Essen.. Die Konzernführung von Karstadt bereitet die Beschäftigten erstmals auf Filialschließungen vor. Beschlüsse habe es aber “noch nicht“ gegeben, heißt es nach der Aufsichtsratssitzung. Die Mitarbeiter müssen weiter bangen. Die Konkurrenz komme mit 20 Prozent weniger Personal aus, betont das Management.
Es trägt stets den Ruch des Verschwörerischen, wenn berichtet wird, die Verhandlungen fänden hinter verschlossenen Türen statt. An diesem sonnigen Morgen stehen die Übertragungswagen der Fernsehsender gar vor einem verschlossenen Karstadt-Hauptquartier, diesem hellen Klotz, der mal modern und auch schon mal weißer war. Auf dem Bürgersteig ist Schluss für die Journalisten, auf dem Parkplatz kommt ihnen ein freundlich nichtssagender Mann entgegen, der namenlose Kärtchen von der Pressestelle verteilt.
Dabei sind Aufsichtsratssitzungen aus gutem Grund keine öffentlichen Veranstaltungen, erst recht nicht die erste Zusammenkunft des Karstadt-Aufsichtsrats nach der Übernahme durch den österreichischen Investor René Benko. Die sorgenvollen Arbeitnehmervertreter und die sanierungswillige, neu besetzte Arbeitgeberseite saßen sich am Donnerstag zum ersten Mal gegenüber. Um harte Beschlüsse ging es noch nicht. Aber ums Herantasten an nichts anderes als das: Unter Benko und seiner Signa-Gruppe steht eine Sanierung der Warenhauskette an, die aller Voraussicht nach sowohl Arbeitsplätze als auch Filialen kosten wird.
Daran ließ die Erklärung, die Karstadt um 18.11 Uhr verschickte, keinen Zweifel. „Maßnahmen bis hin zur Schließung von defizitären Filialen“ werden darin angekündigt. Und mit der Aussage, die Konkurrenz – augenscheinlich Kaufhof – arbeite „mit über 20 Prozent weniger Personal auf vergleichbarer Fläche deutlich erfolgreicher“, sendete die Konzernspitze auch gleich eine Größenordnung des zu erwartenden Stellenabbaus an die Belegschaft.
Monatelange Zitterpartie der Mitarbeiter dürfte noch andauern
Schließungsbeschlüsse seien „noch nicht gefasst“ worden, hieß es weiter. Damit dürfte die monatelange Zitterpartie der bundesweit rund 17.000 Karstadt-Beschäftigten noch eine Weile andauern. Auch nach der mit Spannung erwarteten Sitzung herrscht keine Klarheit, wie das Filialnetz von Karstadt künftig aussehen wird.
Mitte August hatte René Benkos Firmengruppe Signa die Übernahme von Karstadt verkündet. Bei dieser Gelegenheit betonte Signa-Manager Wolfram Keil noch, Karstadt müsse „raus aus den Medien und der zermürbenden öffentlichen Diskussion“.
Sanierungsplan bis Ende Oktober „verfeinern"
Thema der Karstadt-Kontrolleure war ein Sanierungskonzept von Geschäftsführer Miguel Müllenbach. Drei Punkte spielten in dem „Müllenbach-Papier“ eine entscheidende Rolle: Ertragssteigerungen sowie eine Verringerung der Personal- und Sachkosten. Seit einiger Zeit wird spekuliert, bis zu 30 der bundesweit 83 Filialen und damit rund 3000 bis 4000 Mitarbeiter könnten von Schließungsplänen betroffen sein. Im Umfeld des Konzerns wird betont, insbesondere die Kosten für die Essener Hauptverwaltung und die Logistik der Warenhauskette seien zu hoch.
In dem Sanierungspapier soll auch ein Ansatz eine Rolle spielen, den die kurzzeitig amtierende Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt eingebracht hat: Regionale Sortimente sollen wichtiger werden. Dem Vernehmen nach könnte der Sanierungsplan bis Ende Oktober „verfeinert werden“. Dann gibt es voraussichtlich das nächste Treffen der Karstadt-Aufsichtsräte.
Middelhoff schaltet sich ein
Dreieinhalb Kilometer von der Konzernzentrale entfernt hielt sich Thomas Middelhoff auf, der einstige Karstadt-Chef, der sich wieder einmal vor Gericht sehen lassen musste. Karstadt werde jetzt Standorte schließen, später rechne er mit einer Kaufhof-Fusion, sagte Middelhoff. Möglicherweise müssten in der Groß-Warenhauskette noch weitere Filialen schließen. „Dann entsteht ein lebensfähiges Unternehmen.“
Und René Benko? „Er ist ein Immobilieninvestor, und er behandelt das Unternehmen so“, urteilt Middelhoff. „Er interessiert sich vor allem für die Grundstücke.“ Auf eine Wortmeldung ihres Ex-Chefs Middelhoff, nach dessen Abgang Karstadt kurze Zeit später in die Insolvenz schlitterte, haben die Beschäftigten vermutlich eher nicht gewartet.