Berlin. . Gerd Billen war als Verbraucherschützer ein harter Regierungskritiker. Jetzt, als Staatssekretär, merkt er: Manches ist schwer umsetzbar, etwa bezahlbare Mieten. Deswegen sieht er auch weiterhin einen Bedarf für die Mietpreisbremse.
Steigende Mieten und eine immer mächtigere Wirtschaft sorgen viele Bürger. Wie die Regierung den Befürchtungen begegnen will, erläutert der Staatssekretär im Verbraucherministerium, Gerd Billen, im Gespräch mit Wolfgang Mulke. Billen (59) kennt sich mit den Problemen bestens aus, war er doch zuvor Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.
Herr Billen, Sie waren als oberster Verbraucherschützer großer Kritiker der Regierung. Jetzt gestalten Sie die Politik selbst mit. Mussten Sie umdenken?
Gerd Billen: Die Arbeit in einem Ministerium ist neu für mich. Es ist eine Menge Überzeugungsarbeit nötig, um die gesamte Bundesregierung für einen Vorschlag an seine Seite zu bekommen. Aber das gelingt durchaus und so kann ich jetzt Forderungen erfüllen, die ich früher selbst gestellt habe.
Gleich bei Ihrem ersten großen Vorhaben, der Mietpreisbremse, hagelt es Kritik. Die Mieten steigen jetzt schneller als je zuvor. Wird die gut gemeinte Tat zum Flop?
Gerd Billen: Warten Sie erst einmal ab. Voraussichtlich Mitte 2015 wird die Mietpreisbremse wirksam. Das wird die Gentrifizierung, also die Verdrängung der bestehenden Mieterschaft durch Besserverdienende, ein Stück weit stoppen. Das ist sicherlich kein Trost für jene, die in diesen Tagen umziehen wollen oder müssen. Die Nachfrage nach Wohnraum in den Ballungsgebieten wird aber hoch bleiben und so besteht weiter Bedarf für die Mietpreisbremse. Betroffen sind fast 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Mit der Mietpreisbremse entsteht keine einzige neue Wohnung. Wir müssen deshalb auch den Neubau fördern, damit das Angebot steigt und dadurch der Anstieg der Mieten gedämpft wird.
Gleichzeitig setzt die Bundesregierung Anreize zur energetischen Sanierung der Häuser. Die Kosten dafür tragen am Ende die Mieter. Bezahlbare Mieten für Haushalte mit geringeren Einkommen bleiben damit doch eine Illusion, oder?
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Gerd Billen: Wir stecken hier in einem echten Dilemma. Preiswertes Wohnen und gleichzeitig eine hohe Einsparung beim Klimagas CO2 passen oft nicht zusammen. Wir brauchen eine offene und ehrliche Debatte darüber, ob Klimaschutz beim Bauen nicht stärker gefördert werden muss. Die Schlüsselfrage ist, ob wir günstige Neubauten ermöglichen können. Daran arbeiten wir.
Viele Bürger haben den Eindruck, dass die Politik im Zweifel eher den Wirtschaftsinteressen folgt, wie die EU-Pläne bei den Fluggastrechten zeigen. Wo bleibt der Verbraucherschutz?
Gerd Billen: Es droht tatsächlich eine Verschlechterung der Fluggastrechte, wenn die EU-Kommission ihre Vorstellungen durchsetzen sollte. Dann gäbe es weniger Geld bei großen Verspätungen und erst nach deutlich längerer Verspätungsdauer. Mit der Bundesregierung ist das aber nicht zu machen. Da sind sich das Verbraucher- und das Verkehrsministerium einig.
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Was nützen Entschädigungsregeln, wenn Fluggesellschaften sie nicht einhalten und einfach nicht zahlen?
Gerd Billen: Dass vorhandene Rechte auch durchgesetzt werden können, ist für uns sehr wichtig. Wir schauen uns nach dem ersten Jahr der Schlichtungsstelle für den Luftverkehr die Entwicklung an. Wenn sich Unternehmen nicht gesetzeskonform verhalten, werden wir reagieren und die Aufsicht verstärken.