Berlin. . Die Wahlen in Deutschland entscheiden sich durch finanzielle Fragen - diese These könnte sich auch bei der diesjährigen Bundestagswahl bestätigen. Gerade in der Steuerpolitik grenzen sich Schwarz-Gelb, Rot-Grün und Linke klar voneinander ab. Ein Überblick mit kritischer Einschätzung.

Es sind die Portemonnaie-Themen, die Wahlen in Deutschland entscheiden. Das beobachtet der Meinungsforscher Richard Hilmer von Infratest dimap seit 1992. Um die Wirtschaft, um soziale Gerechtigkeit geht es. Beides bündelt sich in der Steuerpolitik. CDU-Chefin Angela Merkel sieht genau da „ganz klare Unterschiede“ zwischen den Parteien. „Ich weiß gar nicht, woher die These kommt, es gebe dieses Mal keine scharfen Kontroversen“, so Merkel. Ein Überblick.

Schwarz-gelbe Bescherung - das planen CDU und FDP 

Wenn der Lohn gerade mal mit den Preissteigerungen Schritt hält, hat man im Ergebnis oft weniger Geld in der Lohntüte. Denn das Plus wird vom (höheren) Steuertarif aufgezehrt. Das nennt man kalte Progression. Die will die Koalition abbauen. Das kostet drei bis vier Milliarden Euro im Jahr. Es ist nicht das einzige Steuergeschenk. Die Koalition will den Kinderfreibetrag auf das Niveau von Erwachsenen anheben. „Schrittweise“, wie es heißt. Der Zeitplan ist offen.

Die FDP hat ihre Sonderanliegen. Wie den Solidaritätszuschlag. Sie will ihn „im Laufe dieser Legislaturperiode schrittweise vollständig abbauen“. Realistisch ist das nicht. 2019 läuft der Solidarpakt aus: Das ist eher ein Haltbarkeitsdatum für den „Soli“.

Urteil: Zu wenig Ausgabendisziplin

Die Politik steht unter dem Vorbehalt der Konsolidierung der Finanzen. Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt und der Abbau der Altschulden. Das schränkt die „Bescherung“ etwas ein. Die FDP-Programmatik ist diesmal realitätstauglicher als vor vier Jahren. Was die Partner eint, ist ihr „Nein“ zu den Steuerplänen von Rot-Grün. Aber die Ausgabendisziplin der Koalition lässt zu wünschen übrig. Die Union will das Kindergeld erhöhen, die „Mütterrenten“ aufbessern. Kaum sprudeln die Steuereinnahmen, werden Wohltaten versprochen.

Rot-grüne Robin Hoods - das planen SPD und Grüne 

SPD und Grüne wollen Reiche stärker zur Kasse bitten, mit den Einnahmen Bildung und Infrastruktur verbessern. Das kommt allen zugute. Erwartete Mehreinnahmen: 30 Milliarden Euro. Ein Oppositionsprogramm? Als SPD und Grüne zwischen 1998 und 2005 regierten, senkten sie die Steuern.

Die SPD will den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent erhöhen, an die Kapitalerträge härter rangehen, die Erbschaftssteuer strenger fassen. Die Vermögensteuer würde sie wieder einführen. Die Mehrwertsteuer-Ermäßigung für das Hotelgewerbe würde Rot-Grün rückgängig machen, die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern begrenzen.

Höchste Priorität hat der Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Angeblich gehen Deutschland jedes Jahr 160 Milliarden Euro verloren. Wer dieses Geld abschöpft, müsste die Steuern nicht erhöhen, deutete SPD-Chef Sigmar Gabriel an – und ruderte gestern zurück. Die größte Kritik („hasenfüßige Signale“) kam von den Grünen.

Die Grünen sind forscher als die SPD. Sie würden den Spitzensatz von 49 Prozent schon bei einem zu versteuernden Einkommen von 80 000 Euro im Jahr anlegen. Die SPD setzt bei 100 000 (für Ledige) bzw. bei 200 000 Euro (für Verheiratete) an.

Urteil: Fragwürdiger Aufwand

SPD und Grünen wollen abkassieren, weil die Haushaltslage nach ihrer Ansicht angespannt ist — zu wenig Vorsorge in der Euro-Krise – und weil sie umverteilen wollen. Unklar ist die Vermögensteuer. Die SPD will den Familienunternehmen gerecht werden und auch keine Investitionen erschweren. Sie verspricht höhere Freibeträge. Auch soll das „normale Einfamilienhaus“ nicht betroffen sein. Nur: Lohnt da noch der Aufwand?

Linke Millionärsjäger - das plant Die Linke 

Den Spitzensteuersatz würde die Linke ab 65 000 Euro im Jahr ansetzen. Eine „Millionärssteuer“ käme hinzu. Die erste Million des Vermögens wäre steuerfrei. Danach würde man einen Steuersatz von fünf Prozent auf Vermögen ansetzen. 80 Milliarden Euro will man einnehmen. Aus der Erbschaftsteuer will die Linke weitere sieben Milliarden Euro holen. Die Körperschaftssteuer soll bei 25 Prozent liegen. Von den Betrieben will sie zusätzlich 35 Milliarden Euro.

Weitere 30 Milliarden würde eine Finanztransaktionssteuer einbringen. Die Linke würde im Gegenzug die Armen entlasten. Auf Bruttolöhne bis 1000 Euro im Monat würde keine Steuer anfallen. Der Grundfreibetrag soll – großzügiger als bei Rot-Grün – von 8354 auf 9300 Euro steigen.

Urteil: Radikal und realitätsfern

Die Linken haben das radikalste Programm. Realisierungschance: nahe null.