Essen. . Der Fahrplan für die Aufspaltung des Essener Traditionskonzerns Thyssenkrupp steht weitgehend. Spannung vor der Hauptversammlung in Bochum.
Es ist ein historischer Einschnitt für Thyssenkrupp: Aus einem Unternehmen werden zwei. Bis es so weit ist, gehen zwar noch Monate ins Land. Doch schon jetzt steht der Fahrplan für die Teilung weitgehend. In diesem Jahr soll es Klarheit zum Management sowie zu den Strategien und Strukturen des Konzerns geben.
Wenn sich die Aktionäre von Thyssenkrupp am Freitag kommender Woche zur Hauptversammlung in Bochum treffen, gehört der offizielle Teilungsbeschluss noch nicht zur Tagesordnung. Erst Anfang 2020 sollen die Anteilseigner über den Neuanfang des Essener Traditionskonzerns abstimmen. Doch wichtige Entscheidungen fallen voraussichtlich schon in naher Zukunft. So soll der mit Kapital- und Arbeitnehmervertretern besetzte Aufsichtsrat schon im Frühjahr dieses Jahres das Management der beiden künftigen Thyssenkrupp-Konzerne ernennen. Dann dürfte auch klar sein, welche Rolle der amtierende Konzernchef Guido Kerkhoff übernimmt.
„Keiner wird dem anderen reinreden können“
Entstehen sollen zwei voneinander getrennte Unternehmen: Thyssenkrupp Materials mit rund 40.000 Beschäftigten und den Sparten Stahl, Werkstoffhandel und Marine – und Thyssenkrupp Industrials mit etwa 90.000 Mitarbeitern und Geschäften rund um Aufzüge, Autoteile und den Anlagenbau.
Schon kurz nach der Hauptversammlung – am 12. Februar – will der Konzern die künftigen Führungsmodelle und die neue Organisationsstruktur bekanntgeben. „Beide Unternehmen werden unabhängig sein, keiner wird dem anderen reinreden können“, betonte Kerkhoff unlängst.
Beschlüsse zur Finanzstruktur im Mai
Wichtige Entscheidungen könnten bei einer Aufsichtsratssitzung Ende Januar vor der Hauptversammlung fallen. Im Mai sollen die Beschlüsse zur Strategie der neuen Konzerne sowie den „Eckpfeilern der Transaktions- und Finanzstruktur“ folgen. Dann entscheidet sich voraussichtlich, wie Schulden und Pensionsverpflichtungen auf die beiden Thyssenkrupp-Unternehmen verteilt werden.
Geplant ist zudem, dass der Materials-Konzern zunächst mit einem großen Aktienpaket an der Industrials AG beteiligt sein soll. Die Höhe des Anteils ist indes noch unbekannt. Spekulationen zufolge soll es um rund 30 Prozent gehen. Damit würde sich der Anteil der bisherigen Thyssenkrupp-Aktionäre am Industrials-Konzern spürbar verringern. Rechtsnachfolger von Thyssenkrupp soll Materials mit dem Stahlgeschäft werden. Hier zumindest bliebe die Anteilsstruktur mit den beiden Großaktionären Krupp-Stiftung und Cevian unverändert.
Thyssenkrupp will stille Reserven heben
Durch die Teilung wird sich die Bilanz von Thyssenkrupp aller Voraussicht nach deutlich verbessern. Der Grund dafür sind insbesondere stille Reserven im Aufzugsgeschäft, die Thyssenkrupp heben will. „Bislang steht das Geschäft mit etwa 1,5 Milliarden Euro in der Bilanz. In der abzuspaltenden Thyssenkrupp Industrials AG ließe sich der Wert auf bis zu 14 Milliarden Euro ansetzen“, schreibt das „Manager Magazin“.
Die Kosten für die Abspaltung – insbesondere Steuern und Beraterkosten – könnten hingegen nahezu eine Milliarde Euro erreichen. „Wenn die Abspaltung rund eine Milliarde Euro kosten wird und man das als Investition betrachtet, wann rechnet sich das und wieso?“, fragt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Für den 1. Oktober ist der operative Start der beiden Unternehmen geplant – zeitgleich mit der Präsentation der Marken von Industrials und Materials. Im November will Thyssenkrupp den offiziellen „Spaltungsbericht“ vorlegen. Erst danach soll die Hauptversammlung entscheiden.
„Es dürfte ein schwieriges Jahr werden“
„Für Thyssenkrupp dürfte es ein schwieriges Jahr werden“, urteilt DSW-Geschäftsführer Hechtfischer. In den vergangenen Monaten seien Probleme in vielen Sparten aufgetaucht. „Beim Anlagenbau, im Aufzug- und Autogeschäft sowie durch die Kartellproblematik im Stahlbereich kam einiges zusammen“, sagt er. „Diese Probleme werden durch die Teilung von Thyssenkrupp nicht gelöst.“
Hechtfischer fügt aber auch hinzu: „Bessere Alternativen als die Abspaltung sehen wir derzeit nicht.“ Die neue Strategie sei einstimmig vom Aufsichtsrat gebilligt worden, betont der Aktionärsvertreter. „Erst dadurch war es möglich, die Chaostage bei Thyssenkrupp zu beenden und die dringend notwendigen Personalentscheidungen zu treffen, um die Lücken im Vorstand und Aufsichtsrat zu schließen. Jetzt muss es wieder vorangehen.“
US-Investor Elliott schrieb Brief an Kerkhoff
Den US-Investor Elliott überzeugen die Spaltungspläne angeblich nicht. Es sei zweifelhaft, ob es die erhofften positiven Effekte gebe, schrieb Elliott einem Insider zufolge im Dezember in einem Brief an Konzernchef Kerkhoff. Elliott hält allerdings weniger als drei Prozent der Thyssenkrupp-Aktien. Der Großaktionär Cevian hingegen unterstützt Kerkhoffs Vorhaben.
In die Aktionärsstruktur von Thyssenkrupp ist in den vergangenen Monaten Bewegung gekommen. Mit dem US-Investor Harris, dem Singapur-Staatsfonds GIC und dem US-Investmentriesen Blackrock haben mehrere Großaktionäre gesetzliche Meldeschwellen überschritten. Demnach hält Harris mittlerweile mehr als fünf Prozent der Thyssenkrupp-Aktien. Wie GIC erreicht auch Blackrock mehr als drei Prozent. Die beiden größten Aktionäre sind die Essener Krupp-Stiftung (21 Prozent) und der schwedische Finanzinvestor Cevian (rund 18 Prozent).