Essen. Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg erhebt schwere Vorwürfe gegen das frühere Management des Handels- und Touristikkonzerns. Den Arcandor-Unternehmen Karstadt und Quelle sei die "Substanz entzogen" worden, sagt Görg - und greift damit auch Ex-Konzernchef Thomas Middelhoff an.

Arcandor soll sein letzter Fall sein. 68 Jahre alt ist Klaus Hubert Görg, der Insolvenzverwalter des Karstadt-Mutterkonzerns. Görg gilt als einer der erfahrensten Sanierungsexperten in Deutschland. Beim Insolvenzverfahren des Baukonzerns Holzmann war er ebenso beteiligt wie bei den Rettungsbemühungen um den Medienriesen Kirch und den Anlagenbauer Babcock Borsig.

Doch das, was Görg seit Anfang Juni beim Essener Handels- und Touristikkonzern Arcandor erlebt, ist selbst für ihn eine neue Erfahrung. „In diesem Hause gibt es wirklich nichts, was nicht anderen Leuten gehört. Das habe ich in so großen Unternehmen noch nie erlebt”, verriet Görg der „Welt am Sonntag”. Der Jurist beschreibt Arcandor als einen Konzern, der regelrecht ausgeplündert wurde. „Wir haben mit der Lupe nach der Substanz in diesem Unternehmen gesucht, aber wir haben nichts Nennenswertes gefunden.”

Mit drastischen Worten benennt Görg „die Managementfehler der vergangenen Jahre”. Es gebe zahlreiche Beispiele dafür, wie um den Preis der kurzfristigen Liquidität die Ertragskraft ruiniert worden sei. Als gravierenden Fehler kritisiert Görg ein zentrales Projekt aus der Zeit des einstigen Arcandor-Vorstandschefs Thomas Middelhoff. Dieser habe viel geliehenes Geld für die Übernahme des Touristikkonzerns Thomas Cook ausgegeben und damit den Handelsbereichen Karstadt und Quelle Substanz entzogen, die bis heute fehle. „Ich bin sicher, dass die Sanierungschancen ohne das Thomas-Cook-Investment höher gewesen wären als jetzt”, sagt Görg.

Hinweise auf Verschwendung

Zudem sieht Görg Hinweise auf einen verschwenderischen Stil auf der Arcandor-Vorstandsebene. Zu Vorwürfen, Middelhoff sei gern in teuren, gemieteten Jets gereist, äußert sich der Insolvenzverwalter nicht direkt. Er belässt es bei Andeutungen: „Der dienstliche Aufwand des Vorstandes war sehr hoch. Jedenfalls sehr hoch für ein Unternehmen in der wirtschaftlichen Verfassung wie Arcandor.”

Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität ermittelt gegen Middelhoff wegen des Verdachts der Untreue. Dabei geht es um Hinweise, Middelhoff und seine Frau seien an einem Immobilienfonds beteiligt, der zu außergewöhnlich hohen Mieten Gebäude an Karstadt vermietet haben soll. Als Arcandor-Chef soll der Manager aus Eigeninteresse auf eine Klage gegen den zuständigen Immobilienentwickler Josef Esch verzichtet haben. Middelhoff wies den Untreuevorwurf zurück.

Auch Görg hält rechtliche Schritte gegen das frühere Arcandor-Management für möglich. Es gebe „ernst zu nehmende Leute”, die sagen, der damalige Karstadt-Quelle-Konzern sei schon 2004 nicht mehr zu retten gewesen. Auf die Frage, ob es Hinweise für eine Insolvenzverschleppung gebe, antwortete Görg: „Wir sehen einige Hinweise, die wir sammeln und zu gegebenem Zeitpunkt bewerten wollen.” Als Insolvenzverwalter habe er bis zu drei Jahre Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Momentan sei er damit ausgelastet, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und Investoren zu suchen.

Middelhoff wurde im Juni 2004 Aufsichtsratschef des damaligen Karstadt-Quelle-Konzerns, im Mai 2005 wechselte er an die Spitze des Vorstands. Im Früjahr 2009 wurde Middelhoff vom ehemaligen Telekom-Vorstand Karl-Gerhard Eick an der Spitze von Arcandor abgelöst.

Das große Staubkehren

Görg sagte, es sei dem Vorstand „erstaunlich lange gelungen, den Staub aus den Ecken zu kehren” und diesen noch zu Geld zu machen. Versäumnisse sieht der Insolvenzverwalter aber auch außerhalb des Arcandor-Managements: „Man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn man sieht, was Geldgeber als Sicherheiten akzeptiert haben. Das ging bis zu kleinen Anteilen an irgendwelchen kleinen Warenhäusern.”

Mittlerweile hat Görg die Suche nach einem Investor, der Arcandor als Ganzes übernimmt, aufgegeben. Es habe Anfragen gegeben, „aber die kamen eher aus der Kuriositätenecke”. Ein vermeintlicher Interessent habe von einem Milliardenkonto in Vietnam gesprochen, „das wollte er uns aber erst vor Ort zeigen”.