Berlin. Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht die Klage gegen den ESM zurückgewiesen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schließt sogar eine Klage gegen die EZB nicht aus. Die Linke fordert eine erneute Bundestagsabstimmung über ESM und Fiskalpakt. Die Reaktionen im Überblick.

Deckel für den ESM oder Rüffel für die EZB? - Die Parteien legen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum permanenten Euro-Rettungsschirm ESM widersprüchlich aus. Die CSU sieht durch den Karlsruher Urteilsspruch die Ankündigung der EZB zum unbegrenzten Anleiheankauf infrage gestellt.

Bundefinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte erklärte, dass er eine Klage gegen die EZB nicht ausschließen könne. Das EZB-Mandat beinhalte nicht, "dass man Staatsfinanzierung durch die Banknotenpresse macht", sagte Schäuble am Mittwochabend in einer ZDF-Sondersendung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ESM und Fiskalpakt.

Verfassungsgericht legt Haftungsgrenze auf 190 Milliarden Euro fest

Wenn die EZB diese Linie überschreiten würde, müsste man in der Tat dagegen klagen, sagte er weiter und fügte hinzu: "Ich bin überzeugt, dass die EZB diese Linie nicht überschritten hat und dass sie sie nicht überschreiten wird."

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch Klagen gegen die deutsche Beteiligung am ESM zurückgewiesen, jedoch verlangt, dass die Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro ohne Zustimmung des deutschen Vertreters in den ESM-Gremien nicht erhöht werden dürfe und Bundestag und Bundesrat umfassend informiert werden.

"Keine unübersehbaren Haftungen für Deutschland"

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der Zeitung "Die Welt": "Die CSU versteht das Urteil als klares Signal in Richtung der Europäischen Zentralbank, dass keine unübersehbaren Haftungen für Deutschland entstehen dürfen." Die CSU fühle sich in ihrer Haltung bestätigt, dass es einen logischen Zusammenhang gebe zwischen den Schuldenbremsen im Inland und einem Verbot von Schuldenexpansionen bei internationalen Verpflichtungen.

Steinbrück, der als möglicher SPD-Kanzlerkandidat für die Wahlen im kommenden Jahr gilt, warf der Bundesregierung vor, jede Debatte über Alternativen zu deren Euro-Politik mit dem Kampfbegriff "Schuldenunion" zu diskreditieren.

"Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertür"

"Die Europäische Zentralbank ist durch das Versagen des politischen Krisenmanagements endgültig zum einzigen handlungsfähigen Akteur gezwungen worden", sagte Steinbrück der "Passauer Neuen Presse". Das Ergebnis sei, "dass die EZB ohne demokratische Kontrolle eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertür betreibt".

Er mache dem EZB-Präsidenten Mario Draghi für dessen Pläne zum Aufkauf von Anleihen der Schuldensünder-Staaten keinen Vorwurf. Draghi sei "durch politische Unterlassung in diese Rolle gedrängt worden".

Linke fordert erneute Bundestagsabstimmung über ESM und Fiskalpakt 

Steinbrück plädierte für einen Schuldentilgungsfonds. "Jede Summe, die für Rettungsmaßnahmen genannt wurde, ist bald von einer anderen überholt worden", sagte er. "Niemand weiß, ob die Mauern inzwischen hoch genug sind."

Die Linksparteivorsitzende Katja Kipping forderte eine erneute Bundestagsabstimmung über den ESM und den Fiskalpakt. "Eine erneute parlamentarische Befassung entspräche dem Geist des Karlsruher Urteils", sagte Kipping dem "Hamburger Abendblatt". "Abgeordnete aus allen Parteien könnten sich zusammentun und eine bindende Sozialklausel mit zwei Regeln beschließen: kein Euro ohne Zustimmung des Bundestags und kein Sozialabbau für die Euro-Rettung."

Industriepräsident Keitel mahnt Politik zur strikten Einhaltung des Urteils

Industriepräsident Hans-Peter Keitel mahnte die Politik zur strikten Einhaltung des Urteils. "Wenn die bisherige Obergrenze der deutschen Garantien für den Rettungsfonds ESM überschritten wird, muss tatsächlich das Parlament zustimmen", sagte er der "Welt".

Der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Peter Wilisch wertete das Urteil als Schritt in Richtung Haftungs- und Schuldenunion. "Es wird jetzt immer weiter gehen, Programm um Programm, weil es bequemer ist, sich von anderen die Zinsen subventionieren zu lassen, als mühsame Strukturanpassungen umzusetzen", sagte Willsch der Onlineausgabe des Düsseldorfer "Handelsblatts" laut Vorabbericht.

"Wer wissen will, wohin die Reise geht, soll sich die Situation Italiens in den 70er- und 80er-Jahren vergegenwärtigen: Inflation, ausufernde Schulden, kaum Wachstum."

ESM-Gegner fordern Deckelung auf 190 Millionen Euro

Willisch und sein FDP-Bundestagsabgeordnetenkollege Frank Schäffler forderten, bei der Ratifikation des ESM müsse ein Vorbehalt erklärt werden, dass Deutschland nicht für mehr als 190 Milliarden hafte. Schäffler sagte, dies deckle die "Schlagfähigkeit" des ESM.

"Niemand wird ihm einen Kredit geben, dessen Rückzahlung gefährdet wäre, weil Deutschlands Haftung durch den Vorbehalt begrenzt wird", sagte Schäffler der Zeitung. Damit sei der Betrag von 190 Milliarden Euro für den ESM zwar weg, aber eben nicht mehr. (dapd)