Essen. . Bis zu vier Tage mehr Urlaub haben Beschäftigte im öffentlichen Dienst in NRW in diesem Jahr. Konsequenz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Möglich, dass bald auch NRW-Beamte davon profitieren. Doch schon jetzt steht fest: Ab 2013 wird in einigen Behörden der Urlaub sogar langfristig gekürzt.
Wer freut sich nicht über Geschenke. So dürften alleine in NRW knapp 200.000 Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung ein herzliches "Danke" an das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt adressiert haben, als sie erfuhren, dass sie in diesem Jahr bis zu vier Tage mehr Urlaub nehmen dürfen. Denn das BAG hatte im Frühjahr entschieden, dass die bisherige Bemessung des Urlaubsanspruch anhand des Alters der Beschäftigten nicht statthaft ist. "Altersdiskriminierend" hatten die Richter im März geurteilt. Und eine Debatte in Gang gesetzt, die nach wie vor schwelt.
Jüngst etwa wird im NRW-Finanzministerium darum gerungen, inwieweit nun auch die Beamten des Landes einheitlich 30 Tage Urlaub zugestanden bekommen. Denn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes bezieht sich genau genommen nur auf den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD). Der gilt für die Beschäftigten in Kommunen und Bund. Und dort war bis dato - wie überall in der Verwaltung seit Bestehen der Bundesrepublik - geregelt: Der Anspruch auf Urlaubstage hängt bei Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in der Regel vom Alter ab und zwar gestaffelt von 26 über 29 bis zu 30 Urlaubstage pro Jahr. Jüngere haben weniger Urlaub, Ältere etwas mehr.
Grollen unter den Bediensteten
Das Land NRW hat relativ rasch auf die Entscheidung der Richter mit dem Aktenzeichen 9 AZR 529/10 reagiert und gab sich erstmal spendabel: 30 Tage Urlaub für alle Landesbeschäftigten, so lautete die Losung! Was wie Freibier klingt, hat allerdings einen Haken. Denn es ist nur eine Übergangslösung für 2011 und 2012.
In den Kommunen wiederum grollen Angestellte und Arbeiter unterdessen, dass einigen von ihnen ab 2013 der Urlaubsanspruch auf lange Sicht sogar gekürzt wird. Um einen Tag pro Jahr. Betroffen sind laut Personalstatistik etwa 24.000 Verwaltungsangestellte. "Viele Beschäftigte sind unzufrieden", sagt Michael Wiese, NRW-Tarifkoordinator der Gewerkschaft Verdi. Denn der BAG-Entscheid fiel just in die Zeit, als die Tarifparteien einen neuen TVöD verhandelten und das Urteil gleich mit einbezogen. Allerdings hatten die kommunalen Arbeitgeber eine 30-Tage-Regelung für alle rundweg abgelehnt.
In den Kommunen wird der Urlaub bald gekürzt
Auch Verdi-Mann Wiese ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden: Fortschritte für die Arbeitnehmer bei den Arbeitsbedingungen müssten eben erkauft werden durch Konzessionen beim Thema Gehaltssteigerung. Oder umgekehrt. wiese: "Entweder mehr Geld oder mehr Urlaub".
Aus Wieses Sicht ist das Thema Urlaubstage in der Verwaltung aber längst noch nicht vom Tisch: "Das wird weiter in der Debatte bleiben", erwartet er. Spätestens wenn im kommenden Januar die Tarifpartner einen neuen Tarifvertrag der Länder (TV-L) verhandeln. Von Seite der Arbeitgeber berichtet Wiese jedenfalls "von Skepsis", dass die jetzt getroffenen Übergangsregelungen dauerhaft Bestand haben könnten. Zumal auch Wiese nicht glaubt, dass die jetzt geltende Tarifvereinbarung nicht nochmal ein Fall für das Bundesarbeitsgericht werden könnte.
Bestandsschutz vereinbart
Denn eine Altersstaffelung gibt es im TVöD nach wie vor - aktuell allerdings in nur noch zwei Stufen. Erst wenn sie den 55. Geburtstag erreicht haben, stehen Verwaltungsbediensteten künftig insgesamt 30 Tage Jahresurlaub zu, sonst 29 Tage. Wer bisher nur 26 Tage Jahresurlaub hatte, darf sich also über drei 'geschenkte' Tage freuen. Doch es gibt Altersgruppen, die sich nun im Nachteil sehen.
Für alle mit Geburtsjahr 1973 und älter gibt es ab 2013 im Vergleich weniger Urlaub. Sie konnten bis dato bereits ab dem 40. Geburtstag mit 30 Tagen Jahresurlaub planen. Wichtig dabei ist allerdings: Für alle bisher Beschäftigten gilt Bestandsschutz. Heißt: Wer bereits 30 Tage Urlaubsanspruch hat, bleibt von den Änderungen unberührt.
Verband warnt vor Millionen-Mehrkosten
"30 Tage einheitlich - das wäre eine teure Sache", sagt Michael Feiter, Referent der Kommunalen Arbeitgeber NRW. Obwohl er eingesteht: "Eine solche Lösung wäre nur konsequent". Doch schon unmittelbar nach dem Urteil hatte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) die Pflöcke ihrer Argumentation gespitzt. Konsequenz beweist man dort nur beim Blick in die eigenen Haushalte: "Wir rechnen damit, dass eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs für alle Beschäftigten auf 30 Tage bei den kommunalen Arbeitgebern zu einem Verlust von 1,6 Millionen Arbeitstagen pro Jahr führt. Dies bedeutet Mehrkosten von rund 250 Millionen Euro jährlich" - bundesweit.
Doch die Argumente dürften schon bald hinterfragt werden, glaubt Verdi-Mann Michael Wiese. Die nächsten Tarifverhandlungen sind schon terminiert. Und Verdi wird wohl mit der Forderung ins Rennen gehen, dass alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in Sachen Urlaubsanspruch gleich behandelt werden. Aber auch andere Lösungen könnten in die Debatte kommen: Wenn nicht nach Alter, könnte sich der Urlaubsanspruch künftig nach der Betriebszugehörigkeit bemessen. So ist es zum Beispiel für die Beschäftigten bei den kommunalen Verkehrsunternehmen geregelt. 30 Tage Urlaub für alle? Wiese ist sich sicher: "Die Arbeitgeber wollen das nicht auf Dauer so lassen".