Essen. Bei Karstadt soll am 1. September das Insolvenzverfahren starten. Droht dann der traditionsreichen Warenhaus-Kette das Aus? Keineswegs, sagt der Insolvenzverwalter der Warenhauskette, Rolf Weidmann, der WAZ-Gruppe. Er hält das Überleben von Karstadt durchaus für realistisch.
Am 1. September soll bei Karstadt das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Müssen Kunden dann das endgültige Aus der traditionsreichen Warenhaus-Kette fürchten?
Rolf Weidmann: Nein. Die Sanierung von Karstadt streben wir über ein Insolvenzplanverfahren an. Karstadt kann aus meiner Sicht auch ohne einen Investor überleben. Ich sehe eine Sanierungschance von mehr als 90 Prozent, wenn alle Beteiligten, also zum Beispiel Vermieter oder Lieferanten, ihren Beitrag leisten.
Was stimmt Sie so zuversichtlich?
Weidmann: Karstadt kann Gas geben. Das Warenhaus-Unternehmen hat ganz viel Potenzial und gut ausgebildete Mitarbeiter. Wir haben hier eine gute Basis, gewachsene Basis und viel Knowhow vorgefunden, auf das man noch aufbauen kann. Außerdem hat Karstadt schon erfolgreich mit der Umstrukturierung begonnen. Wenn bei Karstadt markt- und ortsübliche Konditionen erzielt werden – nicht nur bei der Miete, sondern auch bei Logistik- und EDV-Dienstleistungen und Personalkosten -, dann werden wir eine solide ordentliche Warenhaus-Kette haben.
Schöpfen Sie auch aus Zahlen Zuversicht?
Weidmann: Ja. Die Menschen halten uns die Treue. Karstadts Umsätze liegen weiter im Rahmen der Planungen. Im Juni und Juli sind sie wie erwartet leicht gesunken, allerdings hat Karstadt auch Verkaufsflächen aufgegeben. Der Rohertrag – also der Umsatz abzüglich der Wareneinkaufspreise – ist sogar besser als geplant. Im zweiten Halbjahr erwarten wir im Vergleich zum Vorjahr gleichbleibendeUmsätze.
Wie viele Arbeitsplätze fallen weg?
Weidmann: Das kann man noch nicht sagen. Derzeit hat Karstadt etwa 21 300 Vollzeitstellen. Da viele in Teilzeit arbeiten, ist die Zahl der Beschäftigten deutlich höher: Karstadt beschäftigt knapp 28 000 Menschen. Karstadt betreibt 92 Warenhäuser, 27 Sporthäuser und sechs Schnäppchen-Center.
Woran hapert’s bei Karstadt? Der Warenhaus-Betreiber galt lange als Sorgenkind im Mutterkonzern Arcandor.
Weidmann: Karstadt hat seine Warenhäuser unter dem früheren Konzernmanagement verkauft und sie dann zurückgemietet. Die Mieten liegen teils deutlich über dem ortsüblichen Schnitt, das müssen wir ändern. Derzeit stehen 19 Warenhaus-Standorte auf der Prüfliste, dort zieht sich Karstadt eventuell zurück. Welches die Standorte sind, möchte ich aber nicht sagen. In den wenigsten Fällen ist dort allerdings der Standort an sich als Problem. Der Standort ließe sich halten, wenn die Mieten an ortsübliche Niveaus angepasst würden. Wir sprechen derzeit mit den Vermietern.
Liegt’s nur an den Mieten?
Weidmann: Nein. In früheren Zeiten hätte Karstadt viel eher das Potenzial und das Geld gehabt, der Branchenflaute zu begegnen. Leitende Mitarbeiter sehen die einstige schwerpunktmäßige Ausrichtung Karstadts unter dem damaligen Arcandor-Chef Middelhoff auf das Premiumsegment, sprich: auf Edelkaufhäuser, als Fehler. Die Konzentration vieler Millionen in die Renovierung des Oberpollinger in München hat für die laufend nötige Aufwertung der anderen Häuser gefehlt, ohne ertragsseitig entsprechende Effekte zu bringen. Das Geld wäre besser in die Aufwertung aller anderen Warenhäuser gesteckt worden, um das Brot-und-Butter-Geschäft in den „normalen Filialen“ zu pflegen. Der Warenhaus-Betrieb ist mehr als nur das Aufstellen von Theken für Waren. Deren Präsentation muss in einem in sich stimmigen Konzept erfolgen: Wo wird auf welcher Etage was präsentiert, zum Beispiel. Parfümeriesachen und Schreibwaren gibt es oft im Erdgeschoss, da niemand für eine Flasche Shampoo in den obersten Stock fahren würde. Und bei der Damenbekleidungsabteilung könnte sich ein benachbartes Café lohnen – für die Ehemänner und Partner.
Was ist mit dem Einstieg ins Reisegeschäft in der Middelhoff-Ära?
Weidmann: Arcandor hat einen Mehrheitsanteil am britischen Reiseveranstalter Thomas Cook gekauft. Dadurch ist so viel Geld abgeflossen, dass für den normalen Geschäftsbetrieb nicht mehr genügend Geld da war. Die Frage ist daher: Was brachte der Thomas-Cook-Kauf dem Handelskonzern überhaupt?
Der vorläufige Insolvenzverwalter der Karstadt-Mutter Arcandor, Klaus Hubert Görg, hat beklagt, beim Essener Konzern habe er keine nennenswerte Substanz vorgefunden. Praktisch alles gehöre nicht Arcandor, sondern jemand anderem. Wie sieht das bei Karstadt aus?
Weidmann: Nach dem Verkauf der Karstadt-Warenhäuser gibt es praktisch kein Immobilienvermögen mehr. Zudem gibt es ein lediglich überschaubares bewegliches Anlagevermögen, also Geschäftsausstattungen oder Autos. Viele Fahrzeuge wurden geleast. Und Geschäftsausstattungen sind nur begrenzt anderweitig verwertbar.
Beobachten Sie die Entwicklung in der Handelsbranche nicht mit Sorge? Der Einzelhandelsverband klagt ja seit Jahren darüber, dass die Umsätze sinken. Und die Zahl der Arbeitslosen soll ja im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise steigen.
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Weidmann: Sicher sind die Geschäfte schwieriger in Zeiten, in denen es Menschen finanziell nicht so gut geht und sie daher billige Sachen kaufen. Doch billig ist nicht unbedingt preiswert, billige Sachen können auch schnell kaputt gehen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass es auch künftig einen Markt für Warenhäuser gibt. Warenhäuser bieten Verbrauchern unter einem Dach alles, vom Zuckerstreuer über Bettwaren bis hin zu Markenbekleidung.
Die Düsseldorfer Galeria-Kaufhof-Mutter Metro hat Interesse an Teilen von Karstadt. Schlagen Sie ein?
Weidmann: Wir wollen nicht nur Teile von Karstadt verkaufen, sondern Karstadt als Ganzes – also inklusive der rendite- und imageträchtigen Luxuskaufhäuser. Darüber hinaus ist Karstadt mit der Kette LeBuffet der achtgrößte Restaurantbetreiber in Deutschland, für den es eine Zukunft geben muss.
Wie suchen Sie denn einen Investor, also einen Geldgeber?
Weidmann: Erst muss das Insolvenzverfahren Anfang September eröffnet werden. Dann treffen wir uns im November mit den Gläubigern. Sie sollen einem Insolvenzplanverfahren zustimmen, der auch regelt, auf wie viele ihrer Forderungen die Gläubiger verzichten müssen. Das dürfte zum Jahreswechsel der Fall sein. Mit der Investorensuche haben wir eine renommierte Investmentbank beauftragt. Sie spricht bei möglicheInteressenten im In- und Ausland an, denen wir dann das sanierte Unternehmen präsentieren werden.
Wie lange dauert das?
Weidmann: Wenn alles gut läuft, könnte Karstadt im März die Insolvenz hinter sich lassen. Das gesamte Arcandor-Verfahren wird – davon unabhängig – deutlich länger dauern.