Essen. Der linke Flügel der SPD klärt vor dem kleinen Parteitag am Sonntag schon einmal die Fronten. “Wir müssen über Steuererhöhungen sprechen“, betont Hilde Mattheis, Sprecherin der Parteilinken. SPD-Chef Gabriel dämpft derweil die Erwartungen.

In der SPD gibt es vor dem kleinen Parteitag am Sonntag eine neue Debatte um Anforderungen für Koalitionsverhandlungen mit der Union. Die Sprecherin des linken Flügels der SPD, Hilde Mattheis, sagte unserer Zeitung: "Wir müssen über Steuererhöhungen sprechen, für einen Politikwechsel kommt es auch auf Verteilungsfragen an."

Zusätzliche Ausgaben etwa für Bildung und Infrastruktur seien allein durch eine Einsparungen nicht zu finanzieren. Zudem drohe eine Gerechtigkeitslücke, wenn neue Leistungen wie Verbesserungen der Mütterrente aus Geldern der Rentenversicherung und nicht aus Steuermitteln bezahlt werden müssten. Es müsse daher etwa um einen höheren Spitzensteuersatz, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine höhere Erbschaftssteuer gehen, sagte Mattheis.

"Wir brauchen einen echten Politikwechsel"

In der Union war zuletzt der Eindruck vermittelt worden, SPD-Chef Sigmar Gabriel habe Verständnis für das Nein der Union zu Steuererhöhungen signalisiert. Mattheis sagte, Gabriel müsse am Sonntag schon erläutern, auf welcher Grundlage die Verhandlungen geführt werden sollten. "Wir brauchen einen echten Politikwechsel, das wird entscheidend sein."

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Wichtig sei aber auch sicherzustellen, dass das zugesagte Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag "ein echter Mitgliederentscheid mit Urnen- und Briefwahl" sei. Eine Abstimmung in Regionalkonferenzen werde sicher nicht ausreichen.

SPD-Chef Gabriel hat unterdessen eine große Koalition erneut davon abhängig gemacht, dass die Union einem generellen Mindestlohn von 8,50 Euro in West und Ost zustimmt. In einer Rede vor Gewerkschaftern nannte Gabriel am Freitag in Hannover noch weitere Voraussetzungen für einen Regierungsbeitritt der Sozialdemokraten.

SPD-Chef Gabriel dämpft Erwartungen der Basis 

Wenn der SPD-Parteikonvent am Sonntag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit der Union gebe, wolle die SPD "ein paar Dinge erreichen, die für uns Voraussetzung sind, dass Sozialdemokraten einer Regierung beitreten können", sagte Gabriel auf dem Kongress der Gewerkschaft IG BCE. Ein Punkt sei "der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro ohne Differenzierung zwischen Ost und West". Regionale Ausnahmen dürfe es nicht geben, sagte auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im ZDF.

Gabriel kündigte zudem an, die SPD werde sich in den Koalitionsverhandlungen für eine abschlagsfreie Rente für Arbeitnehmer mit 45 Versicherungsjahren einsetzen, außerdem für Verbesserungen bei der Erwerbsunfähigkeitsrente. Er verlangte auch erneut mehr Investitionen in den Bereichen Bildung und Infrastruktur. Gabriel dämpfte zugleich Erwartungen in den eigenen Reihen: "Keiner soll glauben, am Ende steht ein hundertprozentiges SPD-Programm."

NRW-SPD hat besonderes Gewicht

Die SPD entscheidet am Sonntag bei einem Parteikonvent, ob sie Koalitionsverhandlungen beginnt. Es wird damit gerechnet, dass die NRW-Delegierten Kraft folgen. Die NRW-SPD hat dabei als größter Landesverband mit 124 000 Mitgliedern besonderes Gewicht.

Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, wies darauf hin, dass nach dem Abschluss von Verhandlungen noch die SPD-Mitglieder über einen Koalitionsvertrag abstimmen müssen. "Wir haben im Wahlkampf und auch in den vergangenen Wochen dafür gekämpft, dass dieses Land gerechter regiert wird, dass Verbesserungen für die Menschen erreicht werden. Das muss erkennbar sein", mahnte Römer am Freitag. Unmittelbar nach der Bundestagswahl hatte Römer gesagt, die SPD tauge nicht zum Steigbügelhalter der SPD.

SPD-Basis "unsichtbarer Dritter" am Verhandlungstisch 

Solche Hinweise auf die Mitgliederbefragung, mit der die SPD über einen möglichen Koalitionsvertrag entscheiden wird, hält der rheinische CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach für problematisch. Ihm mache Sorgen, dass die SPD-Basis als unsichtbarer Dritter mit am Verhandlungstisch sitze, sagte Bosbach im WDR: "Da steht natürlich zu befürchten, dass die SPD uns immer wieder sagt: "Ja, mag ja sein, aber wir müssen das unbedingt bekommen, weil die Basis sonst nicht zustimmt."

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NRW-FDP-Chef Christian Lindner meinte am Freitag, für Kraft bedeute eine große Koalition, dass sie für Probleme an Rhein und Ruhr nicht mehr den Bund verantwortlich machen könne. "Rot-Grün muss dann selbst regieren. Ohne Steuererhöhungen im Bund droht ihre Finanzplanung im Land wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen", sagte Lindner.

Krafts Koalitionspartnerin auf Landesebene, NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), sieht in der SPD weiterhin den bevorzugten Koalitionspartner für die Grünen. "Es gibt für uns weiterhin eine Erstoption. Das ist die SPD, mit der wir in sechs Bundesländern gemeinsam regieren", sagte Löhrmann der "Neuen Westfälischen" (Freitag). Die Grünen sollten aber als "eigenständige politische Kraft" auftreten, die andere "Konstellationen davon abhängig macht, mit wem wir ein Maximum unserer Ziele erreichen können". (mit dpa)