Essen. Die öffentlichen Haushalte erzielten im ersten Halbjahr einen 16-Milliarden-Überschuss. Zudem sind die Gesamtschulden erstmals seit 1950 gesunken. Dennoch kommt die Politik nicht ohne neue Schulden aus, kritisiert der Steuerzahlerbund – und lässt seine Uhr vorwärts laufen.
Die Schuldenuhrmacher sind sich nicht mehr einig. Die wohl bekannteste des Deutschen Steuerzahlerbundes tickt und tickt – und wie eh und je kommen jede Sekunde einige Euro, derzeit 439, zum deutschen Gesamtschuldenstand hinzu. Dagegen läuft die Schuldenuhr des Portals „staatsverschuldung.de“ nunmehr rückwärts – um sechs Euro die Sekunde. Hat der Steuerzahlerbund die Zeitenwende verpasst von immer weiter steigenden Schulden hin zum Abbau des gigantischen, mehr als zwei Billionen Euro dicken Berges an Verbindlichkeiten?
Die von einem Steuerberater privat betriebene, rückwärts laufende Schuldenuhr scheint besser zu passen zur Nachricht vom 16-Milliarden-Überschuss, den die deutschen Haushalte im ersten Halbjahr erzielt haben. Die Statistik bescheinigt dem Bund, von Januar bis Juni vier Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben zu haben – den fleißigen Steuerzahlern sei dank. Die Kommunen erzielten gar einen Überschuss von 5,3 Milliarden, die Länder lagen mit 0,2 Milliarden nur knapp im Minus. Das größte Plus erreichten einmal mehr die ebenfalls in diese Gesamtrechnung einfließenden Sozialkassen mit 7,1 Milliarden Euro. Sie profitieren von der Rekordbeschäftigung und vor allem dem Trend zu wieder mehr sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs, der seit etwa zwei Jahren neues Geld in die Sozialkassen spült.
Schäuble will sechs Milliarden neue Schulden aufnehmen
Doch was sagt nun der Blick auf die Schuldenuhr? Der Staat nehme ja trotz der Rekordeinnahmen weiter neue Schulden auf, heißt es beim Steuerzahlerbund. Er rechnet die politisch geplanten Neuschulden aller öffentlichen Haushalte zusammen und schlägt sie auf die Sekunde gerechnet obendrauf. „So lange die Neuverschuldung nicht Null ist, wird die Schuldenuhr weiter vorwärts laufen“, heißt es. Die Begründung hat was für sich, schließlich plant allein Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach wie vor mit einer Neuverschuldung von sechs Milliarden Euro in diesem Jahr. Und die Sozialkassen behalten das dicke Plus als Rücklagen, die sie unter anderem für neue Rentenleistungen auch brauchen werden.
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Allerdings ist die Schuldenuhr auch nicht mehr als eine Prognose auf Basis politischer Willensbekundungen, sie gibt nicht auf Euro und Cent den aktuellen Schuldenstand wieder. Dabei muss man der Lobbyorganisation zugutehalten, dass in der Vergangenheit die geplante Neuverschuldung am Ende des Jahres eher über- als unterschritten wurde. Doch das kann sich bei weiter sprudelnden Steuereinnahmen auch mal drehen.
Der Steuerzahlerbund hat an der Uhr gedreht
Der Schuldenberg kann auch aus anderen Gründen schrumpfen. So wie vor zwei Wochen, als bekannt wurde, dass Deutschland 2013 erstmals seit 1950 Schulden abgebaut hat – immerhin gut 30 Milliarden Euro. Das resultierte zwar im Wesentlichen aus Bilanzbereinigungen der in der Finanzkrise gebildeten staatlichen Schrottbanken (Bad Banks). Trotzdem bleibt die Frage, wie die Schuldenuhr vorwärts laufen kann, wenn doch der Schuldenstand von 2,06 auf 2,03 Billionen Euro gesunken ist. Ganz einfach: der Steuerzahlerbund korrigiert die rote Zahl einmalig nach unten – und lässt sie dann wieder steigen.