Berlin. . Die Lokführergewerkschaft will in den nächsten Tagen über eine Urabstimmung entscheiden. Das könnte schon bald längere Streiks bei der Bahn bedeuten. Der Kurs von GDL-Chef Weselsky ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Die härteste Attacke kommt von seinem Vorgänger.
Im Tarifkonflikt bei Deutschen Bahn bleibt die Lage angespannt. Bis Ende kommender Woche bleiben die Fahrgäste aber wohl von Warnstreiks und ihren Folgen verschont.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will an diesem Donnerstag bekanntgeben, ob eine Urabstimmung über reguläre Streiks eingeleitet wird. Diese Mitgliederbefragung würde mindestens zehn Tage dauern. In diesem Zeitraum - mindestens bis 21. September - schließt die GDL Warnstreiks aus. In der vorigen Woche hatten Lokführer zweimal je drei Stunden die Arbeit niedergelegt. Große Teile des bundesweiten Bahnverkehrs kamen zum Erliegen.
Bahn sieht Gewerkschaft im Abseits
Die Bahn warnte die GDL vor neuen Streiks. Auch innerhalb der Gewerkschaft wurde Kritik am Kurs des Vorsitzenden Claus Weselsky laut. Die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) machte deutlich, dass sie ihre Tarifführerschaft bei den Zugbegleitern und Lokrangierern nicht abgeben will.
Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte, die GDL stelle sich mit ihrer Streiktaktik langfristig ins Abseits. Die Gewerkschaft müsse "darüber nachdenken, ob ein derart scharfes Vorgehen angemessen ist". Die GDL werfe der Bahn Blockade vor, obwohl die sich intensiv um einen Dialog bemühe. "Wenn hier jemand initiativ war, dann wir, wenn jemand blockiert hat, ist es die GDL", so Weber.
Amts-Vorgänger attckiert Weselsky harsch
Der frühere GDL-Chef Manfred Schell kritisierte seine Nachfolger Weselsky scharf. Weselsky verhalte sich, "als rufe er zum heiligen Krieg auf", sagte Schell der "Bild"-Zeitung (Dienstag). "Weselsky muss sofort zurücktreten", fügte er hinzu. Schell attackierte vor allem die Forderung der GDL-Spitze nach Arbeitszeitverkürzungen. "Das ist doch schizophren. Wenn ich die Stundenzeit reduziere ohne neue Lokführer einzustellen, müssen alle mehr Überstunden machen."
Die EVG untermauerte ihren Vertretungsanspruch für alle Eisenbahner. Anders als von der GDL behauptet, habe die EVG auch bei Zugbegleitern und Lokrangierführern mehr Mitglieder als die GDL, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner in Berlin. Im Zweifel müsse ein Notar aus den Angaben des Arbeitgebers, der EVG und der GDL die Mitgliederzahl der beiden Gewerkschaften in den Berufsgruppen feststellen.
Gerangel zwischen den Gewerkschaften
Die GDL erhebt in den derzeit unterbrochenen Tarifverhandlungen nicht nur wie bisher für die rund 20 000 Lokführer Forderungen, sondern auch für Zugbegleiter, Speisewagen-Gastronomen, Lokrangierführer, Trainer und Disponenten. Zusammengerechnet vertrete sie bei diesen Gruppen einschließlich der Lokführer die Mehrheit der Beschäftigten, argumentiert die Lokführergewerkschaft.
EVG-Chef Kirchner entgegnete, die GDL könne nicht willkürlich "einen neuen Kreis" um verschiedene Berufe bei der Bahn ziehen und für die gesamte Gruppe dann die Tarifführerschaft einfordern. Die EVG steigt am Montag kommender Woche (15. September) in Tarifverhandlungen mit der Bahn ein. Die EVG fordert für die rund 170 000 tarifgebundenen Beschäftigten des Schienenverkehrs sechs Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 150 Euro pro Monat.
Dabei pocht die EVG auch für die bei ihr organisierten Lokführer auf einen Tarifvertrag. "Wir fordern eine tarifliche Grundlage für unsere Lokführer", sagte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba. Zuletzt hatte allein die GDL Tarifverträge für alle Lokführer ausgehandelt. Die EVG hat nach eigenen Angaben etwa 5000 Lokführer als Mitglieder, davon 2000 Beamte. (dpa)