogenannten Rückbeteiligung in Höhe von bis zu 30 Prozent die Rede. Schon damit würden die Anteile der Thyssenkrupp-Aktionäre am künftigen Industrials-Konzern mit seiner lukrativen Aufzugsparte deutlich verwässert.
„Noch mal eine Grundsatzdebatte“
Die FAZ berichtet, auch die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz sei laut Insidern noch nicht von den Plänen überzeugt. Bei einem Treffen des Aufsichtsrats am 21. Mai werde es wohl „noch mal eine Grundsatzdebatte geben“, heißt es.
„Bei der Aufspaltung ist nicht klar, was sie bringen soll“, sagt auch Thomas Hechtfischer. „Sie kostet viel, führt aber nicht automatisch zu besseren operativen Geschäften.“ Schätzungsweise fast eine Milliarde Euro könnte die Konzernteilung angesichts von Aufwendungen für Steuern, Berater und Anwälte kosten. Andererseits will Thyssenkrupp im Zuge des Neustarts stille Reserven heben.
Am kommenden Dienstag (14. Mai) legt Konzernchef Kerkhoff die Zahlen zum ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2018/19 vor. Dabei werde sich der Blick vor allem darauf richten, „wie sich die Problemsparten, die Autozuliefersparte und der Maschinenbau, entwickeln“, vermutet Hechtfischer.
Investoren sehen Spaltungspläne kritisch
„Der Aktienkurs zeigt deutlich, dass die Anleger dem eingeschlagenen Weg nicht vertrauen“, urteilte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment bereits zu Wochenbeginn, als Thyssenkrupp an der Börse auf ein Sieben-Jahres-Tief gefallen war. In der Liste der Dax-30-Unternehmen ist Thyssenkrupp das Unternehmen mit dem geringsten Börsenwert. Die Marktkapitalisierung ging am Donnerstag auf rund 7,3 Milliarden Euro zurück. „Eine Spaltung sehen wir eher kritisch“, sagte Speich. „Die Nachteile würden überwiegen. Die Doppelstrukturen werden nicht zu einer deutlichen Kostenentlastung führen.“
Analysten der Bank of America legen dem Thyssenkrupp-Management bereits nahe, einen „Plan B“ zu entwickeln, um den Wert der Aufzugsparte zu heben.