Essen. . Bei großen Unternehmen wie Eon, Evonik, RWE und Thyssen-Krupp verliert der Doktortitel an Bedeutung, wenn es um die Karriere geht. „Aufstiegschancen hängen nicht von einem Doktortitel ab“, heißt es zum Beispiel bei RWE. Selbst die Chefs legen keinen Wert darauf, als Doktor angeredet zu werden.
Wenn es darum geht, in den großen Konzernen an Rhein und Ruhr Karriere zu machen, verliert der Doktortitel offenbar an Bedeutung. „Wenn man nicht gerade eine wissenschaftliche Karriere an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung anstrebt, hilft ein Doktortitel bei der Karriere heute nicht mehr“, sagt Ulrich Goldschmidt vom Essener Führungskräfte-Berufsverband DFK.
Ähnlich positionieren sich große Unternehmen der Region. Die Bedeutung des Titels habe in den vergangenen Jahren stetig abgenommen, heißt es beispielsweise beim Düsseldorfer Energieversorger Eon. „Aufstiegschancen hängen nicht von einem Doktortitel ab“, wird beim Essener Konzern RWE betont.
„Ich lege keinen Wert darauf, als Doktor angeredet zu werden“, hat Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger einmal gesagt. Ähnlich äußern sich seine Kollegen bei Evonik und Eon, Klaus Engel und Johannes Teyssen.
Thyssen-Krupp schafft „Direktor“ und „Executive Vice President“ ab
Ulrich Goldschmidt vom Führungskräfte-Berufsverband DFK geht sogar noch einen Schritt weiter: Die Bedeutung des Doktortitels in Unternehmen habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, sagt er. „Es diskreditiert sich derjenige, der einen Titel plakativ vor sich her trägt.“
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Der Stahl- und Technologiekonzern Thyssen-Krupp hat sich zum neuen Geschäftsjahr von Titeln verabschiedet, die keine Aussage über die Funktion des Managers treffen. Inhaltsleere Bezeichnungen wie etwa „Direktor“, „Executive Vice President“ oder „Hauptreferent“ soll es in Zukunft nicht mehr geben.
Auch bei einer Tagung für Führungskräfte des Energiekonzerns RWE spielte das Titel-Thema eine Rolle. „Wir halten uns an Hierarchien fest“, hieß es in einem Papier für die RWE-Manager. Einzelbüros, Siezen oder Doktortitel bei der Anrede seien nicht mehr zeitgemäß, da so die Distanz verschiedener Abteilungen und Hierarchieebenen vergrößert werde.
Titel wirkt sich bei Gehaltsverhandlungen kaum noch aus
„Teamfähigkeit und Führungsqualität sind für uns keine Frage von Titeln“, betont auch Evonik-Sprecher Ruben Thiel. Beim Düsseldorfer Energiekonzern Eon hat der Doktortitel ebenfalls an Bedeutung verloren. „Entscheidend sind Kompetenz, Leistung und Engagement sowie Erfahrung. Akademische Titel spielen dabei keine wesentliche Rolle“, sagt Eon-Manager Georg Oppermann. Auch bei Gehaltsverhandlungen spiele der Doktortitel keine Rolle.
Früher habe es noch Vergütungssysteme gegeben, die eine Promotion mit einem Gehaltszuschlag belohnten, erläutert DFK-Chef Goldschmidt. „Heute hat es sich dagegen durchgesetzt, dass Funktionen bewertet werden und die Gehaltshöhe von dieser Bewertung abhängig ist.“
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Veränderungen im Umgang mit dem Titel gibt es auch im Alltag der Unternehmen. „Während zum Beispiel die Anrede mit ,Herr’ oder ,Frau Doktor’ vor Jahren ganz selbstverständlich war, fällt der Titelzusatz heute immer häufiger weg“, berichtet RWE-Sprecherin Brigitte Lambertz. Dies habe auch mit der Globalisierung des Geschäfts zu tun. „Im internationalen Umfeld hat ein Doktortitel weniger Bedeutung als in Deutschland.“
Doktortitel bei Thyssen-Krupp weiterhin auf der Visitenkarte
Doch das jeweilige Fachgebiet spielt schon eine Rolle, wenn es um die Bewertung des Doktortitels geht, wird bei RWE betont. In einigen naturwissenschaftlichen Fächern sei der Zusatz „Dr.“ vor dem Namen beinahe ein Normalfall – in der Chemie zum Beispiel. Aus Studien gehe aber hervor, dass nur noch zehn bis 20 Prozent der Ingenieure einen Doktor machen. RWE-Beschäftigte, die im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten oder im Kraftwerkssektor, verfügen eher über einen Titel als Kollegen in anderen Bereichen.
Immerhin: Der Doktortitel wird auch bei Thyssen-Krupp weiterhin auf der Visitenkarte geführt. Zwar habe sich die Bedeutung persönlicher Titel verändert, doch der Doktor erfahre nach wie vor eine hohe Wertschätzung im Unternehmen, erklärt Thyssen-Krupp-Sprecherin Heike Neumeister. „Hinter einem erworbenen Abschluss steckt viel Arbeit, investierte Zeit und Talent. Das wird anerkannt.“
Grundsätzlich mag der Doktortitel an Bedeutung in den Konzernen verlieren, auf der Chefetage ist er aber nach wie vor verbreitet. Bei Thyssen-Krupp haben zwei von vier Vorstandsmitgliedern einen Doktortitel (Heinrich Hiesinger und Donatus Kaufmann). Eon zählt sechs Mitglieder des Vorstands, davon drei Manager mit Doktortitel (Johannes Teyssen, Leonhard Birnbaum und Bernhard Reutersberg). Bei RWE haben zwei von vier Vorständen promoviert (Martin Schmitz und Bernhard Günther). Ausnahme Evonik: Von den fünf Vorständen hat allein Klaus Engel einen Doktortitel.