Berlin. . In zwei Wochen soll “Ceta“, das umstrittene Handelsabkommen zwischen Europa und Kanada, unter Dach und Fach sein. Konzerne sollen weitreichende Klagemöglichkeiten gegen Staaten erhalten. Die Bundesregierung protestiert - nach Ansicht von Verbraucherschützern aber nur halbherzig.

Die Bundesregierung pocht beim umstrittenen Investorenschutz im Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada in letzter Minute auf Korrekturen. So müsse verhindert werden, dass ausländische Investoren die EU oder Mitgliedsstaaten auf Schadenersatz verklagen könnten, wenn es zu Sanierungen oder Abwicklungen von Banken sowie Schuldenschnitten kommt. Das geht aus einem vertraulichen Bericht der Regierung über eine Sitzung des handelspolitischen Ausschusses des EU-Parlaments hervor, der am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorlag.

CETA gilt als Blaupause für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA. Verbraucherschützer kritisieren, dass vom kategorischen Nein von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu Schutzklauseln für Investoren keine Rede mehr sei. Experten fürchten, ausländische Konzerne könnten vor internationalen Schiedsgerichten von Staaten Milliarden einklagen, wenn neue Gesetze oder Steuern gegen Regeln aus den Handelsabkommen verstoßen.

Die Regierung schreibt nun, es bestehe bei CETA in verschiedenen Bereichen noch Handlungsbedarf - "auch mit Blick auf ihre Präzedenzwirkung für TTIP". Allerdings werde Deutschland bei wichtigen Einwänden im Banken- und Steuerbereich bisher nicht von großen EU-Staaten wie Großbritannien und Frankreich unterstützt.

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Endgültiger CETA-Abschluss soll lediglich per Erklärung verkündet werden

Keine Lösung zeichne sich im Streit mit Brüssel ab, welchen rechtlichen Charakter das CETA-Abkommen hat, erklärt die Regierung. Davon hängt jedoch ab, ob Bundestag und die übrigen 27 EU-Parlamente dem Vertrag überhaupt zustimmen müssen. Bei einem sogenannten gemischten Abkommen wären sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten Vertragspartner der Kanadier.

Überraschend habe die EU-Kommission nun angekündigt, dass der CETA-Vertrag noch nicht einmal offiziell unterschrieben werden solle (Paraphierung). Der endgültige CETA-Abschluss solle beim EU-Kanada-Gipfel am 26. September in Ottawa lediglich per Erklärung verkündet werden.

Außerdem habe die Kommission deutlich gemacht, dass sie trotz massiver Einwände aus den EU-Staaten die Verhandlungen mit Kanada "nicht insgesamt wiederöffnen" will, heißt es im Regierungsbericht. Dann bestünde die Gefahr, dass auch Kanada über Kapitel neu reden wolle, in denen die EU "gute Ergebnisse" erzielt habe, etwa bei öffentlichen Beschaffungen oder im Pharmabereich.

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Campact hält deutsche Einwände für Rückzugsgefechte

In Berlin wird befürchtet, dass die EU-Richtlinie zur Abwicklung von Krisenbanken ausgehebelt werden könnte, wenn das Kapitel zu Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) zwischen EU und Kanada unverändert bleibt. So verlangt Berlin von Brüssel und der italienischen EU-Ratspräsidentschaft, dass Schadenersatzklagen bei Umschuldungen von Staatsanleihen sowie Klagen gegen die vorrangige Beteiligung von Gläubigern bei der Rettung von angeschlagenen Geldhäusern ausgeschlossen sind.

Weiter warnt die Bundesregierung davor, dass das deutsche Steuerrecht durch den Investorenschutz unterlaufen werden könnte. Im Steuerbereich müsse der Vorrang des nationalen Steuerrechts und der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen präzisiert werden. Allerdings habe die EU-Kommission hier "keine Bereitschaft zu Entgegenkommen" erkennen lassen.

Die Bürgerbewegung Campact hält die deutschen Einwände für Rückzugsgefechte. Die Bundesregierung wolle letztlich den Investorenschutz gar nicht verhindern. "Sigmar Gabriel hat sich vom Druck der Kommission zermürben lassen und kippt bei den Investor-Staats-Klagen um", meinte Campact-Expertin Maritta Strasser. Damit stelle sich der SPD-Chef ausdrücklich gegen die Position der Sozialdemokraten im Europa-Parlament. (dpa)