Essen. Siemens-Chef Joe Kaeser krempelt Siemens um - und setzt im Energiebereich vor allem auf dezentrale Lösungen und das Gasgeschäft. Der Energiebereich soll künftig aus Orlando in den USA gesteuert werden. Die Sorgen im Mülheimer Dampfturbinen-Werk häufen sich.

Siemens krempelt einmal mehr den kompletten Konzern um und baut Arbeitsplätze ab. Die größten Veränderungen zeichnen sich für den Energiebereich ab, der künftig aus Orlando in den USA gesteuert werden soll. Siemens will vom Schiefergas-Boom profitieren.

Der Energiebereich ist die tragende Säule in Europas größtem Industriekonzern. Siemens-Chef Joe Kaeser benannte am Mittwoch die Defizite: „Man muss da sein, wo der Markt ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende, der seit neun Monaten im Amt ist. So will Siemens ins Fracking-Geschäft in den USA einsteigen. Dafür holt der Konzern die 51-jährige Shell-Managerin Lisa Davis in den Vorstand. Sie soll das Energiegeschäft aus den Staaten heraus steuern.

Turbinensparte von Rolls Royce

Kaeser räumte aber auch ein, dass Siemens zu lange auf den Bau großer Gasturbinen gesetzt habe. Die Nachfrage ist eingebrochen. „Dezentrale Lösungen werden in Deutschland vernachlässigt“, sagte er im Hinblick auf die Energiewende. Das werde Siemens jetzt nachholen. Für 1,2 Milliarden Euro kaufen die Münchener deshalb die Gasturbinen-Sparte des britischen Rolls-Royce-Konzerns.

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Kaesers Pläne sorgen im Werk Mülheim, wo Siemens das weltweite Kompetenzzentrum für die Dampfturbine angesiedelt hat, für Fragezeichen. „Herr Kaeser spricht von Öl, Gas und Wind als Zukunftsfeldern sowie von dezentralen Anlagen. Dampfturbinen hat er mit keinem Wort erwähnt“, sagte der Mülheimer Betriebsratsvorsitzende Pietro Bazzoli, der für rund 5000 Beschäftigte am Standort spricht, dieser Zeitung. „Das müssen wir kritisch hinterfragen“, so der Metaller.

Kaeser schafft organisatorisch die vier Sektoren ab und strafft die Zahl der Divisionen von 16 auf neun. Damit sollen auch die Kosten bis zum Herbst 2016 um eine Milliarde Euro gedrückt werden. Über mögliche Konsequenzen für die weltweit 370.000 Arbeitsplätze wollte sich der Vorstandschef am Mittwoch nicht äußern. Nach Informationen dieser Zeitung wurde Siemens-intern die Zahl von 18.000 Stellen genannt, die vom Umbau betroffen sind. Etliche Mitarbeiter werden umgesetzt werden müssen.

Aktionstag der IG Metall am 23. Mai

Die IG Metall forderte nach der Bekanntgabe der Pläne am Mittwoch den Fortbestand der 2010 geschlossenen Standort- und Beschäftigungssicherung, die unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Zudem müssten tragfähige Wachstumsstrategien für alle Geschäftsbereiche in der neuen Struktur entwickelt werden. Für den 23. Mai ist nach Angaben der Berliner IG Metall ein bundesweiter Aktionstag zur Sicherung der Standorte geplant.

Zur Neuausrichtung des Industriekonzerns gehört auch, dass die Medizintechnik selbstständig wird. Die Hörgeräte-Sparte, die Siemens vor Jahren noch verkaufen wollte, will Kaeser an die Börse bringen. Als Beitrag zur Unternehmenskultur plant der Siemens-Chef, den Topf für erfolgsabhängige Prämien auf 400 Millionen Euro zu verdreifachen. Nutznießer sollen Beschäftigte unterhalb der Managerebene sein. Die Zahl der Mitarbeiter, die Aktien an Siemens halten, soll von 140.000 auf 200.000 vergrößert werden.