Essen. . Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather unterstützt die Pläne für die Thyssenkrupp-Teilung. Es gebe keine Bestandsgarantie für die Konzernstruktur.

Die Reparatur geschädigter Erbsubstanz – so lautet das zentrale Thema von Julian Stingele, der in diesem Jahr den Förderpreis der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung erhält. Seit 1986 verleiht die Thyssenkrupp-Großaktionärin, die auf dem Gelände der Essener Villa Hügel residiert, die mit einer Million Euro dotierte Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler. Auch Ursula Gather, die heute Stiftungschefin ist, gehört zu den Preisträgern. Wohlgemerkt: Wenn sich Stingele mit Erb­substanz befasst, geht es um die Krebsforschung und Therapien in der Medizin, nicht etwa um das unternehmerische Vermächtnis des letzten persönlichen Firmeninhabers Alfried Krupp, dessen Vermögen mit seinem Tod im Juli 1967 auf die Stiftung überging.

Mit einer Beteiligung von rund 21 Prozent ist die Essener Stiftung heute die größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp. Als Aufsichtsratsmitglied spielt Ursula Gather eine wichtige Rolle, wenn es um die Zukunft des Unternehmens mit weltweit mehr als 160.000 Mitarbeitern geht. Seit ihrer Gründung sieht sich die Stiftung dem Willen Alfried Krupps verpflichtet, die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren. Entsprechend erklärungsbedürftig ist die geplante Zweiteilung des Konzerns.

Keine Bestandsgarantie für die aktuelle Struktur

Ursula Gather indes stellt sich klar hinter das Konzept des neuen Vorstandschefs Guido Kerkhoff. „Unter den Bedingungen globalisierter Finanzmärkte und rascher technologischer Veränderungen kann niemand eine Bestandsgarantie für ein Unternehmen in seiner jeweils aktuellen Struktur geben“, sagt Gather während der Förderpreis-Verleihung in der Villa Hügel. Einsetzen könne man sich aber dafür, dass „kurzfristige Spekulationen auf Rendite“ nicht zerstören, was durch langjährige Arbeit erreicht worden sei, sagt sie. „Genau dies tut die Stiftung. In ihrer Satzung heißt es: Sie möge darauf achten, die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren und vor allem seine Entwicklung zu fördern. Dieser zweite Teil geht leider in der öffentlichen Darstellung oft verloren“, betont die Stiftungschefin. „Dabei hat er Vorrang.“

Angesichts des 50-jährigen Bestehens der Stiftung scheint es Ursula Gather wichtig zu sein, einige grundsätzliche Anmerkungen zur Rolle der Thyssenkrupp-Ankeraktionärin zu machen. Als zentrale Ziele nennt sie „das Wohl des Unternehmens“, dessen Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt zukunftsfähiger Arbeitsplätze. „Wer daran zweifelt oder unsere ­Loyalität in Abrede stellt, kennt die Geschichte und die Haltung der Stiftung nicht“, sagt sie. Mit Blick auf die geplante Teilung des Unternehmens hebt Gather hervor, der Konzern habe auch in den vergangenen 50 Jahren „viele Wandlungen vollzogen“: Käufe, Verkäufe und Fusionen habe es einige gegeben. „Der unternehmerische Geist, die Verantwortung für das Unternehmenswohl, die darin zum Ausdruck kamen und kommen, waren allerdings von Beginn an da und haben sich bis heute erhalten.“

Unabhängig und gemeinnützig

Jahrzehntelang hat Berthold Beitz als Stiftungschef den Konzern geprägt. Nachdem Beitz vor fünf Jahren – wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag – starb, wählte das Stiftungskuratorium Ursula Gather an die Spitze. Die Professorin, die im Hauptberuf Rektorin der TU Dortmund ist, betont, die Krupp-Stiftung habe stets „Traditionen gewahrt und sich modernisiert“. Im Jahr 1968 habe sie ihre Tätigkeit aufgenommen, als Studenten revoltierten. Über den eisernen Vorhang hinweg habe sie die Beziehungen zu vielen Ländern Osteuropas gepflegt – und ihre transatlantische Initiative gestärkt, als manche meinten, damit sei es vorbei. Die Stiftung sei unabhängig und gemeinnützig und eben „keine Beteiligungsgesellschaft“, nehme daher auch „keinen direkten Einfluss auf die operative Arbeit“ des Thyssenkrupp-Vorstands. Die Stiftung stehe für Wissenschaftsförderung und Mäzenatentum in Kunst, Kultur, Sport sowie Gesundheit.

Dann spricht Gather noch einen Satz, aus dem sich heraushören lässt, dass sie sich von öffentlichem Druck nicht beirren lassen möchte: „Im Übrigen handelt die Stiftung so, wie sie es für richtig hält.“