Essen. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hat Karstadt vor vier Jahren praktisch verschenkt. Görg überließ dem Milliardär Berggruen die Warenhauskette für einen Euro – ohne einen Vertrag mit klaren Investitionszusagen. Jetzt muss er sich kritische Fragen gefallen lassen.

Es war der 7. Juni 2010, ein sonniger Montagabend. Sichtlich erleichtert erschien Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg vor dem Haupteingang der Karstadt-Zentrale in Essen und präsentierte Nicolas Berggruen als neuen Eigentümer der Warenhauskette. Görg hatte Berggruen den Zuschlag gegeben. Anderen Bietern erteilte er eine Absage.

Die Vermietergruppe Highstreet und die deutsch-skandinavische Investmentfirma Triton kamen nicht zum Zug. Der Metro-Konzern, zu dem auch die Warenhauskette Kaufhof gehört, hatte sich kurzfristig ins Gespräch gebracht. Auch der italienische Investor Maurizio Borletti bot sich an. Doch Görg wählte Berggruen aus. Er galt als Hoffnungsträger.

Görgs Kanzlei erhielt 25 Millionen Euro

Doch Berggruen entpuppte sich als große Enttäuschung, weshalb sich nun auch der damalige Insolvenzverwalter Görg kritische Fragen gefallen lassen muss. Sein Einfluss war groß, als es um die Entscheidung für Berggruen ging. Görgs Kanzlei hat nach eigenen Angaben rund 25 Millionen Euro als Vergütung erhalten, das erklärte er im Gespräch mit dieser Zeitung. Doch der Kaufpreis für Karstadt blieb zunächst Berggruens Geheimnis. Erst später wurde klar, dass der Milliardär die Firma praktisch geschenkt bekommen hatte – für einen symbolischen Euro.

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Es gab Personalabbau und Gehaltseinbußen für die Karstadt-Beschäftigten, Filialschließungen zeichnen sich ab. Gerd Hessert von der Universität Leipzig gibt zu bedenken, dass Berggruen kaum in das Unternehmen investiert hat. Hessert kritisiert: „Das ist auch ein Fehler der damaligen Verträge. Man hätte Berggruen zu Investitionen verpflichten müssen.“

„Das war für die Insolvenzverwaltung ein ‚Friss oder stirb‘“

Insolvenz-Jurist Lucas Flöther erläutert ein übliches Vorgehen: Hat ein neuer Eigentümer beim Kauf eines Unternehmens Auflagen zugestimmt, „muss er diese einhalten“. Doch Auflagen in Form von Investitionszusagen hat es bei Karstadt offenbar nicht gegeben.

Thomas Schulz, Sprecher der Insolvenzverwaltung, weist den Vorwurf, es gebe Schwächen in den Verträgen, entschieden zurück. „Die Insolvenzverwaltung hatte keinen Spielraum bei den Vertragskonditionen“, sagt er. „Kein einziger Bieter war bereit, mehr als den sprichwörtlichen einen Euro für das Unternehmen zu bezahlen. Kein einziger Bieter war gar bereit, in den Verträgen fixierte Investitionsverpflichtungen zu übernehmen.“ Die einzige, für Görg aber nicht akzeptable Alternative sei gewesen, Karstadt zu liquidieren. „Das haben alle Bieter gewusst und ausgenutzt. Das war für die Insolvenzverwaltung ein ‚Friss oder stirb‘“, sagt Schulz. „Hätte einer der übrigen Bieter eine Investitionszusage angeboten, wäre Karstadt sofort ihm statt Herrn Berggruen zugeschlagen worden.“

Fünf Millionen Euro für die Karstadt-Markenrechte

Erst viele Monate nach der Übernahme des Warenhauskonzerns ist bekannt geworden, dass Berggruen Millionensummen für die Nutzung der Karstadt-Markenrechte kassieren darf. Eine Verantwortung dafür weist die Insolvenzverwaltung zurück. „Die Markenrechte lagen nicht bei Karstadt und befanden sich nicht im Verfügungsbereich der Insolvenzverwaltung“, stellt Schulz klar. „Sie waren an eine Bank verpfändet. Sie hat mit Herrn Berggruen einen Kaufpreis für die Markenrechte von fünf Millionen Euro ausgehandelt.“

Klar ist, dass sich Görg nach den Kaufverhandlungen sehr lobend über den neuen Karstadt-Eigentümer Berggruen geäußert hat. „Ich verspreche mir Schwung von Berggruen“, sagte Görg. Und: „Ich glaube, er ist in der Lage, Karstadt gut zu führen.“ Es scheint, als habe sich der Insolvenzverwalter bitter in Berggruen getäuscht.