Essen. . Mit der Zweiteilung des Konzerns könnte der Großaktionär Krupp-Stiftung Vorteile wie das Entsenderecht für den Aufsichtsrat verlieren.
Um die Macht seiner Stiftung bei Thyssenkrupp abzusichern, hat Berthold Beitz eine bundesweit einzigartige Konstruktion ausgeheckt. So ist über die Satzung des Unternehmens seit geraumer Zeit sichergestellt, dass die Krupp-Stiftung in den entscheidenden Momenten ihren Einfluss geltend machen kann. Doch das von Beitz erdachte Bollwerk könnte bröckeln, wenn es zur Zweiteilung des Essener Konzerns kommt. Denn es gilt als fraglich, dass der Stiftung in beiden geplanten Unternehmen ein Entsenderecht für Aufsichtsräte zukommt, wie es derzeit bei Thyssenkrupp existiert.
Den Plänen von Vorstandschef Guido Kerkhoff zufolge sollen zwei unabhängige Konzerne entstehen: Thyssenkrupp Materials mit 40 000 Beschäftigten und Geschäften rund um Stahl, Werkstoffhandel und Marine auf der einen Seite, auf der anderen Thyssenkrupp Industrials mit 90 000 Mitarbeitern und den Sparten Aufzüge, Autoteile und Anlagenbau.
Schrumpfendes Aktienpaket
Rechtsnachfolger von Thyssenkrupp soll der Bereich Materials werden. Der Teil Industrials wird abgetrennt und erhält eine veränderte Eignerstruktur: Der Anteil der bisherigen Aktionäre verringert sich. Ist die Stiftung aktuell mit rund 21 Prozent an Thyssenkrupp beteiligt, könnte das Aktienpaket bei Industrials dem Vernehmen nach auf etwa 15 Prozent schrumpfen. Denn auch die künftige Thyssenkrupp-Schwester Materials soll Anteile halten – allerdings nur zeitlich befristet.
Die gemeinnützige Krupp-Stiftung – das Vermächtnis des letzten persönlichen Inhabers der Firma, Alfried Krupp – verfügt derzeit im Vergleich zu Aktionären wie dem Finanzinvestor Cevian über Vorteile wie das in der Konzern-Satzung festgeschriebene Entsenderecht für Aufsichtsräte. Der Machtabsicherung dient: Gegen den Willen der Stiftung lässt sich die Satzung derzeit nicht ändern, denn mit ihrem bestehenden Aktienbesitz hat sie auf Hauptversammlungen faktisch eine Verhinderungsmehrheit.
Beim aktuellen Anteilsbesitz darf die Stiftung zwei Mitglieder direkt in den Aufsichtsrat entsenden. Wenn es um wichtige Entscheidungen wie Fusionen, Firmenverkäufe oder Übernahmen geht, erreichen die Stiftung und die Arbeitnehmervertreter gemeinsam eine Mehrheit in dem Konzerngremium. Die Kombination aus Satzung und Entsenderecht gilt als Garant für den Erhalt von Thyssenkrupp.
Rechtsnachfolger und Abspaltung
Zwar wird das Entsenderecht beim Thyssenkrupp-Rechtsnachfolger Materials voraussichtlich bestehen bleiben, doch dürfte die Sache beim neuen Industrials-Konzern anders aussehen – schon aufgrund des niedrigeren Anteils der Krupp-Stiftung. Mit einem Wegfall des Entsenderechts könnte die Stiftung mit ihrer Chefin Ursula Gather spürbar an Einfluss verlieren.
Der Konzernpatriarch Beitz starb vor fünf Jahren, wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag. Nach seinem Tod wählte das Stiftungskuratorium die Professorin an die Spitze. Gather, im Hauptberuf Rektorin der TU Dortmund, hat sich für die Zweiteilung von Thyssenkrupp ausgesprochen. „Dieser Vorschlag besitzt eine überzeugende industrielle Logik“, sagte sie. Im Umfeld der Krupp-Stiftung wird betont, es gebe noch keine Entscheidung zum Entsenderecht. Die Stiftung werde darauf achten, dass ihre Interessen gewahrt bleiben.
Hoffen auf höhere Dividenden
Um ihren satzungsgemäßen Auftrag zu erfüllen, ist die Krupp-Stiftung auf die Dividenden des Konzerns angewiesen. Ihre Aufgabe ist es, die Erträge aus dem Unternehmen für gemeinnützige Zwecke in den Bereichen Wissenschaft, Erziehung und Bildung, Gesundheitswesen, Sport und Kultur zu verwenden.
Doch in den vergangenen fünf Jahren fiel die Dividende zweimal aus. Verbunden mit der Zweiteilung von Thyssenkrupp ist auch die Hoffnung auf bessere wirtschaftliche Ergebnisse, womit in Zukunft wieder mehr Geld in die Stiftungskasse fließen könnte.