München/Essen. . Milliarden-Angebot für Alstom sorgt für Unsicherheit in den Ruhrgebietswerken. Siemens-Chef Joe Kaeser will mit der Offerte den Rivalen General Electric ausstechen. Teil des Plans ist es, die Siemens-Zugsparte mit dem ICE gegen den Alstom-Energieteil zu tauschen.
Auf die Gelegenheit haben mehrere Siemens-Chefs gelauert. Den französischen Wettbewerber Alstom zu schlucken hatte zuletzt 2004 Heinrich von Pierer vergeblich versucht. Er war aber beim damaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac abgeblitzt. Nun versucht es Joe Kaeser erneut.
Die Offerte, die der Siemens-Chef am Montagabend dem französischen Präsidenten François Hollande unterbreitete, lässt die über 7000 Beschäftigten der Siemens-Energiesparte an Rhein und Ruhr nicht kalt. Denn die Geschäfte der beiden Rivalen überschneiden sich: Die rund 5000 Beschäftigten in Mülheim entwickeln und bauen Dampfturbinen. In dem Werk ist zudem der Turbinenservice sowie die Entwicklung der Gasturbine angesiedelt, die in Berlin gefertigt wird. In Duisburg produzieren 2200 Beschäftigte Verdichter für die Öl- und Gasindustrie.
Die Kraftwerkssparte der Franzosen in Deutschland ist vergleichsweise klein: Zur Alstom Power GmbH gehören 2400 Mitarbeiter an sieben Standorten. Dampfturbinen werden in Mannheim gebaut.
Rivalen General Electric ausstechen
„Die Belegschaft ist verunsichert und überrascht über die Geschwindigkeit, mit der Siemens ein Angebot vorlegen will“, sagt Pietro Bazzoli, Betriebsratschef im Mülheimer Werk. Mit dem Schielen nach Alstom wachse der Druck auf die hiesigen Arbeitsplätze. Der Kraftwerksbau allgemein leidet unter der Energiewende. Die Hersteller verzeichnen einen Rückgang der Aufträge.
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Mit dem möglichen Angebot für Alstom will Siemens aber auch den Erzrivalen General Electric (GE) aus den USA ausstechen. Für den Energieteil von Alstom, der drei Viertel des Konzerns umfasst, will GE 9,5 Milliarden Euro zahlen. Aber Siemens hat mehr zu bieten.
Die bayerische Gegenofferte mit zehn bis elf Milliarden Euro liegt nicht nur finanziell über dem GE-Angebot. Siemens-Chef Joe Kaeser lockt mit einem für französisches Selbstverständnis gesichtswahrenden Tauschgeschäft. Gegen den Alstom-Energieteil will Kaeser die Siemens-Zugsparte mit dem ICE an die Franzosen abtreten und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. „Siemens könnte das Sorgenkind ICE elegant loswerden“, heißt es im Umfeld des Siemens-Aufsichtsrats. Der Hochgeschwindigkeitszug krankt seit Jahren an technischen Problemen.
Hier liegt zugleich auch die größte Hürde für Siemens, schätzen Experten. Sie ist kartellrechtlicher Natur. Denn Alstom baut mit dem erfolgreicheren TGV nicht nur den ICE-Konkurrenzzug, sondern auch anderes rollendes Gerät. Zusammen mit der kanadischen Bombardier gibt es derzeit nur drei große Zughersteller, aus denen beim deutsch-französischen Schulterschluss nur noch zwei würden.
Arbeitsplatzgarantie für Franzosen
Und weitere Steine liegen im Weg von Siemens. Einer davon sind die Arbeitsplätze. Eine Übernahme dieser Größenordnung kostet immer Stellen. Bei Siemens arbeiten 362 000, bei Alstom 93 000 Beschäftigte. Kaeser beruhigt und verspricht, drei Jahre lang keine französische Alstom-Stelle zu kappen. Das gelte auch für deutsche Arbeitsplätze.