Essen. Um die angeschlagene Warenhauskette Karstadt zu retten, sollen offenbar die Lieferanten möglichst spät bezahlt werden. Das berichtet der WDR aus internen Unterlagen zur Sanierung. Demnach möchte Karstadt auch beim Service sparen und das Parken teurer machen.

Wie geht's bei Karstadt weiter? Nach dem Verkauf der maroden Kaufhaus-Kette an den österreichischen Investor René Benko sickern immer mehr Details zum Sanierungskonzept durch. Dem WDR liegen jetzt Teile des Papiers vor. Am Mittwochmorgen berichtete der Sender von weiteren Einschnitten — die neben den Mitarbeitern auch Kunden und Lieferanten treffen sollen.

Im geplanten (aber noch nicht beschlossenen) Umbau-Konzept ist offenbar nicht nur von Stellenabbau, Lohnverzicht und Filialschließungen die Rede. Einige Spar-Ideen werden auch Produzenten, Großhandel und Kunden deutlich zu spüren bekommen. Mitte bis Ende Oktober soll der Aufsichtsrat über das Sanierungskonzept beraten. Laut WDR werden darin unter anderem genannt:

  • Lieferanten möglichst spät bezahlen
  • Parken 10 Prozent teurer
  • weniger Kassen mit noch weniger Personal
  • weniger Service und Beratung
  • mehr flexible Teilzeit-Kräfte
  • mehr Selbstbedienung
  • Zielgruppe "Best Ager" über 40 Jahren
  • Sortiment deutlich verschlanken
  • Stammkunden zurückgewinnen
  • mehr auf Massengeschmack ausrichten
  • neu über Großhandelspreise und Produktionskosten verhandeln

Schon vor ein paar Tagen hatte die Gewerkschaft Verdi schlechte Nachrichten aus den Tarifverhandungen mit der neuen Karstadt-Spitze mitgebracht: Der Konzern sei nicht bereit, Tariferhöhungen an die Mitarbeiter weiterzugeben. Auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehe auf der Kippe. Zudem drohen den Kollegen mehr Wochenstunden ohne Lohnausgleich. Der dramatischste Schnitt: 2000 Stellen sollen wegfallen.

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Lieferanten spät bezahlen — darf Karstadt das?

Aber Lieferanten möglichst spät bezahlen? Was soll das bringen — und geht das überhaupt? Gesetzlich steht dem zumindest nichts im Wege. Vorausgesetzt, der Lieferant räumt Karstadt auf der Rechnung eine lange Zahlungsfrist ein. Das Gesetz verlangt zwar eine sofortige Zahlung. Ein Vertrag, sofern er sich im Rahmen hält, sticht die gesetzliche Regelung aber.

Unüblich ist ein solches Geschäftsgebaren nicht. Dr. Christoph Gutknecht vom Deutschen Institut für Betriebswirtschaft erklärt: "Wer die Zahlung hinauszögert, kann vorher noch mit dem Geld arbeiten." Wie bei einer 2000-Euro-Rechnung fürs Auto also: Zahlt der Kunde sofort, dann ist das Geld weg — zahlt der Kunde am Ende einer Vier-Wochen-Frist, dann gibt's noch Zinsen. Für 2000 Euro lohnt sich das nicht, aber für einen Riesen wie Karstadt sehr wohl.

Allerdings könne dann der Lieferant nicht mit dem Geld arbeiten. Er hat das Nachsehen. Ohnehin würde der Druck auf Lieferanten und Produzenten wachsen: Karstadt sitzt als Großabnehmer eben am längeren Hebel. Die Abnahmepreise seien aber ohnehin schon ans Limit heruntergehandelt, heißt es laut WDR aus Expertenkreisen.

Schon jetzt gibt es zu wenig Personal bei Karstadt

Als die Sparmaßnahme "weniger Verkäufer" laut wurde, merkte Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein kritisch an: Schon jetzt mangele es an Personal. Vor ein paar Jahren seien auf einen Verkäufer noch 60 Quadratmeter Verkaufsfläche gekommen — heute sind es schon 76 Quadratmeter. "Die kritische Personaldecke ist in vielen Warenhäusern bereits unterschritten", so Heinemann.

Ob mehr Selbstbedienung (SB-Kassen zum Selbstscannen etwa) den Personalabbau auffangen können, das sieht Gutknecht kritisch. "Das ist eine Generationenfrage", meint der Betriebswirtschafts-Experte. Was bei Ikea funktioniert, muss also nicht auch bei Karstadt klappen. Zumal die neue Zielgruppe "40+" heißt.

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Karstadt braucht Jahreszuwachs von 209 Millionen

Der finanzielle Druck ist offenbar groß. Aus dem Umfeld des Unternehmens heißt es, Karstadt brauche einen jährlichen Zuwachs von 209 Millionen Euro — erst dann sei eine schwarze Null möglich. Für eine nachhaltige Sanierung seien sogar jedes Jahr 263 Millionen Euro mehr nötig.

Um das zu erreichen müssen die Ausgaben drastisch sinken. Die Karstadt-Zentrale sei 30 Prozent teurer als bei vergleichbaren Unternehmen, heißt es. In den Filialen komme die Konkurrenz mit 20 Prozent weniger Personal aus. Zudem sei das Vollzeit-Personal zu unflexibel: Bei H&M, Primark oder Zara arbeiten deutlich mehr Teilzeitkräfte, die je nach Bedarf eingesetzt werden können. Bei Karstadt seien die Filialen an lauen Tagen überbesetzt. Freitags und samstags dagegen fehle Personal.

Ende Oktober will der Karstadt-Aufsichtsrat über das Sanierungskonzept beraten.