Karlsruhe. . Genießen die Erben von Betriebsvermögen zu Unrecht große Vorteile? Und werden Erben von Privatvermögen dadurch auf verfassungswidrige Weise benachteiligt? Mit dieser Frage beschäftigt sich am Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Lesen Sie die wichtigsten Fakten zum Erbschaftsrecht auf einen Blick.

Die Erbschaftsteuer steht von diesem Dienstag an auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts (BVG). Die Karlsruher Richter wollen auf Antrag des Bundesfinanzhofes klären, ob die Erben von Betriebsvermögen zu Unrecht große Vorteile genießen und Erben von Privatvermögen dadurch auf verfassungswidrige Weise benachteiligt werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Verfahren:

Worum geht es in der Verhandlung vor dem BVG?

Diesmal um das seit 2009 geltende Erbschaftsteuer- und Schenkungsrecht. Damals mussten – auch auf Druck der Karlsruher Richter – Betriebsvermögen und Immobilien höher bewertet werden. Mit der mühsam ausgehandelten Reform wurden aber neue Privilegien, Freibeträge und unterschiedliche Steuersätze geschaffen. Firmenerben können von Steuern befreit werden, wenn sie den Betrieb mehrere Jahre fortführen, Arbeitsplätze erhalten und einen Großteil des Betriebsvermögens in der Produktion gebunden ist. Experten schätzen, dass der Staat durch die Reform seit 2009 100 Milliarden Euro weniger Steuern einnahm. Es handelt sich aber auch um Geld, das in Betrieben blieb, sagen Befürworter.

Warum landete die Reform von 2009 erneut in Karlsruhe?

Auch interessant

Bildnummer_ 52220257 Datum_ 20_08_2007 Copyright__0--198x148.jpg
Von Christoph Bauer und Andreas Graw

Der Bundesfinanzhof (BFH) erachtete das geltende Erbschaftsteuerrecht 2012 als verfassungswidrig und ließ es prüfen. Die obersten Finanzrichter stoßen sich vor allem an der ungleichen Besteuerung von Privat- und Betriebsvermögen. Die weitgehende oder volle steuerliche Verschonung beim Erben von Betriebsvermögen sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften sei eine verfassungswidrige Überprivilegierung. Die Regeln gelten als missbrauchsanfällig, es gebe zu viele Trittbrettfahrer. Generell müssen Verschonungsregeln dem Gemeinwohl dienen – der Firmenerbe muss dafür also etwas leisten. Und die Begünstigungen müssen auch „zielgenau“ sein.

Gibt es Schwächen im Gesetz?

Durchaus. Die BFH-Argumente sind nicht neu. Schwierig gestaltet sich vor allem die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen. Problematisch sind zudem die Steuervergünstigungen für die vielen Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern. Für viele Kleinfirmen ist die zentrale Bedingung der Begünstigung, die sogenannte Lohnsummenregel, nicht anwendbar. Die Begründung des Privilegs – der Erhalt von Jobs – wird bei den meisten kleineren Unternehmen gar nicht überprüft. Scheineinlagen oder Scheinfirmen seien Tür und Tor geöffnet, so die Kritik.

Was, wenn das Gesetz komplett gekippt wird?

Auch interessant

„Ein kompletter Neuanfang wäre schmerzlich“, argumentiert der Verband der Familienunternehmer. Unternehmen wären zwar nicht über Nacht in großem Stil in ihrer Existenz gefährdet. Familienunternehmer würden aber abhängiger von fremden Kapitalgebern. Der Industrieverband BDI warnt vor einem Ausverkauf von Familienunternehmen. Wird die Verschonung komplett gekippt, könnte es zur Entlastung von Firmenerben niedrigere Steuertarife bei breiterer Bemessungsgrundlage geben. Diese könnten mit den Jahren natürlich steigen – je nach politischer Debatte und Konstellation.

Aber hat der Gesetzgeber nicht schon Schlupflöcher geschlossen?

Ja. Es wurden Modelle gestoppt, bei denen privates Finanzvermögen in ein Unternehmen eingebracht wird, um so Abgaben an den Fiskus zu umgehen („Cash GmbH“). Die Privilegien für Betriebsvermögen konnten so auch für Geldvermögen ausgenutzt werden. (dpa)