Berlin. . Die SPD-Minister der Koalition holen sich ungewöhnlich prominente Fachleute zur Unterstützung: Jörg Asmussen (Soziales), Gerd Billen (Verbraucherschutz), Jochen Flasbarth (Umwelt) und Brigitte Zypries (Wirtschaft). Das ist riskant. Denn die Staatssekretäre melden schon selbstbewusst Ansprüche an.
Die Nachricht aus dem Sozialministerium war nicht spektakulär, ungewöhnlich war der Urheber: Das große Früh- und Mütterrentenpaket der schwarz-roten Koalition soll zum 1. Juli in Kraft treten, deshalb muss das Kabinett schon in vier Wochen einen Gesetzentwurf beschließen – das soll aber „nicht auf Kosten der Qualität gehen“. So kündigte es am Wochenende der künftige Sozial-Staatssekretär Jörg Asmussen (SPD) an.
Alles korrekt, altgediente Beamte im Sozialministerium wunderten sich dennoch: Dass Asmussen und nicht seine Ministerin Andrea Nahles (SPD) öffentlich die Politik des Hauses erläutert, ist ungewöhnlich. Eigentlich sind beamtete Staatssekretäre die still dienenden Fachleute der zweiten Reihe, die intern die Schalthebel des Ministeriums bedienen, aber die Außendarstellung ihren Chefs überlassen. Doch in der neuen Regierung ist diese Arbeitsteilung nicht mehr so sicher.
Nicht nur der selbstbewusste Asmussen, bislang Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB) und davor schon mal Finanz-Staatssekretär, gilt als heimlicher Star in seinem Ministerium. Auch in anderen Ressorts wurden ungewöhnlich prominente Fachleute in die Leitungsposten berufen – vorrangig von SPD-Seite.
Ein Grüner dient dem Sozialdemokraten Maas
Dem neuen Justiz- und Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) arbeitet als Staatssekretär nun Gerd Billen zu, der bisher als Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes so etwas wie Deutschlands oberster Verbraucherschützer war. Als wäre das nicht ungewöhnlich genug, ist der kompetente wie eloquente Billen auch noch langjähriges Grünen-Mitglied.
Staatssekretär bei Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist Jochen Flasbarth, den einst Jürgen Trittin (Grüne) als Abteilungsleiter ins Umweltressort holte und der zuletzt das Bundesamt für Naturschutz leitete.
Und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) engagierte für das Management der Energiewende den Grünen Rainer Baake, der schon mal als Staatssekretär diente und dabei die Ökostrom-Förderung und den Atomausstieg konzipierte; in Teilen der Industrie hat die Berufung des altgedienten Energieexperten Irritationen ausgelöst.
Auch Gabriel setzt auf grüne Kompetenz
Gabriel sichert sich nicht nur mit grüner Kompetenz ab, sein Ministerium baut er zugleich zu einer Art Vizekanzleramt aus: Sein enger Vertrauter und bisheriger Büroleiter Rainer Sontowski wird als Staatssekretär auch Koordinierungsaufgaben für die SPD-Seite des Kabinetts übernehmen. Demnächst holt Gabriel auch noch seinen Intimus Matthias Machnig als beamteten Staatssekretär dazu.
Ungewöhnlich ist, dass unter Gabriel die frühere Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) jetzt als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsressort arbeitet – in der Hierarchie ein paar Stufen tiefer als Minister, das gab es noch nie.
Manche in der zweiten Reihe haben Ambitionen auf ein Ministeramt
Nicht nur Zypries dürfte das Gefühl haben, dass sie im Kabinett auch als Ministerin eine gute Besetzung wäre. Auch Asmussen werden Ambitionen auf ein Ministeramt nachgesagt. Der 47-Jährige kündigt schon an, das Wirtschaftsprofil der SPD stärken zu wollen. Vorerst soll er zusammen mit Nahles eine moderne Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorantreiben – wozu sich der smarte Ökonom aber wohl erst mit seiner eher staatsgläubigen Ministerin arrangieren muss. Billen hat ebenfalls Gestaltungsdrang, er will nun aktiv etwas für die Verbraucher bewegen, wie er selbstbewusst ankündigt.
Der Glanz, den die zweite Reihe verbreitet, kommt der Regierung zupass: Sie holt sich Expertise, wo sie kann, das ist die Botschaft. Dass so auch unerfahrene Minister gestützt werden, trifft sich gut. Für die Grünen ist es ein zwiespältiges Signal: Einerseits ist die Berufung von Billen und Baake das Zeichen, dass die SPD die Tür zu Rot-Grün offen hält. Andererseits wird oppositionelle Kritik erschwert – die Grünen müssten die eigenen Leute schelten.